II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 215

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26.1. Konoedie der Zyklus
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mit dem, den sie liebte, sondern mit einem anderen, einem Zu= ist nichts als ein einziges tönendes Wort. Unb als sie das be¬
greift, erfaßt sie der Ekel, denn es ist immer von Unheil, wenn
fälligen, den sie längst schon aus dem Herzen getilgt hat, so wie
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Frauen ihre Männer erkennen. Sie will gehen, jedoch sie bleibt.
auch ihre Schuld, über die zehnjährige eheliche Freundschaft ge¬
Stürmt er doch im Hamletskostüm von der Bühne in ihr Hotel¬
wuchert ist. Aber dem Doktor Karl Eckold, der den Ingrimm
zimmer und trägt sie, ehe die Vorstellung beginnt, auf eigenen
eines wissenden Hahnrei zehn Jahre unterdrückte, beliebt es, mit
im Lessing-Theater.
Armen in das Theater, weil er nicht auftreten „kann“, ehe sie in
einem Male abzurechnen. Solange die Tochter im Hause war,
le.“ — Drei Einakter.
der Loge sitzt. Solchen Argumenten gegenüber vermag sie natür¬
sollte der Skandal vermieden werden, jetzt, wo sie geheiratet hat,
lich nicht standzuhalten.
dunkt ihm längeres Zusammenleben unmoralisch. Und der Gatte
Schnitzler schrieb die Geschichte
Dem Schriftsteller Felix Staufner soll die Frau genommen
enthüllt sich. Er macht reinen Tisch, spricht frei von der Leber,
rigen jungen Mannes, des Lebens¬
werden. Von einem jungen Schnösel, den er geistig mit Leichtig¬
was er all die Jahre bei sich getragen hat, demütigt die Frau,
n. Inzwischen sind die Jahre sei¬
keit in die Tasche steckt. Und er steckt ihn auch. Die beiden Lie¬
bekennt sich brutal zu seinem Ich: Nicht, daß du mich hinter¬
n des Dichters, gestiegen, aber die
benden erwarten den Ehemann auf dem Bahnhof einer kleinen
gangen, vermag ich nicht zu rerzeihen, sondern, daß du mich ge¬
e Anatols geblieben, Leute, die des
Tiroler Gebirgsstation, sie wollen bekennen und sich mit ihm
rade mit ihm betrogen hast, mit dem Professor Ormin, meinem
sserglas zu bannen verstehen, mit
einigen. Er kommt und weiß schon alles, er läßt seine Ueber¬
Nebenbuhler, der es „weiter im Leben brachte“, den ich beneidete.
erzensabgründe bauen und niemals
legenheit spielen und gewinnt die Schlacht. Vor seinem soeben
Dort ist die Türe! Es gibt Gattenrechte, die sich nicht verjähren.
ng verlieren. Arthur Schnitzler hat
rollendeten Drama „Das Bacchusfest“ kann der Liebhaber nicht
— Sie aber lehnt sich auf gegen diesen Ueberfall, revoltiert gegen
Denn jegliche Leidenschaft biegt für
bestehen, er wird abgefertigt und entlassen. Den Sprung im Ehe¬
seine lange Schweigsamkeit, revoltiert, daß er sie insgeheim in der
kt erreicht, in den Weg der Ironie,
glück verkleistert ein milder Kitt.
Hand gehalten und mit ihr sein Spiel getrieben hat. Man sagt
lasiertheit ein, er kennt nur wohl¬
Kein Zweifel, daß Arthur Schnitzler ein geistreicher Drama¬
einander ungetünchte Wahrheiten, wühlt den Schlamm einer alten
enschen mit einwandfreien Bügel¬
tiker ist; man hat dies schon zu Anatols Zeiten anerkennen müssen.
