II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 211

liebenswürdig, auch wo es sich um keine feinen Sachen handelt, oder
er versucht es wenigstens zu bleiben. Bösartig genua ist ja das
Grundthema aller drei Einakter, die sämtlich vom Ehebruch in
mehr oder meniger schwerer Form handeln. Dach wozu so grob
Lieber mickelt man den ekligen Gegonsne—e vnd
sein
Seide ein und parfümiert ihn mit einem Nebel von glitzernd¬
gleibenden Worten, so daß man darüber fast den Ekel vergißt.
Mehr oder minder kernfaule Großstadtmenschen sind die Haupt¬
personen in dieser „Komödie der Worte“, die in ihrer Gesamtheit
den Eindruck von Sumpfbiumen macht, die mit glänzenden Blüten
auf der Oberfläche den Ursprung aus fauligem Moder verdecken.
Auch könnte man's mit einem Korb äußerlich mit roten Backen
prunkender Aepfel vergleichen, die beim Hineinheißen sich als
innerlich faulend und wurmstichig erweisen. In den ersten Apfel
biß auch das Publikum des Lessing-Theaters nur mit einem ge¬
wissen undehagen hinem. Diese „Stunde des Erkennens“
bietet bei aller glänzenden Beredtsamkeit doch zu viel des Unbe¬
haglichen und Unerquicklichen. Nach zwelundzwanzigjähriger Ehe
haben der Arzt Dr. Eckold und seine Frau Klara ihre Tochter ver¬
heiratet. Einen Tag darauf hält der böse Doktor die Zeit für ge¬
kommen, um an seiner Frau Nache zu nehmen für einen Ehe.
bruch, den sie vor zehn Jahren begangen hat. Mit dem Behagen
eines Raubtieres, das seine Beute zermalmt, ersucht er Klara,
jetzt sein Haus zu verlassen, und als diese voll Entsetzen an die
ehelichen Zärtlichkeiten auch nach jener Eheirrung erinnert, schleu¬
dert ihr der Mann Gemeinheiten ins Gesicht, die man kaum
wiedergeben kann. Solchem Menschen gegenüber erscheint Klara
sast als die heilige und reine, so sucht's uns Schnitzler wenigstens
mit viel Worten glaublich zu machen. Aber auch die Frau nimmt
ihre Rache. Als sie erfahren hat, daß ihr Mann den Professor
Ormin für den vor zehn Jahren begünstigten Liebhaber hält, jäßt
sie ihn in diesem falschen Glauben. Der Stachel wird verschärft
durch den giftigen Neid des Dr. Eckold auf Ormin, dem es gelungen
ist, Professor zu werden, was Euold nicht erreichte. Eben erst hat
sich Ormin, der als Leiter einer Sanitätsabteilung nach dem
russisch=japanischen Kriegsschauplatz reist, verabschiedet und dabei hat
ihm Klara erklärt, warum sie sich vor zehn Jahren nicht mit ihm,
sondern einem anderen eingelassen hat. So scheidet schließlich diese
Ehebrecherin noch mit einer furchtbaren Lüge von ihrem Mann, der
seine Rache so lange kaltgesteilt hat. Beides ein paar rechte
Gemütsmenschen, dieser Dr. Eckold und seine Frau!
Fürchterlich gelogen wird auch in dem zweiten Stück, das sich
„Große Szene“ nennt. Hier aber erscheint die Lüge in viel
harmloserem Gewande, so daß man dem Erzlügner, dem Schau¬
spieler Herbot, nicht einmal so recht gram sein kann. Er ist ein
liebenswürdiger Lump, so wehe er auch seiner hübschen, guten
Frau Sophie durch seine Abweichungen vom Pfade der ehelichen
Treue tut. Der Theaterdirektor, ein geriebener Geschäftsmann,
bringt das Paar wieder zusammen, da sein bester Kassenmagnet
während der Trennungszeit zu versagen drohte. Ein unange¬
nehmer Besuch meldet sich, ein etwas beschränkter junger Herr
Gley, um von Herbot Rechenschaft zu fordern für eine Liebschaft
mit Gleys Braut. Frau Sophie wird nun hinter dem Vorhang
Zeuge, wie ihr Schwerenöter von Mann durch virtuose Lügen¬
künste den Gley einzuwickeln und abzuwimmeln versteht. Das
ist ihr doch zu arg, es droht eine neue Trennung, aber da kommt
ihr Mann, schon im Kostüm des Hamlet, und wirbt um sie mit
soviel Wortschwall, Mätzchen und Kapriolen, daß sie, zur größten
Freude des Direktors, dem schon um einen Skandal bangte, nicht
widerstehen kann. Diese „Große Szene“ erwies sich als der
„Schlager“ des Abends, und in der Tat ist dieses Stück auch das
beste von den dreien. Es brachte dem Dichter einen Hervor¬
ruf um den andern ein.
Schließlich kam als matter Schluß das „Bacchusfest“
Auf dem Bahnhof eines österreichischen Gebirgsstädtchens hat sich
die junge Frau des Schriftstellers Staufner mit ihrem Galan,
einem recht trottelhaften Sportsmann, Dr. Wernig, eingefunden,
um dem von einer Reise heimkehrenden Schriftsteller mutig alles
zu gestehen und ihn um Scheidung zu bitten. Der aber merkt
den Braten, noch ehe das Pärchen zum Wort kommt. Er redet
und redet, erzählt von seinem neuen Werk „Bacchusfest“ und tischt
dabei mythologische Anzüglichkeiten von den altgriechischen
Bacchanalien auf. Sein Hinweis darauf, daß damals eine Nacht
frei war, eine Wiederholung aber mit dem Tode gebüßt werden
mußte, und anderes frivoles Zeug schlagen den erbärmlichen
Sportsjüngling in die Flucht. An diesem „Bacchusfest“ ist nichts
dran, zumal auch die sonst so tüchtige Spielleitung bei der An¬
ordnung des Bahnhofstrubels versagte.
Bei der Darstellung ragte Bassermann in allen drei
Stücken hervor. Als Dr. Eckold hatte er sich eine fürchterliche
Maske zugelegt. Dem Kerl sprach Neid und Bosheit schon aus den
Augen, noch ehe er den Mund auftat, und als er den Mund auf¬
tat, hätte, sich Schnitzler kaum einen besseren Interpreten seiner
Absichten wünschen können. Ausgezeichnet spielte Bassermann im
zweiten Stück den Schauspieler Herbot. Da war jeder Zug echt,
die tollsten Lügen flossen glatt wie Oel von den Lippen dieses
Schwerenöters, und was leistete Bassermann außerdem noch an
quecksilbriger, quirliger Beweglichkeit! Den wortreichen Schrift¬
steller im letzten Stück konnte uns auch ein Bassermann nicht
schmackhaft machen. Als Frau Klara Eckold war Lina Lossen
gut am Platz. Max Landa behandelte seinen Professor Ormin
etwas zu oberflächlich. Else Bassermann als Frau Sophie
sand sich leidlich mit ihrer Rolle ab. Gut war Karl Forest als
Theaterdirektor.
Mit dem Gesamterfolg kann der Theaterleiter wie der Schrift¬
steller zufrieden sein. Einen unvorhergesehenen Zwischenfall gab
es beim zweiten Stück. Ein unheimliches Summen und Sausen
übertönte plötzlich längere Zeit die Worte auf der Bühne, so daß
das Publikum in Unruhe geriet. Erst das Erscheinen eines
Feuerwehrmannes vor dem Vorhang wirkte beruhigend. Es hieß,
an der Heizungsanlage sei etwas in Unordnung geraten. h.