II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 226

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Wor

M
26.1. KodieerZykIug
kommen. Erzählt ihnen, als ob er völlig ahnungs¬
II.
Pihr vielleicht zum letztenmale die Hand drückt,
los wäre, den Inhalt seines neuen Dramas „Das
berichtet sie (ohne rechte innere Nötigung) ihre Er¬
„Große Szene". Ein gefeierter Komödiant, dem
Bacchusfest“ und weiß ihnen ihre flüchtige Neigung
lebnisse. Auch für ihren Mann ist jetzt, nachdem sich die Weiber schockweise zufliegen, hat sich nach einem
durch klug gewählte Symbole aus der griechischen
die einzige Tochter eben verheiratet hat, der Mo¬
jüngsten Fehltritt wieder mit seiner Frau versöhnt.
Mythologie auszureden. Der genasführte Liebhaber
tler.
Ument des Sprechens gekommen. Zehn Jahre, so¬
Sein letztes Abenteuer mit einer jungen Braut hatte
dampft mit dem nächsten Zuge nach Paris ab.
heater.) lange das Kind noch im Hause war, hat er geschwie¬
sie aus dem Hause getrieben. Seine gut gespielte
Es ist das schwächste Stückchen der Reihe. In Ge¬
gen. Und war all die Zeit ein Wissender. Aber er
Zerknirschung renkt die Sache wieder ein. Er ver¬
Er läßt zwei
danken zu literarisch, in der Ausführung herkömm¬
hatte sie mit dem Falschen in Verdacht. Daß sie ihn
spricht, fortan wahr zu sein. Da kommt der Bräuti¬
wenig von
licher, als wir es sonst bei Schnitzler gewohnt sind.
just mit dem vom Glück verwöhnten, heimlich von
gam jener Dame und fordert Aufklärung. In einer
hen, daß sie
Doch entschädigen einigermaßen etliche Apergus
ihm beneideten Kollegen hintergangen hat, das ist
bravourös geführten Szene, in der Wahrheit und
Worte und
über künstlerisches Schaffen.
der Punkt, über den er nicht hinwegkommt. Es hat
Lüge zu einem unlösbaren Knäuel verschlungen
eint er mit
fast den Anschein, daß ihm die Sache weniger nahe
werden, berauscht sich der Mime an seinen eigenen
Weisen zu
ginge als die bevorzugte Person. Für diese teuf¬
Worten und redet dem Genarrten sein Argwohn
von einem
Nach allem Plunder und Zunder, der einem im
lische Art der Rache, die sich auf den Tag der Abrech¬
aus. Die Frau, die gegen die Verabredung im
plauscht ihn
Laufe der letzten Zeit vorgesetzt wurde, ist es eine
nung zehn Jahre vorbereitet hat (wer's glaubt!),
Nebenzimmer alles mit angehört, fühlt sich von so
uf ihn selbst,
Erquickung, sich an Schnitzlers erlesenem Geiste zu
übt die Frau Vergeltung, indem sie ihn in dem
raffinierter Flunkerei angewidert und droht, dies¬
ur, du haft
laben. Mag es sich hier auch nicht um ein Werk von
Wahne läßt, der von ihm Gehaßte sei ihr Geliebter
mal ein wirkliches Ende zu machen. Als aber der
einmal nach
ewiger Prägung, mehr um Atelierkunststücke als um
gewesen. Und verläßt zur selbigen Stunde das Haus.
Abgott des Publikums vor ihr im Kostüm erscheint,
Gottes voll,
ein Stück Kunst handeln, so gibt es doch keinen in
Es ist nicht ganz leicht, an die Voraussetzungen
ist es wieder um sie geschehen, und sie bringt erneut
ch jetzt mit
deutschen Landen (kaum einen in andern), der einen
zu glauben, sich vorzustellen, daß ein betrogener
das Opfer, bei dem „großen Kinde“ auszuharren.
frägt. Brich
Dialog von so feinem Schliff, von so beschwingter
Mann den Termin der großen Auseinandersetzung
Eine Paraderolle. Der eitle Komödiant, dem die
gsthema die
Grazie zu schreiben versteht. Lassen wir in dieser
ein Dezennium hinauszuschieben vermag, daß eine
Aufschneiderei zur zweiten Natur geworden, ist im
sie nicht so
„Komödie der Worte“ die Worte getrost als Haupt¬
Frau, in der alle Gefühle erloschen sind, so ohne
Rahmen einer Skizze unübertrefflich gezeichnet.
gekocht haft.
sache gelten!
Not ihr Geheimnis preisgibt. Es ist schwerer zu
Mich stört nur, daß der virtuose Scherz einen
und Selbst¬
Den Gestalten half Albert Bassermanns außer¬
glauben, daß das Leben, mag es immerhin tausend¬
Augenblick von einem tragischen Schatten überzo¬
ordentliche Bildnerkraft und Wandlungsfähigkeit
mal phantastischer sein als das phantastischste Dichter¬
gen wird. Wenn die Frau wirklich von dem Geba¬
nach. Was man auch gegen ihn in klassischen Rollen
hirn, so komplizierte Ehebrüche erfindet. Die künst¬
ren des Gecken angeekelt wird, dürfte sie sich für
nach zehn
vorbringen mag, auf modernem Gebiet ist er eine
lerische Wahrscheinlichkeit und die Wirklichkeit sind
mein Gefühl nicht, so rasch herumkriegen lassen.
g statt zwi¬
Klasse für sich. Er läuft eher Gefahr, zu viel als zu
eben weltenweit voneinander getrennt. Schnitzler
Höchst amüsant sind hier allerlei boshafte Anspie¬
t einen Kol¬
wenig zu geben. Diese durchaus virtuosen Leistun¬
hat aber sein Thema in früheren Werken so gründ¬
lungen auf das Theatertreiben und aktuelle Kulis¬
sagt, weil er
gen wurden freilich noch überboten von der schlich=
lich und von allen Seiten beleuchtet, daß er zu
sengrößen.
s mit Rück¬
ten Menschendarstellerin Lina Lossen, die durch'
einem besonders konstruierten, ausgetüftelten Fall
III.
sie hat einen
äußerste Einfachheit ein Stück Leben vortäuschté.
greifen muß. Er hat mit dreißig Jahren bereits so
geliebt und
„Das Bacchusfest". Ein junges dummes Schrift¬
Bassermann durfte neben dem anwesenden Dichker
viel über diesen Gegenstand gesagt, daß ihm mit
rlangte. In
stellerfrauchen erwartet mit ihrem Galan in der
die Ehren des Abends einheimsen.
fünfzig zu sagen fast nichts mehr übrig bleibt. Aller¬
ühmte Chi¬
Bahnhofshalle ihren berühmten Mann. Sie sind ent¬
M. M.
24. Oktober.
dings enthält gerade diese Variation in der ge¬
hauplatz eilt,
schlossen, ihm zu sagen, daß sie sich für einander be¬
(Auf der Redaktion am 3. November eingelaufen).
suchtesten Tonart die besten und tiefsten Worte über
1 stimmt glauben. Er läßt sie aber nicht zu Worte
menschliche Beziehungen.
Berlin.
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