II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 212

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26.1. Konoedie der Vorte zuklus
lusschnitt aus GERMANIA PERLIN
om:
260611975
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lischen Bedrängnisse, um nicht zu sagen, ihre abstoßende Ge¬
meinheit bemüht!
Theater und Konzerte
Lina Lossen spielte die Frau, und ihre Innerlichkeit be¬
Lessingtheater. „Komödie der Worte“ hat=Schnitzler seine
rührte tief; aber wohlgemerkt, sie spielte ja auch eigentlich gar
=un,
letzten drei Einakter genannt. „Komödie der Worte
nicht wirklich die Rolle, wie sie Schnitzler geschrieben hat. Wo
daß seine früheren Arbeiten nicht diesen Titel hätten führen
sie darum warb, war alle Mühe vergebens. Bassermann, als
können, möchte man füglich bezweifeln. Denn es ist ja Schnitz¬
Mann und Rächer seiner vor zehn Jahren verletzten Ehre, mit
lers — und der meisten Jungwiener — Sonderart gewesen, das
Namen Dr. Eckblot, hatte eine glänzende Maske und eine ebenso
Wort, das geschliffene. „geistreiche“ Wort zu pflegen. Und diese
überzeugend kalte philosophische Haltung. Der beneidete dritte
Aufopferung für das Wort ging so weit, daß sie schließlich alle
Ormin lag bei Max Landa in den besten Händen. Aber da¬
in die gebrochenen und haben Töne hineingerieben, bei den
mit war der Wert des Stückes natürlich nicht aufzubessern.
schließlich die einlullende Musik alles, das Paukendröhnen der
Das Publikum zischte nicht, im Gegenteil fanden sich sogar
vollklingenden Töne der wirklichen Handlung nichts ist. Halb¬
Beifällige.
töne haben etwas Mystisches. Mystisch, halbtonhaft erschien
Das beste die ehrliche Heizung des Lessingtheaters; sie machte
diesem Poeten alles Zerbrechende, mit Mühe seine Existenz Be¬
zu Beginn des nächsten Einakters der „Großen Szene“
hauptende. Ueberall klirren bei ihnen die gesprungenen Gläser,
ihrem gepreßten kritischen Herzen so gründlich Luft, daß nicht
ächzen die morschen Stämme schauerlich und das Ende vom
nur das Wort auf der Bühne unverständlich wurde, sondern
Liede ist das Verlöchen oder der Kompromiß, der nicht leben
auch den Damen aus WW, die das Rauschen eines Wasser¬
und nicht sterben kann, der Vertagung aber nicht Lösung ist.
kessels nur aus den Büchern kennen, die Herzmuskel vor lauter
Worte, geschliffene „geistreiche" Worte hat Schnitzler auch
Angst in die leichtbeschuhten Füße fuhr. Einige beherzte
noch in diesen Weltkriegszeiten feil; er ist noch Aesthet, ist noch
„Ruhe" und „Sitzenbleiben“ rufende, sowie einige lachende
imstande mit unendlicher Liebe seiner Kleinkunst nachzutasten,
Zuschauer halfen über die aufgeregten Augenblicke hinweg,
der falschen Katze, Mensch genannt, den glatten Schweif zu
bis ein Feuerwehrmann erschien und „amtlich“ bestätigte, daß
schlichten und mit einer Schleise aufzuzieren. Und das Thema
Wasser bestimmte ungefährliche Geräusche ausstößt, wenn es
zin dieser Komödie der Worte — ist wahrhaftig auch das alte
aus einem Rohre auskocht.
geblieben gebrochene und zerbrochene Ehen.
