II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 210

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26.1. Konoedie der Norte zvkIus
Preie Deutsche Presse
Ausschnitt aus:
Freisinmge Seitung, Berlin
ve. 44# 770
Kunst und Wissenschaft
Lessing-Theater
Nun hat auch Berlin den neuesten Schnikl#s, um den sich
auswärtige Bühnen förmlich gerissen haben. Am Sonnabend
brachte Herr Direktor Barnowski die drei Einakter zur ersten
Aufführung, die der Dichter unter dem Titel „Komödie der
Das klingt beinahe wie Selbst¬
Worte“ zusammengefaßt hat.
iron'e, denn Worte, viel Worte verdecken und beschönigen in allen
drei Komödien die wenig anmutenden Vorgänge, auf denen sich
jene aufbauen. Wie der gewandte Wiener Dialektiker Schnitzler
die Worte meistert, wissen wir ja. er bleibt immer gewandt und
liebenswürdig, auch wo es sich um keine seinen Sachen handelt, oder
er versucht es wenigstens zu bleiben. Bösartig genug ist ja das
Grundthema aller drei Einakter, die sämtlich vom Ehebruch in
mehr oder weniger schwerer Form handeln. Dach wozu so grob
Lieher wickelt man den ekligen Genenstun—
Seide ein und parfümiert ihn mit einem Nebel von glitzernd¬
gleibenden Worten, so daß man darüber fast den Ekel vergißt.
Mehr oder minder kernfaule Großstadtmenschen sind die Haupt¬
personen in dieser „Komödie der Worte“ die in ihrer Gesamtheit
den Eindruck von Sumpfblumen macht, die mit glänzenden Blüten
auf der Oberfläche den Ursprung aus fauligem Moder verdecken.
Auch könnte man's mit einem Korb äußerlich mit roten Backen
prunkender Aepfel vergleichen, die beim Hineinbeißen sich o
innerlich faulend und wurmstichig erweisen. In den ersten Apfel!
biß auch das Publikum des Lessing-Theaters nur mit einem ge¬1
wissen undenagen hinemn. Diese „Stunde des Erkennens“
bietet bei aller glänzenden Veredtsamkeit doch zu viel des Unbe¬
haglichen und Unerquicklichen. Nach zweiundzwanzigjähriger Ehe
haben der Arzt Dr. Eckold und seine Frau Klara ihre Tochter ver¬
heiratet. Einen Tag darauf hält der böse Doktor die Zeit für ge¬
kommen, um an seiner Frau Nache zu nehmen für einen Ehe¬
bruch, den sie vor zehn Jahren begangen hat. Mit dem Behagen
eines Raubtieres, das seine Beute zermalmt, ersucht er Klara,
jetzt sein Haus zu verlassen, und als diese voll Entsetzen an die
ehellchen Zärtlichkeiten auch nach jener Eheirrung erinnert, schleu¬
dert ihr der Mann Gemeinheiten ins Gesicht, die man kaum
wiedergeben kann. Solchem Menschen gegenüber erscheint Klara
sast als die heilige und reine, so sucht's uns Schnißler wenigstens
mit viel Worten glaublich zu machen. Aber auch die Frau nimmt
ihre Rache. Als sie erfahren hat, daß ihr Mann den Professor
Ormin für den vor zehn Jahren begünstigten Liebhaber hält, läßt
sie ihn in diesem falschen Glauben. Der Stachel wird verschärft
durch den giftigen Neid des Dr. Eckold auf Ormin, dem es gelungen
ist, Professor zu werden, was Euold nicht erreichte. Eben erst hat
sich Ormin, der als Leiter einer Sanitätsabteilung nach dem
russisch=japanischen Kriegsschauplatz reist, verabschiedet und dabei hat
ihm Klara erklärt, warum sie sich vor zehn Jahren nicht mit ihm,
sondern einem anderen eingelassen hat. So scheidet schließlich diese
Ehebrecherin noch mit einer furchtbaren Lüge von ihrem Mann, der
eideg ein paar rechte
seine Rache so lange kaltgesteilt hat.
Gemütsmenschen, dieser Dr. Eckold und seine Frau!
Fürchterlich gelogen wird auch in dem zweiten Stück, das sich
„Große Szene“ nennt. Hier aber erscheint die Lüge in viel
harmloserem Gewande, so daß man dem Erzlügner, dem Schau¬
spieler Herbot, nicht einmal so recht gram sein kann. Er ist ein
liebenswürdiger Lump, so wehe er auch seiner hübschen, guten
Frau Sophie durch seine Abweichungen vom Pfade der ehelichen
Treue tut. Der Theaterdirektor, ein geriebener Geschäftsmann,
bringt das Paar wieder zusammen, da sein bester Kassenmagnet
während der Trennungszeit zu versagen drohte. Ein unange¬
nehmer Besuch meldet sich, ein etwas beschränkter junger Herr
Gley, um von Herbot Rechenschaft zu fordern für eine Liebschaft
mit Gleys Braut. Frau Sophie wird nun hinter dem Vorhang
Zeuge, wie ihr Schwerenöter von Mann durch virtuose Lügen¬
künste den Gley einzuwickeln und abzuwimmeln versteht. Das
ist ihr doch zu arg, es droht eine neue Trennung, aber da kommt
ihr Mann, schon im Kostüm des Hamlet, und wirbt um sie mit
soviel Wortschwall, Mätzchen und Kapriolen, daß sie, zur größten
Freude des Direktors dem schon um einen Skandal bangte, nicht
widerstehen kann. Diese „Große Szene“ erwies sich als der
„Schlager“ des Abends, und in der Tat ist dieses Stück auch das
beste von den dreien. Es brachte dem Dichter einen Hervor¬
ruf um den andern ein.
Schließlich kam als matter Schluß das „Bacchusfest“
Auf dem Bahnhof eines österreichischen Gebirgsstädtchens hat sich
die junge Frau des Schriftstellers Staufner mit ihrem Galan,
einem recht trottelhaften Sportsmann, Dr. Wernig, eingefunden,
um dem von einer Reise heimkehrenden Schriftsteller mutig alles
zu gestehen und ihn um Scheidung zu bitten. Der aber merkt
den Braten, noch ehe das Pärchen zum Wort kommt. Er redet
und redet, erzählt von seinem neuen Werk „Bacchusfest“ und tischt
dabei mythölogische Anzüglichkeiten von den altgriechischen
Bacchanalien auf. Sein Hinweis darauf, daß damals eine Nacht
frei war, eine Wiederholung aber mit dem Tode gebüßt werden
mußte, und anderes frivoles Zeug schlagen den erbärmlichen
Sportsjüngling in die Flucht. An diesem „Bacchusfest“ ist nichts
dran, zumal auch die sonst so tüchtige Spielleitung bei der An¬
ordnung des Bahnhofstrubels versagte.
Bei der Darstellung ragte Paliermann in allen drei