II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 267

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26. 1. Konoedie der Norte zyklus
aus einem Kreise liebenswürdig leichtsinniger und pump¬
freudiger, junger Lsiziere, die für den Ernst friderizianischer
Zeit ihre Schwerenötereien etwas weit treiben, zeigt in
Speyers Bearbeitung unzweifelhaft Merkmale eines
Talentes, das bei richtiger Führung eine gute Entwicklung
verspricht. Die Aufführung erwies sich nicht in allen Rollen
tadellos. Mit Auszeichnung verdienen die Herren Gerdes
und Weydner und Fräulein Nicoletti genannt zu
werden.
Dafür hat sich das Schauspielhaus mit der Erstauffüh¬
rung in Deutschland von Hans Saßmanns drei Akten
„Der Retter“ ein unbestreitbares Verdienst um den jungen
Dichter und sein Werk erworben. Die Aufführung war in
allen Teilen vorzüglich und veranschaulichte bestens den Sinn
dieser Tragikomödie, in der das Tragische freilich von einem
solchen Schwergewicht, daß dagegen das Komische und Lust¬
same kaum in die Wagschale fällt. Es ist ein bitterböser
Einzelfall vom Sieg des bewußt und gewollt Bösen über das
Gute, ein Schulbeispiel vom moralischen Recht, das Nietzsche
in seiner Machtethik dem Starken über den Schwachen ein¬
räumt. Der Dichter Hans Saßmann (wir wollen uns
seinen Namen merken) läßt den Wohltäter an dem geretteten
Selbstmörder durch komische Selbstverblendung unbarm¬
herzig zugrunde gehen. Es ist ein trauriges Stück, gewiß,
aber doch von tragischer Wucht und zugleich eine heilsame
Lehre für alle, die in ihrer Uebergüte und Ueberfriedlichkeit
nicht müde werden, ihrem grundsätzlichen Feinde immer
wieder goldene Brücken zu bauen. Darstellerisch klebt diesem
Drama leicht etwas Kinohaftes an, wenn im Zeitmaß und
Münchener Ar= und Erstaufführungen.
in betonter Hervorhebung (Tempo und Dynamik) nicht alles
Unter den Uraufführungen der letzten Tage haben die
so gut getroffen wird, wie bei dieser wohlgeratenen Erst¬
Münchener Kammerspiele mit den vier Akten von dem bisher
aufführung im Münchener Schauspielhause. Treffliche
dramatisch noch unbescholtenen Schweizer Robert
Leistungen boten die Herren Weydner, Heller und
Forster=Larrinaga „Der Floh im Panzerhaus“ den
Burghardt.
Vogel abgeschossen. Zum Erstaunen der Tier= und Theater¬
Im königlichen Residenztheater hat die Erstaufführung
freunde, die auch in dieser kriegerisch schwer belasteten Zeit
der drei Einakter „Komödie der Worte“ von Artur
sich noch ein gutes Maß von Unbefangenheit zu bewahren
Schnitzler besonders durch die Besetzung gefesselt, als
gewußt, haben Zensur und Kritik allzuviel Insektenpulver
veranschaulichter Inhalt eines durch wienerisches Tempera¬
ihrem Urteil beigemischt und dieser tiefsinnigen Schwank¬
ment dramatisch gestalteten Lebensausschnittes wenig auf¬
geschichte von dem Floh, der nur im Traum und in den Juck¬
regend gewirkt. Schnitzlers Kunst wird in München haupt¬
empfindungen einiger Sonderlinge auf der Bühne erscheint
sächlich als die des gelftootten, hümorigen, aber etwas weichen
und in dieser mehr mythischen als mystischen Gestalt allerlei
Plauderers gewürdigt. Alles, was sich in Gesprächsform
gesunden Unfug anrichtet, das Leben ungebührlich erschwert.
