II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 213

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26.1. Kondedie der Jorte Zuklus box 32/3
Ausschnitt aus: Deutsche Warte. Bor
vom: 404 775
lin
Die tragenden Rollen spielte Bassermann mit
merkwürdigen Masken und sorgsamstem, ja übertriebenem
Theater und Musik.
Unterstreichen jedes Wortes im ersten und dritten Stück.
Trotzdem ließ er hier im allgemeinen kalt. Aber in dem
Lessing=Theater.
zweiten Stück der „Großen Szene“ riß seine ungebundene,
Schnitler—omödie der Worte“
ausgelassene Munterkeit alles mit sich fort. Sein Herbot
Die uralt=ewige Pikätusfrage: Was ist Wahrheit?, in ist wirklich der große egoistische Junge, dem man trotz aller
drei Einaktern mit geistreich=resigniertem Plauderton an Lüge und Häßlichkeit im Grunde nicht böse sein kann. Die
drei Frauen waren bei Lina Lossen, Else Basser¬
drei Ehebruchen abgehandelt, das ist der Ertrag des ge¬
mann, Traute Dumke=Carlsen (namentlich bei der
strigen Abends, Es ist nicht viel. Gewiß, manche amüsante
ersten) in den besten Händen. Karl Forest bot mit seinem
Stelle, manches seingeschliffene Wort bleibt in der Er¬
Theaterdirektor in seinem selbstironisierenden Spiel eine
sinnerung. Aber im ganzen gibt's keine nachhaltige Wir¬
vorzügliche Episodenfigur.
kung: „Komödie der Worte“.
Der Beifall war groß, namentlich nach dem zweiten!
Der Arzt Dr. Eckold hat gewartet, bis seine Tochter ver¬
Stück, trotzdem es vorher fast eine kleine Panik gegeben
sorgt ist. Da erst, in zehn Jahre lang aufgespeicherter und
hatte. Ein Schaden im Heizrohr hatte das Publikum in
aufgesammelter Rachbegierde, weist er seine Frau aus dem
Unruhe gebracht. Das Spiel mußte unterbrochen werden
Hause wegen eines Ehebruches mit seinem auch beruflich
und die Feuerwehr vor dem gesunkenen Vorhang erst
glücklicheren Nebenbuhler. Mit dem aber ist die Frau nicht
trösten: „Es ist nichts!“ Die Zuhörer und Spieler fanden
schuldig geworden. Ein anderer war's. Doch sie läßt ihn
sich jedoch bald wieder in den Zusammenhang zurück. —
dabei und geht fort in dieser „Stunde des Erkennens“,
Eine Anmerkung: Ist es nicht merkwürdig, vielleicht
da sich ihres Gatten Wesen und zehnjährige Lüge ihr offen¬
auch ein wenig beschämend, daß einer der nahmhaftesten
bart.
Vertreter des deutschen Schrifttums im Jahre des großen
Der berühmte Schauspieler Herbot hat Edgar Gleys
Krieges Zeit und Muße findet, geistreichen Ehebruchs¬
Braut verführt. Als der kommt, ihn zur Rechenschaft zu
analysen nachzugehen? Oder darf man hoffen und sagen, es
ziehen, spielt der große Mime ihm eine „große Szene“ vor
ist das letzte Anklingen der Dekadenz, mit dem die gewal¬
und berauscht sich selbst so sehr an seinem Spiel, daß Wahr¬
tige Gegenwart auch auf dem Gebiete der Kunst aufräumen
heit und Lüge ihm verschwimmt. Seine Frau, die ihn um
Dr. Kastner.
wird?
dieses Seitensprunges willen auf kurze Zeit seinerzeit ver¬
lassen und ihn jetzt belauscht hat,ist angewidert von der inneren
Unwahrhaftigkeit dieses großen Kindes und Egoisten, aber
als er umstrahlt von Ruhm im Hamletkostüm vor ihr steht,
fehlt ihr doch die Kraft. und sie bleibt allzugern.
Das „Bacchusfest“ gab einst für eine Nacht völlige Frei¬
heit und das, was in ihr geschehen war, blieb vergessen.
So holt auch der Schriftsteller Staufner in dem Wartesaal
einer österreichischen Gebirgsstadt sein Frauchen von einer
Extratour mit einem etwas törichten Chemiker sich wieder
zurück, ohne dessen, was dazwischen liegt, gedenken zu
wollen.
Drei magere, zum Teil auch etwas unwahrscheinliche
Fabeln. Aber nicht das Aeußere und Stoffliche ist es, was
Schnitzler interessiert, sondern mit kühler Gelassenheit will
er nur die Seelen seiner Figuren analysieren, das Spiel
von Wahrheit und Lüge, die Verquickung von Schein und
Sein aufzeigen. Darum sind die drei Einakter, in denen
das gleiche Thema erst ernst und schwer, dann heiter und
launig, schließlich grotesk-ironisch abgehandelt wird, drei
echte Schnitzler; sie lassen letzten Endes unbefriedigt und
gleichgültig.