II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 270

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ein Teil der Arzte trennt sich von ihrem Chef. eine Fürstin
Münchner Theatenbrief.
legt das Protektorat nieder, in der Kammer wird der Minister
Dn Werke Arthur Schnitzters beherrschen diesen interpelliert und. obwohl persönlicher Freund Bernbardis.
Winter das Repertoirlfast aller großen Münehner Bühnen. brantragt er selbst die gerichtliche Untersuchung gegen
diesen wegen Religionsstörung.
Nach dem absoluten Erfolg seiner „Komödie der Worte:
Bernhardi, von einem getauften Correligionär bei der
im Königlichen Residenztheater und nach dem „Ein¬
Verhandllung vertreten und lan verteidigt. wird trotz der
samen Weg“ in den Kammerspielen bot uns das
entlastenden Aussage des Priesters zu zwei Monaten Ge¬
Münehner Schauspielhaus die Neuinszenierung von
füngnis Verurteilt. Und scedel ist die Seele diesee Priesters.
Schnitzlers Professor Bernhardi“. Der Autor nennt
daß er nach der Erteilsfällung selber zu Bernhardi kommt.
sein Stüek eine Komödie, aber im Grund genommen handelt
„Sie haben nach Ihrer menschlichen Überzeugung gehandelt,
es sich um ein sehr ernstes Werk. Die Lektüre des Pro¬
es drängt mich. Ihnen zu sagen, daß ich Sie verstehe, daß
gramms allein schon könnte oberflächliche Geister nach¬
Sie vielleicht recht hatten. Mein Gewissen veranlaßt mich
denklich stimmen. In fünf Akten 21 Männerrollen, nur
zu diesem Schritte; ein Abgrund liegt zwischen Ihnen und
eine einzige Frauengestalt, und das ist die, blasse Episoden¬
mir, lassen Sie mich Ihnen aber. über diesen Abgrund hinweg.
rolle einer kleinen Krankenschwester.
die Hand reichen!“ Die hohe. milde christliche Güte, die
Arthur Schnitzler führt uns in ein Privat-Sanatorium
hier in der Gestalt des Geistlichen zum Ausdruck kommt,
ein. welches unter dem Kuratorium einiger mächtiger Stadt¬
bildet einen schroffen Gegensatz zu der kalten, sich über¬
größen steht und der leidenden Menschheit im vollsten
hebenden Weise des Gelehrten. der. durchdrungen von
Sinne geweiht ist. d. h. der ärmeren Klasse der Bevölkerung.
seiner eigenen Machtvollkommenheit, nicht mit Gefühl und
Das Stück, welches in Wien spielt und uns mit allen mög¬
mit dem Glauben an den hohen Flug unserer Seele nach
lichen Spezialgestalten der Arztewelt bekannt macht, ist
dem Tode handelt.
äußerst gut und
Diese Szene
sicher aufgebaut;
zwischen den bei¬
Charaktere
die
den Männern ge¬
sind bis in die
hört zu den wirk¬
kleinsten Rollen
vellsten des Stük¬
mit Meisterhand
kes. welches, von
gezeichnet, die Ge¬
den Künstlern des
stalt Bernhardis
Schauspielhauses
ist ganzaus einem
hervorragend gut
Guß. Das Interesse
gespielt, zur voll¬
erlahmt nicht eine
sten Geltung ge¬
Minute und stei¬
langte.
gert sich von Akt
Vemphen-Burg.
zu Akt. Der An¬
tiscmitismus bil¬
Mode.
det die Würze des
Geriektes und läßt
* Uber initia¬
uns manchmal

tive der Mark¬
durch die launigen
gräfin Georg Pal¬
Einfälle des Autors
lavicini hat sich
den Ernst der
in Budapest ein
Situationen ver¬
aus überaus zahl¬
gessen. Die scharfe
reichen Vertrete¬

Beobachtungs-
rinnen der ungari¬
gabe des Dichters
schen Aristokratie
Arthur Schnitzler.
rivalisiert nur mit
und der Elite
Text nebenstehend.
der Melodie der
der bürgerlichen
tiefen Herzens¬
töne, welche er im vierten Akt anstimmt, und dieser Akt Klassen bestehender Ausschuß konstituiert, der sich zum Ziele
setzt, alle patriotisch fühlenden Ungarinnen aufzu¬
resumiert eigentlich das Problem des Stückes:
Kann ein Arzt dem Priester den Zutritt zum Bette einer fordern, sie mögen sich verpflichten, in ihrer Kleidung
stets darauf bedacht zu sein, daß alles möglichst einfach
Sterbenden versagen, kann er die Ahnungslose hinüber¬
und. was das Material anbelangt, heimisches Produkt sei.
schlummern lassen. ohne die Hilfe der Religion — eine
* Soehen ist das zweite Heft der neugegründeten Zeit¬
Christin, eine Sünderin, eine Sterbende, kann er sie den
schrift „Die Herrenwelt“, welche einen wichtigen Faktor
letzten Traum. den einzigen. den schönsten vielleicht ihres
für die Propagierung der bodenständigen Mode darstellt,
Lebens. träumen lassen. ohne daß die weihevolle Hand des
erschienen. Gediegene, künstlerisch entworfene Zeiehnungen
Priesters sie erweckt hätte, bis sie entschläft für immer?!
veranschaulichen die Thcorie des Wortes. Der moderne
Das ist die peinlich-qualvolle Frage, welehe der Autor uns
Mann erfährt nicht nur, wie sein Mantel und sein Anzug
zu lösen gibt.
ausschen sollen, es wird ihm auch sehr eindrucksvoll aus¬
Bernhardi ist ein Jude und ein Freimaurer und der
einandergesetzt, wie sein Hut und seine Unterkleidung.
jahrhundertalte Atavismus seiner Ra-se verschließt ihm
seine Krawatte und seine Reisereqoisiten beschaffen sein
unsere religiöse Erkenntnis. Bernhardi hat nur eine Re¬
müssen. Ein lustiges, von modernem Geist erfülltes Kapitel
ligion, die der erfüllten Pflicht; er glaubt als Mensch und
gilt dem „Modernen Ritter“, ein zweites den „Dicken“
als Arzt richtig zu handeln, wenn er ein armes. gekniektes
und den „Schlanken“ und der Korrektur ihrer Gestelt,
Menschenkind dahingehen läßt, in der Atmosphäre jenes
ein anderes den Männerköpfen von heute“, ein weiteres
Halbtraums, der das arme Mädehen glauben macht, sie sei
der Haltung und dem Ausschen des Herrn unterwegs, also auf
genesen. Und statt des Todesengels weilt ein Engei irdischer
Reisen. Der Vizedirektor des Muscums für Kunst und Industrie,
Liebe an ihrem Sehmerzenslager diese Vision bitte das
Regierungsrat Dr. M. Dreger, ist mit einem sehr interessanten
Erscheinen des Priesters ihr genommen.
Artikel über die historische Entwieklung des Rockes und
So weist also der Arzt den Priester ab. Dieses Faktum
des Oberrockes vertreten. Die „Herrenwelt“ erscheint im
gelangt rasch in die Offentlichkeit und ruft einen immensen
Verlag der „Wiener Mode“.
Skandal hervor. Das Kurterium der Anstalt demissioniert.
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