II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 243

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vor der ersten Probe eines neuen Stückes — alles mit küh= Dr. Eckold, der seine Ehe so sehr mit dem #
Stuckgarter Hoftheater.
lem Kopfe überdacht und danach gleichsam seine geometrische behaglichen Zufriedenheit überkleidet, daß sei
Konstruktion vorgenommen, mit Klugheit und Vorsicht Rede, nichts von seinem wahren Wesen ahnt;
Albert Bassermann.
Ton und Haltung geordnet und mühsam vergleichmütigt. Staufner, der dem Nebenbuhler einen schei
So sieht er dem großen Augenblick der Abrechnung mit zeitfernen griechischen Festbrauch schildert, sie
hundeschnäuziger Kälte entgegen. Doch man spürt das
Schnitzlers „Komödie der Worte“.
was Herbot berufsmäßig tut: sie spielen alle
schwer Erkämpfte, es blieb die innere Leere zurück, der
Und ist nicht auch Mephisto ein großer Kon
Deuf Gastspiele der Eysoldt ist ein solches Bassermanns
Groll, der Neid, der Haß, das Herzeleid. Mit naturwissen¬
nicht auch im Othello ein Körnchen Komödie
gefolgte Die Reihenfolge war die rechte. „Immerfort sind
schaftlichem Interesse schaut er, innigst erfüllt von Schaden¬
beide sehen und über beide noch zu reden hab
vorandie Frauen.“.
freude, auf sein Opfer, über das er triumphiert — indes
jetzt ließe sich sagen, daß Bassermann imm
Von Strindberg, durch der Eysoldt Munde, hörten wir
nur rein äußerlich. Er ist der fast völlig Gebrochene am
wieder den Schauspieler spielt. Den Schauf
es vor ein paar Tagen: in uns sind viele Leben, ein Mensch
Schlusse, der Lebensüberdrüssige in dieser beendeten Ehe.
wahre Mensch ist, nach dem Heinewort: „Bis
besteht aus vielen Menschen, deren Wesen einander ent¬
Bassermann ist hier von verhältnismäßig erstaunlicher Mäßi¬
Augenblick spielen wir Komödie mit uns selb
gegengesetzt ist. So kommt es, daß wir alle ein wenig schau¬
gung in Ausdruckszeichen.
fall, den der große Mime erntete, war name
spielern, vor uns selber wie vor den andern, mehr oder
„Großen Szene“ stürmisch. Und auch am S
Als Schauspieler im Schauspiel zeigt er sich des trocke¬
weniger bewußt, daß wir alle etwas von der Wandelbarkeit
immer und wieder hervorgeklatscht.
nen Tones gründlichst satt. Da ist er ganz Er, mit allen
des homerischen Proteus besitzen, daß wir, wie Schnitzler
seinen vielen Leben, mit allen seinen vielen Menschen, ein
sagt, mit unsern Worten Komödie spielen. Unsere Rede ist
sieghafter Blender, ein ausgelassener Kindskopf, ein be¬
zumeist äußerlich, farblos. Jenseits der Worte, hinter
zwingender Bezauberer der Menschen, der mit sich, mit
denen wir uns verbergen, liegt unsere wahre Persönlichkeit;
allem, was an ihm und in ihm ist, spielt ganz unbewußt, weil"
wenn wir sie überhaupt besitzen.
es so sein Wesen will. Zuweilen brüllt er auf wie ein Tier¬
Jedem schauspielerischen Talent eignet in besonderem
bändiger, dann ist er der vollendete Hanswurst. Grotesk¬
Maße Proteus=Menschlichkeit. Als der Prototyp der Pro¬
und naiv brutal, ist sein Herbot ein unumschränkter Beherr¬
teus=Menschlichkeit dürfen wir heute Albert Bassermann an¬
scher aller menschlichen Unmöglichkeiten oder unmenschlichen
sehen, dieses Extrem der Extreme, diesen Gipfel der Gegen¬
Möglichkeiten, der in jedem Moment zu einer neuen Sonder¬
sätzlichkeit, der imstande ist, in jedem Moment sich einen
szene der Lebenskomödie wohl bereitet ist, der sich gehoben!
andern Kopf aufzusetzen.
und ganz glücklich fühlt, wenn er den erwünschten Eindruck
Welche Verschiedenheit der drei Gestalten, in denen er
seines Lebensspieles unmittelbar beobachien kann. Eigentlich
sich uns am Samstag zeigte! Zuerst der eheenttäuschte
ein völlig hohler Faiseur, ist er ein Spielball jedes Augen¬
lebensverbitierte Arzt, dann der schwankhafte Erzkomödiant,
blicks, dem er instinktiv ein anderes Antlitz zeigt. Hier
und schließlich der selbst der heikelsten Lebenslage gewachsene
macht es Basserm###, besonderen Spaß, bald Lamm, bald
weltmännische Großstadt=Poet. Allemal ist er ein völlig
Löwe zu scheinen, herumzuhopsen wie ein Schulbub, in
anderer, in Gang und Geste, Haltung und Kleidung.
vielen kleinen jokosen Einzelscherzchen so recht im wildesten
Zuerst alt, zu alt für diesen nach Ormins Worte noch
Komödiantischen zu schwelgen, Purzelbäume zu schlagen,
studentisch ausschauenden, wunderlich buntbärtig, breitschäde¬
aus dem Gesamtbiloe sich herauszustellen mit den lustigsten,
ng, glatzköpfig, schleppenden Ganges, müd und mürb, in lan¬
possierlichsten Mätzchen,
seinen raffiniert ersonnenen
gem korrektem Bratenrock, eine Hornbrille auf der Nase.
Nüancenschatz auszubreiten wie eine Kleinodiensammlung.
Dann jung, unbegreiflich, lächerlich jung, jung wie ein von
Diese kecken Halsbrecherkunststückchen aus der Zeit des seli¬
der Leine gelassener spring= und tanz= und tollfreudiger
gen Arlecchino sind die echtesten Beurkundungen seines
Bock, gleichsam wie mit Siebenmeilenstiefeln ausgerüstet,
immer produktiven Proteusgeistes, der im
Husarensattel
in jedem Augenblick in einer andern Ecke, wuschelköpfig,
einer Hussawelt voll immer neuer schöpferischer Aufgaben
schmalschädelig, schlank und rank und siegesbewußt. Und
sich am wohlsten fühlt.
schließlich ein distinguierter älterer Herr mit Einglas und
Als Staufner endlich unterließ er allzustarke Unter¬
grauem Knebelbart, sehr aufgeregt und sehr nervös, von
streichung mit dem Zaunpfahl. Hier war er vielleicht der
einer taum mehr erträglichen Selbstbeherrschheit, und einer
Natur am nächsten, seine Ueberzeugungskraft am zwingend¬
böse schmerzhaften Handgreiflichkeit.
sten, seine Charakterisierungslust am taktvollsten, wenn auch
So scheinen diese drei Gestalten nahezu nichts mit
nicht ganz frei von bluffenden Späßchen. Aber doch wenig¬
einander gemein zu haben. Der Arzt Bassermanns ist der
stens annähernd gebändigt.
Berechnende, innerlich zu Eis gewordene zielklare Zyniker.
Das Schlußergebnis?
Man schaut den Stachel, der sein Leben verletzte. Dieser
So sehr diese drei Rollen auch verschieden scheinen, so
Dr. Eckold hat sich — ganz wie der schöpferische Bassermann sind sie im Grunde doch alle ein wenig wesensähnlich. Der