II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 209

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26.1. Konoedie der orte zykIus
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Der Koland von Berlin
zu seiner reinlich fühlenden Frau ein, um sofort der nächsten Ver¬
suchung zu erliegen, die Braut seines Freundes zu verführen und mit
diesem Pflänzchen einen Brief abzukarten, durch den er auch den be¬
trogenen Freund und Bräutigam hinters Licht führen kann. Und
als der junge Mann erscheint, um ihn auf Ehre und Gewissen zu
fragen, ob er der Geliebte seiner Braut gewesen, spielt er mit Hilfe
jenes Briefes eine große Szene vor, die in der Tat schwerlich ihres¬
gleichen hat. Die Mischung von Genie und Kindlichkeit, von Tempe¬
rament und Arglosigkeit, von Begeisterung und Schuftigkeit, das jäh
durcheinanderflutende Chaos aller menschlichen Empfindungen und
dieser vollendete Inbegriff der Komödianterei, wobei jeder Nerv des.
Bühnenhelden spielerisch verzückt mit verhängten Zügeln durchgeht,
das ergab eine Rolle straff aus einem Guß, wahr wie das Leben selber
und mit einem unglaublichen Reichtum genialer Einzelheiten." M. N.
Dem Umstand, daß Rudolf Bernauer wegen „Reigung zu Blind¬
darmentzündungen" und Rudolf Schanzer wegen „bogenförmig
gekrümmter Zehen“ vom Heeresdienst in der österreichischen Armee
befreit sind, verdankte Berlin den höchst vergnüglichen und ergötzlichen
Abend, an dem die Uraufführung des neuen Scherzspiels der beiden
Dienstuntauglichen im Berliner Theater stattfand. Der Titel des
Werkes heißt „Wenn zwei Hochzeit machen“, und es braucht nicht be¬
sonders betont zu werden, daß diese Worte dem großen Schlager entnom¬
men sind, der dalautet: „Alle Englein lachen, wenn zwei Hochzeit machen,
die Glocken läuten bim und bam, da wird ein kleines Fräulein zur Ma¬
dam.“ Dieser gemütvolle Kehrreim, der am Premieren-Abend drei¬
mal wiederholt werden mußte, wurde durch die dreifache Wirksamkeit
des Komponisten Walter Kollo, des Maschinenmeisters Wilhelm Wolff
und des Malers Svend Gade noch gehoben und unterstützt. Denn die
Seinschmeichelnde Melodie prägte sich sofort in die mehr oder minder
kleinen Ohren der Hörer ein, und eine Schar von hübschen jungen
Mädchen im Biedermeierkostüm und von kleinen Liebesgöttern im
Alter von sieben bis neun Jahren in der bekannten mythologischen
Tracht tanzte dazu vor einem malerischen Hintergrunde, den die Über¬
raschung einer geschmackvollen Transparent-Dekoration vor Augen
führte. Es wäre aber ungerecht zu verschweigen, daß auch die übrigen
sechzehn Gesangsnummern ungemein hübsch und wirksam waren, wenn
sie auch die Durchschlagskraft des Hauptschlagers nicht erreichten. Da
man in diesen Zeiten an allen Ecken und Enden sparen soll, so wollen
wir es uns auch ersparen, den Inhalt der lustigen und übermütigen
Posse wiederzugeben, und nur feststellen, daß die Darstellung den
Löwenanteil an dem großen Erfolg hatte. In erster Linie Herr Sabo
und Fräulein Weise, in zweiter Fräulein Kenter und Herr Schünzel;
Herr Plaut holte sich mit seinen trefflichen Bassermann- und Moissi¬
Parodien einen jubelnden Extrabeifall und Frau Josephine Dora
erntete durch ihren meisterhaften Coupletvortrag und ihr liebens¬
würdiges Spiel wohlverdienten Applaus.
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AaOKI.Sic auit
vom:
Beriner Sbesellt
Arthur Schnitzlers „Lomödie der Worte“
rm Tessingtheater.