Ehe auf. Er triumphiert, scheinbar als der Stärkere. Doch nicht
nieren verbieten, ungestüm zu wer¬
Seine Dialoge sind witzig oder spöttisch, sie packen oder sie rühren,
bis zum Schluß, denn sein Verdacht war falsch, vom wirklichen
sind, als daß sie mit überlauter
je nachdem. Man kann von ihnen haben, was man nur immer
Dieb seiner Gattenehre ahnt er nichts, und die Hörner bleiben ihm,
haderten. Ihr Blut kennt keine
verlangen mag. Es sind Wendungen da, die funkeln, und Weis¬
zugleich mit dem Fluch der Lächerlichkeit vor der eigenen Frau.
te, es gerät schlimmstenfalls in
heiten, die es verdienen, nach Hause getragen zu werden. Ein
Im Widerwillen vor seinem entlarbten Gesicht, geht sie. Nicht weil
Punkt, über den sonst kein Mann
Brillantfeuerwerk von Worten, Raketen in allen Farben, die mit
sie müßte, beinahe wäre sie geblieben, fast hätte er verziehen. Die
natols sind darüber mit mehr oder
leichtem, diskretem Knall explodieren (ohne zu rauchen) und
Kluft zwischen den Zweien ist gar keine Kluft, nur ein erträglich
hinweggehüpft. Denn wäre es nicht
Flammenräder, die sich drehen, ja ganze Leuchtembleme mit weithin
breiter Graben, über den man unschwer hinüber könnte. Jedoch
cherlich, vor dieser Grenze haltzu¬
sichtbaren Inschriften, die man sich merkt. Aber auch Gedanken
der Dichter will es anders: Er nimmt einen Anlauf dazu, stark
aus dem Gleichgewicht, und es er¬
sind da, wirklich viele Gedanken! Und warum sollten diese Ge¬
zu sein. Er wird nur gewalttätig.
ht sogar schmutzige Verwicklungen,
danken nicht inhaltsvoll sein, wo sie doch bereits der dreißigjährige,
Die „Große Szene“, die Schauspieler Konrad Herbot seiner
und Leib in Unordnung. Gute
damals beklemmend frühreife Schnitzler gedacht und ausge¬
Frau vorspielt, ist auch eine Stunde des Erkennens. Sie erkennt
Man verliert nicht den Atem, wenn
sprochen, also ein Menschenleben auf sie verwendet hat?
die Theaterseele dieses Kulissenreißers, erkennt, daß er ein
und man stürzt sich eben nicht vom
Die Darstellung: Es ist ein Basserman=Abend. Er
Komödiant ist auch vor ihr. Unbeschwert von Gewissensskrupeln,
So kann es geschehen, daß ein
gibt den Arzt, den Schauspieler, den Schriftsteller. Den ersten
hat er sie betrogen, mit gleicher Leichtigkeit macht er ihr seine
hrhundert lang in den Tiefen der
mit allen Infamien eines tückischen Selbstlings. Schon sein roter#
Schuldgeständnisse, und ohne größere Beschwernis düpiert er den
doch nur abgerundete, zerbrechliche
Assyrerbart reizt. Den Zweiten als eleganten Schwadroneur,
Verlobten jenes jungen Mädchens, das ihm den Sommerurlaub
fördert hat, Abkläricht und immer
Hohlkopf und, in sich verliebten, Verführer. Den Dritten als den##
versüßte. Künstlertum und Ehe, Liebe und Ehre, Wahrheit und
uch auf Lackschuhen kommt man in
gereiften Lebenskünstler mit gebändigten Leidenschaften. Im
Lüge — dies alles sieht er nur im Rampenlicht, jedes seiner
übrigen spielt er, wie alle Großen, trotz seiner Wandlungsfähigkeit,
Worte trägt Schminke, und in dem großen Helden steckt nur ein
nnabend sind Variationen über das¬
sich selbst, und dies ist am besten so. Neben ihm stand, sehr echt #
Erkennens. Frau Klara Eckold hat ganz gewöhnliches kleines Luder. Das Leben besteht für ihn
al, vor Jahren, hintergangen. Nicht aus Szenen musfuten Auftritten und vorteilhaften Abgängen. Er und sehr lebendig, Theodor Loos in der Episodenrolle eines be¬