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26. 1. Kongedie der NorteZuklus
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übelster Sorte daraus gemacht werden dürfen. —
Was die Historie dieses Theaters betrifft, so ist die
Feststellung seiner Bemühungen als Aktienvolkstheater, als
das es unter der literarischen Leitung des Volksdichters
Hermann v. Schmid gegründet wurde, gewiß von In¬
teresse. Auch daß solch ein Volkstheater damals durch König
Ludwig 2. für die Zivilliste aufgekauft werden mußte, um
überhaupt weiter zu existieren. Berühmte Namen, wie der
der Klara Ziegler standen auf seinen ersten Zetteln.
Das alles ist historisch. Den künstlerischen Leistungen gegen¬
über bleibe ich skeptisch, da nur kritische Betrachter aus jener
Zeit dafür gültige Zeugen sind und nach meiner Erfahrung
sehr viel historischer Ruhm bei näherem Zuschauen als lie¬
benswürdiger Nachglanz der Zeit sich erweist, die, weil ver¬
gangen, immer die gute gewesen sein soll.
Das kgl. Residenztheater brachte nun auch Schnitz¬
ler Komödie der Worte“. Ueber die Allfführung
und Aufnahme ist zu bemerken, daß die beiden ersten Ein¬
akter mit starkem Beifall empfangen wurden, Das „Bacchus¬
fest“ aber, dank einer unglaublich sinnwidrigen Verzerrung
Ausschnitt aus:
ins Possenhafte durch Regie und Spiel, sehr abfiel. Stein¬
eue Badische Landes Zeitung
rück spielte die drei Hauptrollen und hatte dazu die un¬
schwen
vom:
mögliche Aufgabe der Regieführung. In der tiefsinnig ge¬
Mannheim
künstelten „Stunde des Erkennens“ war er am besten und
eindringlichsten. Aber auch seine andere Leistung als Schau¬
spieler war gut, wie das Spiel überhaupt. Im letzten Ein¬
Münchener Theater.
akter griffen Herr Alten und Frl. Ritscher deren ge¬
(Von unserem Korrespondenten).
niale, aber ungeberdige Begabung ich aufs tiefste schätze, der¬
OA
artig fehl. daß es einfach blamabel und ärgerlich wurde.
München, 11. November 1915.
Albert Steinrück selbst feierte am 10. Novem¬
In dem sünfzigjährigen Jubiläum, das das könig¬
ber sein fünfundzwanzigjähriges Bühnenjubiläum. Gerad¬
vele liche Theater am Gärtner platz den vierten Novem¬
das Münchener Hoftheater, dessen erster und bedeutendster
an, ber feiern konnte, kann ich nicht eigentlich etwas Bedeutsames
Schauspieler er ist, hatte guten Grund, diesen Tag festlich
iben erblicken. Was in all den letzten Jahren das Theater ge¬
zu begehen. Denn mit Steinrück, der nicht nur Schauspieler,
rag leistet hat, kommt für die Kunst überhaupt nicht in Betracht.
sondern Triebkraft ist, ist eine neue Aera moderner Literatur
9p. Nicht einmal in besonderem Maße für die Operette,
und der neueren, aus Berliner Schulung kommenden¬
klar die es pflegt. Denn gegen die Wiener Opereite eine Münche¬
Schauspielkunst in das naturgemäß konservative Haus ein¬
ner zu pflegen und in die weite Welt zu setzen — davon ist
gezogen. Es ist ein ehrenvolles Zeichen, manchen Hofbühnen
immer nur als Ziel geredet worden. Gesehen habe ich nichts
vorbildlich, daß die Münchener königliche Bühne, statt allein
von dieser Erfüllung. Das Niveau als Operettenbühne ist
die Oper zu pflegen, seit Jahren mit den ernsthaften litera¬
nicht schlecht. Und wie es solchen Bühnen schon zu gehen
rarischen Privatbühnen erfolgreich konkurriert. Und das ist
flegt, wenn sie all: süßen Plattheiten mit dem richtigen
mit ein Hauptverdienst Steinrücks. Es bleibt zu wünschen,
Schmelz bringen, ist es der allgemeinen Beliebtheit weiter
daß die Widerstände, mit denen diese Bestrebungen in letzter
kreise ausgesetzt. Aber ich sehe keinen Grund, das zu feiern.