unterhaltsam im guten Stubenton ausdrücken läßt, ist bei
Zum Glück für den Schwankdichter und seine Kammerspieler
diesen Wortkomödien hell und einleuchtend, wo sie tiefere
haben die Leute im Theater dieser „Schicksals=Groteske“ vom
Konflikte andeuten oder gar ausschöpfen wollen, wirken sie
Floh, der in der Blechbüchse des Insektenprofessors längst das
unwahrscheinlich und unzulänglich. Herr Steinrück hatte,
Hupfen verlernte, das notwendige heitere Verständnis ent¬
sich als Spielleiter gleich in allen drei Einaktern die führende
gegengebracht und dem witzigen Stück eine sehr beifällige,
Rolle vorbehalten und damit der Schnitzlerschen Kunst eine
ja fast begeisterte Aufnahme bereitet. Vor Beginn und nach
starke Nachhilfe ins Kraftvolle, Große geleistet. Neben ihm
Schluß des Spieles erschienen die Darsteller einen Augenblick
bekam ein junger Gast von ungewöhnlichem Talent, Wal¬
als Marionetten, die an dicken Schnüren von der Decke herab¬
ter Janßen aus Frankfurt, Gelegenheit, die Reihe seiner
hängen, in geheimnisvolles, weißblaues Licht getaucht. Dazu
Vorzüge, die er seit Wochen im königlichen Hofschauspiel zum
spielte ein verstimmter Leierkasten in den Kulissen das
Entzücken aller Kunstfreunde zeigt, mit einigen neuen ein¬
alte Volkslied „Freut euch des Lebens, weil noch das Lämp¬
drucksamen Lichtern auszustatten in der Rolle des naiven
chen glüht“ — die biedere Weise, die die ganze Moral des
Liebhabers im mittleren und besten der drei Einakter („Die
Stückes ansprechend vertont. Heraus aus dem Panzerturm
große Szene"). Mit einer unvergleichlichen Feinheit hat
der Lebensschwächlinge und hinein in Kampf und Sieg der
Jaußen die dramatischen Linien des Schnitzlerstils nach¬
Lebenstüchtigen! Die Darstellung unter Erich Ziegels
gezeichnet. Damit die Kritik sich ein Urteil über den weiten
Leitung hat das Allzupossenhafte vermieden und eine gute
Umfang dieser seltenen schauspielerischen Begabung zu bilden
künstlerische Mittellinie zwischen Ernst und Ausgelassenheit
vermöge, hat die Hoftheaterleitung noch einen zweiten Ein¬
eingehalten. Die Darsteller durften sich mit dem Verfasser in
akterabend aus Goethes „Die Geschwister“ Lienhards „Der
zahlreiche Hervorrufe teilen.

Fremde“ und Stefan Zweigs „Der verwandelte Komödiant“
Weniger von Glück und Verdienst begünstigt erwies sich
(Erstaufführung) zusammengestellt. In jedem dieser drei
die Uraufführung der vier Akte von dem blutjungen Schrift¬
nach Ton und Temperament so verschiedenen kleinen Dramen
steller Wilhelm Speyer „Gnade“ im Schauspielhause
erschien Walter Janßen in der Hauptrolle und spendete mit
unter der Leitung des Herrn Stollberg. Der Verfasser hat
hinreißender jugendlicher Spiellust aus der Fülle seiner Be¬
als tapferer Feldgrauer der Darstellung seiner frischen, fröh¬
gabung. Hoffentlich wird er sich bald als würdiges Glied
lichen Jugendarbeit, die er „ein deutsches Spiel vom Vor¬
des Münchener Hofschauspiels den ersten Kräften deutscher
abend des Siebenjährigen Krieges nennt“, und in begeister¬
Menschendarstellungskunst anreihen. Neben Herrn Janßen
ten vaterländischen Hurrarufen ausklingen läßt, persönlich
zeigten sich zwei andere jugendliche Begabungen, Fräulein
beigewohnt. Sein eigener Eindruck wird ihm gesagt haben,
Bierkowski als Marianne im Goetheschen und Fräulein
was er in späteren Werken noch alles zu leisten hat, um den
Wimplinger als Kunigunde im Lienhardschen Einakter,
freundlichen Beifall zu rechtfertigen, den er für seinen
von ihrer besten Seite und erfreuten sich des Beifalls des
dramatischen Erstling geerntet. Die dramatisierte Anekdote vollbesetzten Hauses.
M. G. Conrad.