II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 273

Theater und Musik.
[„Komödie der Worte.“] Drei Einakter
von ALichter ist ein Arzi
und es ist unleugbar, daß ##übestimmend ist
bei den Entscheidungen, die der erstere bezüglich der
handelnden Personen in seinen Werken trifft.
Schnitzler behandelt in drei Einaktern, die unter
dem vorstehenden Gesamttitel vereinigt sind, das
Problem des Ehebruchs und zugleich die „Komödie
der Worte“, die hohle Phrase, die anstelle der Tat be¬
tören soll. Er veranschaulicht den Gedanken an drei
verschiedenen Beispielen, verschieden nicht bloß in
den einzelnen Handlungen, sondern auch durch das
Milien, in dem sich diese abspielen und er kommt
immer zu demselben Schluß: der Ehebruch verläuft
sanft im Verzeihen. Man kann dies nicht dramatisch
nennen und jedem anderen Autor gegenüber würde
sich das Empfinden gegen eine Zumutung auflehnen,
daß im Drama der eheliche Verrat so undramatisch
ein gutes Ausgehen finden soll. Schnitzler gegen¬
über gebietet die weitere überlegung dieser Opposi¬
tion Halt. Ein Mann wie dieser wandelt nicht ohne
tiefe Einsicht, daß derartiges Geschehen der Natur
des Menschen nicht zuwiderläuft, einen solchen Weg.
Der Arzt in ihm dringt tief in die Seele des Men¬
schen und der Dichter entwirft von der hohen Zinne
seiner Lebensanschauung seine Auffassung der Din¬
ge, die sich zu dem Herkömmlichen in einem scharfen
Gegensatz stellt. Von den drei Einaktern, deren In
halt wir bereits gestern wiedergegeben haben, ist.
„Große Szene“ in der der Schauspieler den Helda
spielt, der wirksamste, nicht bloß weil hier die „Kil
mödie der Worte“ gewissermaßen das Hausrecht
genießt, sondern weil auch das Milieu sich der An¬
sicht des Dichters am zweckdienlichsten anpaßt und
auch die Vorgänge trotz ihrem, allen grundsätzlichen
Annahmen widersprechenden Endverlaufe dem
Verständnis des Zuschauers entgegenkommen. Weit
unklarer stellt sich die Lösung in den beiden anderen
Stücken „Stunde des Erkennens" und „Das Bac¬
chusfest“ dar; hier gilt es, sich einigen Zwang anzu¬
fun, um mit dem Dichter zu gehen. Doch er weiß in
einer Weise zu überreden, wie kein zweiter. Unter
dem Eindrucke seiner blendenden Gespräche, seines
vielsagenden Humors und des geistvollen Aufklärungs¬
dienstes, womit er das Leben, wie es sich in seiner
Dichtung darstellt, erhellt, folgt man ihm freudig
und gern. Was die Aufführung betrifft, war Herrn
Gradnitzer die Darstellung der führenden Rol¬
len in allen drei Stücken zugewiesen. Er löste die
schwierige Aufgabe mit Geschick, indem er die ein¬
zelnen Gestalten gebührend auseinanderhielt und
in ihrer Charakterisierung dasjenige zur anschauli¬
chen Geltung brachte, worauf es zur Kennzeichnung
ihres Wesens inbezug auf die Handlung ankommt.
So war in der Wiedergabe der Rolle des Dr.
Eckold gleich von vornherein zu erkennen, daß in de
Brust dieses Mannes ein düsteres Geheimnis
schlummert, während er als Schauspieler Herbot
die naive Offenheit des liebenswürdigen Künstlers
zur Schau trug, der sich der bösen Dinge gar nicht
bewußt ist, die er mit seinem freien Liebesleben
anrichtet. Als Schriftsteller Staufner war es die
gut gespielte Unbefangenheit des Wissenden, die er
zur Schau trug, um sein Ziel, die Gattin wiederzu¬
gewinnen, zu erreichen. Als Partnerinnen standen
ihm die Damen Wilsen, Trebitsch und Michel gegen¬
über. Die bedeutendste Rolle ist Frl. Wilsen als
der Fran des Arztes Dr. Eckold zugedacht. Die Dar¬
stellerin bekundet in ihrem Spiel eine Reihe lobens¬
werter Vorzüge. Sie spricht klar und bündig, ohne
besondere Forcierung des Organs, zeigte sich ge¬
wandt im Dialog und behielt in den Stellen gefühl¬
voller und leidenschaftlicher Erregung ein schönes
künstlerisches Maß. Frl. Trebitsch, welche die
Gattin des Schauspielers gab, verstind es vorzüg¬
lich mit dem klugen Ernst, der aus ihren Worten
Eigentum und Verlag von Adolf W
n
Kraus spielte, größere Beachtung. Der Darsteller
beschränkte sich auf die Wiedergabe dessen, was ihm
der Dichter in den Mund legte und tat dies bei an¬
erkennenswertem Verständnis für den geistvollen
Inhalt der Worte, mit bestem Erfolge; dagegen
orwandte er auf die Charakterisierung des Bühnen¬
praktikers keine besondere Sorgfalt. Herr Olden¬
Brandl harte sich für die etwas komische Figur
des Liebhabers im „Bacchusfest“ eine richtige Auf¬
fassung zurecht gelegt. Den Prof. Ormin gab Herr
Preiß mit ruhigem sachlichen Ernst, doch
ziemlich uninteressant, während Herr Serbou¬
set als Gley zu wenig aus sich herausging,
um die Vertrauensseligkeit des beschwatzten
Bräutigams glaubhafter zu gestalten. Im ganzen
konnte man mit dem Fluß des Dialogs recht
zufrieden sein. Die Inszenierung war in den
beiden ersten Stücken lobenswert, was aber den
Salzburger Bahnhof betrifft, wo sich der dritte
Einakter abspielt, wahrhaft kläglich. Abgesehen da¬
von, daß es auf diesem Bahnyof zuging, wie in
einem Taubstummen=Institut. Das Publikum nahm
die „Große Szene“ mit lebhaftem Beifall auf, in
„Stunde des Erkennens“ folgte der guten Darstel¬
lung verdiente Anerkennung. Das letzte Stück machte
zu nicht geringen Teil aus vorerwähntem Grun¬
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de — wenig Eindruck.