Zeit, und nicht zuletzt von politischer Seite, an der Hofbühne
keiert man es schen dann müßte man von dem Niveau nicht
zu kämpfein haben, an der kraftvollen Haltung des General¬
durch Zeugnis ablegen, daß man bei der Festvorstellung
intendanten von Franckenstein zerschellen. Herr von
Erstaufführung einer Opereite, wie dieser Kalman¬
Franckenstein dars, würde sein Interesse am Schauspiel nur
schen bringt: „Gold gab ich für Eisen“. Die Zensur
das gleiche Maß wie sein mehr fachmännisches Interesse an
ist schnell dabei, wenn es sich um ernsthafte Werke handelt.
der Oper erreichen, in seiner Leitung sich von allen Einsich¬
Wenn aber solch eine geschmacklose und pemliche Spekula¬
#rigen unterstützt fühlen. Hat doch sogar der Ministerpräsident
tion auf den lauten Patriotismus, den falsch verstandenen,
von Hertling, mit feinem Bedacht den alten und kulti¬
getrieben wird, wie in diesem Textbuch mit der billigen
vierten Gelehrten aufweisend, im Finanzausschuß der Abge¬
Musik, dann wird das womöglich noch gefördert. Mir
heinen Wunden und tragisches Geschehen zu nah, zu groß] ordnetenkammer den Generalintendanten sehr nachdrücklich
nd zu heilig, als daß Ballettsprünge und Liebesschmalzler“ gegen die ungerechtfertigten und kunstfeindlichen Angriffe von
26. 1. Kongedie der NorteZuklus
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übelster Sorte daraus gemacht werden dürfen. —
Was die Historie dieses Theaters betrifft, so ist die
Feststellung seiner Bemühungen als Aktienvolkstheater, als
das es unter der literarischen Leitung des Volksdichters
Hermann v. Schmid gegründet wurde, gewiß von In¬
teresse. Auch daß solch ein Volkstheater damals durch König
Ludwig 2. für die Zivilliste aufgekauft werden mußte, um
überhaupt weiter zu existieren. Berühmte Namen, wie der
der Klara Ziegler standen auf seinen ersten Zetteln.
Das alles ist historisch. Den künstlerischen Leistungen gegen¬
über bleibe ich skeptisch, da nur kritische Betrachter aus jener
Zeit dafür gültige Zeugen sind und nach meiner Erfahrung
sehr viel historischer Ruhm bei näherem Zuschauen als lie¬
benswürdiger Nachglanz der Zeit sich erweist, die, weil ver¬
gangen, immer die gute gewesen sein soll.
Das kgl. Residenztheater brachte nun auch Schnitz¬
ler Komödie der Worte“. Ueber die Allfführung
und Aufnahme ist zu bemerken, daß die beiden ersten Ein¬
akter mit starkem Beifall empfangen wurden, Das „Bacchus¬
fest“ aber, dank einer unglaublich sinnwidrigen Verzerrung
Ausschnitt aus:
ins Possenhafte durch Regie und Spiel, sehr abfiel. Stein¬
eue Badische Landes Zeitung
rück spielte die drei Hauptrollen und hatte dazu die un¬
schwen
vom:
mögliche Aufgabe der Regieführung. In der tiefsinnig ge¬
Mannheim
künstelten „Stunde des Erkennens“ war er am besten und
eindringlichsten. Aber auch seine andere Leistung als Schau¬
spieler war gut, wie das Spiel überhaupt. Im letzten Ein¬
Münchener Theater.
akter griffen Herr Alten und Frl. Ritscher deren ge¬
(Von unserem Korrespondenten).
niale, aber ungeberdige Begabung ich aufs tiefste schätze, der¬
OA
artig fehl. daß es einfach blamabel und ärgerlich wurde.