Wenn irgendwo, mußten hier im Lessingtheater die drei
Schnitzlerschen Einakter, die der Titel als Sinnspruch zusammen¬
#irdet, ihre Werte gegen ihre Schwächen erfolgreich geltend
nchen. Weil auf dieser Bühne noch immer viel von der Ueber¬
geserung des Stils lebendig ist. der vormals die stillen, nachdenk¬
ichen, komplizierten Dramen des Wieners zu unseren starken
Erlebnissen machte. Schnitzlers Schauspieler müssen nicht nur
Wortperlen in schlichter Fassung, sie müssen auch das geben
können, was hinter leisen Worten liegt. In der ersten der
die
drei Tragikomödien („Stunde des Erkennens“) i
Lüge das Schweigen. Frau Klara hat — es sind nun zehn Jahre
her, und ihre Ehe besteht zwanzig Jahre! — ihrem Gatten ver¬
schwiegen, daß sie sich einmal einem anderen Manne gab. Und
auch der Gatte, der vom ersten Tage an wußte, daß er gehörnt
wurde, hat zehn Jahre lang geschwiegen. Hat schweigend ge¬
logen, sogar in den Schäferstunden, in denen er, wie er jetzt er¬
klärt die gehaßte betrogene Betrügerin zu seiner Dirne ernie¬
drigte. Das ist nicht bloß unmenschlich, es ist vor allem außer¬
menschlich und unglaubwürdig. Ersonnen wurde es, um einen
Menschen zu zeigen, der die Nache kalt genießt. Der Nächer
Albert Bassermanns war ein weiß=glühender, nicht schmel¬
zender Stahl. Man bewunderte den Schauspieler, ohne an seinen
Doktor Eckold zu glauben. Noch weniger löste Lina Lossen
die Rätsel des tief gedemütigten Weibes, das seelisch treu und
körperlich untreu gewesen. Aus dieser Künstlerin sprechen viele
Auch
feine Stimmen, nur gerade nicht die des heißen Blutes. —
die zwei anderen Einakter spielen um geborstene Ehen. Doch ums
Eheproblem ist es Schnitzler diesmal nicht zu tun. Höchstens
sagt er: es gibt kein allgemein gültiges Problem dieses Namens.
In dem ersten Stück ist der Riß unheilbar, im dritten Einakter
[„Das Baechusfest“) wird er geheilt, im zweiten wird er
täglich aufs neue verschuldet und verziehen. Schnitzler geht in
allen drei Stücken mit zarttastender Hand der heimlichen Verbin¬
dung von Lüge und Wahrheit in den Worten und im Gehirn der
Menschen nach. Der Schauspieler Konrad Herbot (in dem Ein¬
ukter „Große Szene“) ist ganz Lüge. Und dabei ist geradeer,
S
der im Spiele, in der Phantasie lebt, am wahrhaftigsten, weil der
Trug (und Selbstbetrug) seine wahre Natur ist. Schade, daß die
2.
Frau, die angeblich seine künstlerische Ergänzung sein soll, das
nicht versteht! Unwahrscheinlicher, als der Wortetäuscher, ist die
redliche Frau. Sie wurde von der großen Szene, in der der
Komödiani den Bräutigam eines von ihm verführten Mädchens
glängend nasführt, ernüchtert; während wir Zuschauer im Parkett
vom Dichter und vom Schauspieler (Bassermann) geblendetz¬
waren. So stark war die Wirkung des Bassermannschen Vir####
tuosenstücks, daß nicht einmal eine knapp vorübergegangene
[Panik dem Erfolg schaden konnte. (Ein Heizungsrohr war
geplatzt, es entstand peinliche Unruhe, das Spiel mußte unter¬
Bassermann. die
lbrochen werden, der Vorhang fallen ..
Karyatide dieses Schnitzler=Abends, spielte dann noch im „Bacchus¬
fest“.
dem Schwank mit halb=geöffneter tragischer Per¬
spektive, jenen klugen Dichter, der sein schon flügges Vögelchen
im letzten Augenblick noch einfängt; seine Frau wieder gewinnt
mit einer lockeren Lüge=Dichtung, die er heiteren Mundes und
wehen Herzens vorträgt. — Von dem Dank, den die Zuschaugt
reichlich dem Dichter zollten, mag dieser ein redlich Teil seinem
Hermann Kiynzs.
Schauspieler abgeben.