Die folgende angeregte Stimmung der „Großen Szene“
Drei Einakter stellen drei solcher unglücklichen Ereignisse
E
ließ den „ausgestandenen Schrecken“ schnell vergessen.
nebeneinander. Zunächst in der „Stunde des Erkennens“ eine
zeigt merklich eine Komödie der Worte. Der Scherz besteht.
scheinbar glückliche Ehe, die vor, einem Jahrzehnt durch die
darin, daß ein Komödiant, notabene ein im Grunde nieder¬
Schuld der Frau den unheilbaren Riß erhielt. Der Mann hat
trächtiger Kerl, mit echter Komödiantenmanier nach altem
„alles“ gewußt, aber bis zu dem Tag geschwiegen, wo das ein¬
Schlag einem betrocenen Bräutigam vorschwindelt, es sei gar
zige Kind durch Heirat aus dem Hause kam. Nun ist für ihn
nichts gewesen. Und er tut das so raffiniert, daß man beinahe
der Tag der Abrechnung — siehe Strindberg — da. Während
selbst die Wahrheit seiner gespielten „Großen Szene“ glaubt.
die Frau sich aus ihren Liebesträumen wieder auf den Boden
Witz, Geist, Satire sind in dem Stückchen so lebendig, daß
der Wirklichkeit zurückgefunden hat und ihrem Mann seit zehn
man für Augenblicke vergessen kann, wie ekelhaft die ganze
Jahren und nur ihm lebt, hat er die ganze Zeit nur Rache
Sache eigentlich ist. Glücklicherweise scheint die Frau des
gebrütet. Am Tag der Abrechnung gießt er seinen ganzen
Schauspielers diesen häßlichen Eindruck selbst zu empfinden...
Zorn über die „Falsche“ aus und demütigt sie, so tief er eben
aber siehe da, sie läßt sich schließlich selbst herumkriegen, weil
kann. Er denkt sie, unter Rücksichtnahme auf die gesellschaft¬
der Herr Gemahl den Hamlet nicht spielen kann, wenn sie
liche Stellung aus dem Hause zu schicken. Was aber tut sie?
nicht in der Loge sitzt...
Sie, für die Schnitzler mit der Sammelbüchse um Sympathie
Bassermann ließ als Mime all die Künste seiner Quickle¬
bettelt, versetzt ihm selber den Todesstoß, ehe sie ins Wasser
bendigkeit, sowie ganze Wirklichkeit und heitere Laune spielen;
geht. Sie behauptet, gegen die Wahrheit ihr Verführer sei
so wurde aus der fatalen Auseinandersetzung ein humoristischer
der gewesen, dessen Laufbahn ihr Mann immer mit Neid und
Erfolg. Aber wohlgemerkt: das Stück ist ein Witz, aber kein
Mißgunst verfolgt hat; der glückliche Konkurrent im Leben sei
guter, eine Schauspielerfarce aber kein ernstzunehmendes
Eine feine Ge¬
auch der „beglückte“ Nebenbuhler gewesen. ...
Bühnenstück von literarischer Bedeutung.
sellschaft, dieser Mann und diese Frau, wahrlich wert, daß sich
Noch viel weniger als diese beiden ist der letzte Einakter
jemand über ihre, übrigens höchst unwahr ersundenen, see¬
wert, das „Bacchusfest“, das unter dem mythologischen Titel
einen altgriechischen Brauch ins Leben unserer Zeit übertragen
denkt und damit Geschehenes „zudeckt“. Eine gebrochene Ehe
ist eben etwa ein Bacchusfest ... Bassermann spielte den
Schriftsteller, der mit diesem Sophismus seine Ehe wieder zu
„rangieren“ sucht. Scharf, energisch gesehen war die Persön¬
lichkeit. Aber die Sache ist nicht nur abstoßend, sondern auch
langweilig.
Ais Ganzes also vermittelte der Abend, trotz Schnitzlers
persönlicher Anwesenheit, die Bekanntschaft mit Dingen, die in
dieser Fassung, wie in dieser Auffassung, uns zuwider sind.
Wir möchten wirklich wünschen, daß sich die Herren Theater¬
Direktoren im Reich dazu verständen, um der Zeit willen, in
der wir leben, auf das Nachklappern dieser literarisch durchaus
unnwerten Dingelchen zu verßichten.
Dr. Thyssen.