München, 11. November 1915.
Albert Steinrück selbst feierte am 10. Novem¬
In dem sünfzigjährigen Jubiläum, das das könig¬
ber sein fünfundzwanzigjähriges Bühnenjubiläum. Gerad¬
vele liche Theater am Gärtner platz den vierten Novem¬
das Münchener Hoftheater, dessen erster und bedeutendster
an, ber feiern konnte, kann ich nicht eigentlich etwas Bedeutsames
Schauspieler er ist, hatte guten Grund, diesen Tag festlich
iben erblicken. Was in all den letzten Jahren das Theater ge¬
zu begehen. Denn mit Steinrück, der nicht nur Schauspieler,
rag leistet hat, kommt für die Kunst überhaupt nicht in Betracht.
sondern Triebkraft ist, ist eine neue Aera moderner Literatur
9p. Nicht einmal in besonderem Maße für die Operette,
und der neueren, aus Berliner Schulung kommenden¬
klar die es pflegt. Denn gegen die Wiener Opereite eine Münche¬
Schauspielkunst in das naturgemäß konservative Haus ein¬
ner zu pflegen und in die weite Welt zu setzen — davon ist
gezogen. Es ist ein ehrenvolles Zeichen, manchen Hofbühnen
immer nur als Ziel geredet worden. Gesehen habe ich nichts
vorbildlich, daß die Münchener königliche Bühne, statt allein
von dieser Erfüllung. Das Niveau als Operettenbühne ist
die Oper zu pflegen, seit Jahren mit den ernsthaften litera¬
nicht schlecht. Und wie es solchen Bühnen schon zu gehen
rarischen Privatbühnen erfolgreich konkurriert. Und das ist
flegt, wenn sie all: süßen Plattheiten mit dem richtigen
mit ein Hauptverdienst Steinrücks. Es bleibt zu wünschen,
Schmelz bringen, ist es der allgemeinen Beliebtheit weiter
daß die Widerstände, mit denen diese Bestrebungen in letzter
kreise ausgesetzt. Aber ich sehe keinen Grund, das zu feiern.
Zeit, und nicht zuletzt von politischer Seite, an der Hofbühne
keiert man es schen dann müßte man von dem Niveau nicht
zu kämpfein haben, an der kraftvollen Haltung des General¬
durch Zeugnis ablegen, daß man bei der Festvorstellung
intendanten von Franckenstein zerschellen. Herr von
Erstaufführung einer Opereite, wie dieser Kalman¬
Franckenstein dars, würde sein Interesse am Schauspiel nur
schen bringt: „Gold gab ich für Eisen“. Die Zensur
das gleiche Maß wie sein mehr fachmännisches Interesse an
ist schnell dabei, wenn es sich um ernsthafte Werke handelt.
der Oper erreichen, in seiner Leitung sich von allen Einsich¬
Wenn aber solch eine geschmacklose und pemliche Spekula¬
#rigen unterstützt fühlen. Hat doch sogar der Ministerpräsident
tion auf den lauten Patriotismus, den falsch verstandenen,
von Hertling, mit feinem Bedacht den alten und kulti¬
getrieben wird, wie in diesem Textbuch mit der billigen
vierten Gelehrten aufweisend, im Finanzausschuß der Abge¬
Musik, dann wird das womöglich noch gefördert. Mir
heinen Wunden und tragisches Geschehen zu nah, zu groß] ordnetenkammer den Generalintendanten sehr nachdrücklich
nd zu heilig, als daß Ballettsprünge und Liebesschmalzler“ gegen die ungerechtfertigten und kunstfeindlichen Angriffe von