II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 281

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26.1. Kongedie der orte Zykius
und Gebärden berauscht, und das Kind, dem man es zugleich ver¬
Ausschnitt aus:
zeiht, weil es nichts davon weiß. Gerade daß das Unbewußte
Leipriger Tagblatt,
der Komödiankennatur so sprechend fühlbar wurde, das war das
Beste an seiner Leistung. Kurz, ein Prachtkerl, dieser Herbot
Lerpeig
vom:
W
Stielers! Eugen Zadeck, der nach seiner Genesung zum ersten
——.—
Male wieder auftrat, gab den Theaterdirektor mit fein humo¬
ristischer Zeichnung und so, daß die Karikierung nur leise und
unaufdringlich wirksam wurde. Es ist besonders herzlich zu be¬
Komödie der Worte
grüßen, daß diese für unser Theater überaus werkvolle Kraft ihm
nicht länger entzogen bleibt! Marta Arens war die Frau
Drei Einakter von Arthur Schnißler
des Schauspielers, ein wenig resigniert, aber tapfer und glaubhaft
in den traumhaften Schwankungen zwischen prinzipiellem Wollen
(Erstaufführung im Alten Theater am 21. November 1915.)
und liebender Hingegebenheit.
Warum der Dichter diese drei Stücke eine Komödie der
Im ersten Stück bemühte sich Stieler um den Mann, der
Worke nennt? Wollke er erklären oder entschuldigen? Vielleicht
ehn Jahre auf den Triumph über die Untreue der Frau gewarket
beides. In der Tat, es wird viel gesprochen in diesen Stücken,
hat. Er gab dem Gefühlsausbruch einen gewissen Zusatz von Dä¬
im ersten mehr, als wir wünschten, im zweiten hingegen fließen
monie, die das zu retten suchte, was hier kaum zu retten ist.
die Worke so vergnüglich und fein, werden so trefflich komödien¬
Aenny von Orelli bemühte sich gleichfalls redlich; aber es
haft gesetzt, daß wir immer weiker hätten zuhören können. Und
versprach von vornherein wenig Aussicht, die psychologisch ver¬
im drikten vermag wiederum die Qualität nicht ganz für die
wwickelle oder sagen wir getrost, konstruierte Gestalt in die Hände
Quankität zu entschädigen.
Aenny von Orellis zu legen. Denn während diese Pfychologie nur
Aber vornehmlich hat die Komödie der Worte auch
von einer Darstellerin, deren Stärke im Triebmäßigen, Unbewußten
einen inneren Sinn. Worte lügen, heißt es einmal. In allen drei
liegt, möglich gemacht werden kann, wirkt Aenny von Orelli immer
Stücken wird die Gebrechlichkeit des Wortes gedeutet. Was ist
klar, geradlinig, und in den Empfindungen von einer spröden Sicher¬
das Work? Für den Logiker ein Begriff. Für den Mekaphysiker
heit. Einzig der Ton der Resignation wurde von ihr in dieser Ge¬
ein Symbol, das vergeblich das ewig Fließende des Lebens und
stalt gedeckt; und hier überzeugle ihre Einfachheit, die aber noch
nun gar des seelischen Lebens zu erfassen bestrebt ist. Worte sind
immer sofort verloren geht, wenn sie das Gefühlsmäßige steigern
Schimmer, Abglanz und zerfließen wie Lichtwellen.
zu müssen glaubt. Im ganzen scheint es aber doch, als ob ihre
Immer wieder lügen die Worke in diesen Dramen, bewußt
Mängel zunächst vorwiegend technischer Art seien. Mamelok
und unbewußt, gewollt oder aus Willenlosigkeit. Ein Zweifler,
hatte als Orimin eine resigniert lächelnde Vornehmheit. Und nun
den das Leben lächeln gemacht hat, schrieb diese Dramen, einer,
zum letzten Stück! Die Darstellung schien zuweilen hier zu belastet,
dessen Zweifel freilich nicht vor dem Worke haltmacht, sondern
zu seriös, und dadurch drohte die Endwirkung, daß die Frau bei
bis zu den Menschen dringt, die es sprechen. Doch sein Lächeln
dem slärkerin Manne bleibt, an Möglichkeit zu verlieren,
ist gütig. Es gleicht dem des Theakerdirektors im zweiten Stück,
während man bei beflügelter Darstellung mit einem selbstverständ¬
der seine Komödienspieler kennt auch unker der Maske großer
lichen Lächeln sich abgefunden hätte. So aber wurde die Doppel¬
Worke. Immer wieder möchte er sagen: Nur keine Tragödie!
natur des Slückes, also seine Schwäche, unterstrichen. Dies gilt für
Das Leben ist ja halt viel einsacher, als Ihr Komplizierken glauben
Stieler, der eine treffliche Maske und ein an sich sehr lebens¬
Ein Blick in die Augen eures Geliebken wirft
machen wollt.
#arkes Spiel hatte, wie für Martina Otto. Diese war fein in
alle großarkigen Grundsätze über den Haufen, und alle Seelen¬
leise anklingenden Empfindungen. Ingenohl gab den jungen
konflikte lösen sich vor der Nähe dessen, zu dem ihr gehört.
Mann ein wenig steif, im übrigen aber mit jener Bedeutungs¬
Deshalb aber bleibt wohl das erste Stück das Schwächste,
losigkeit, wie sie der Dichter wohl gedacht hat und wie sie erst den
weil hier der Dichter selber beinahe an die Tragödie glaubt, weil
Dr. Friedrich Sebrecht-
Sieg des anderen erklärk.
er selber so furchtbar kompliziert kut. Frau und Mann erkennen
nach zehn Jahren, daß ihre Ehe Lüge war. Erst nachdem die
Tochter durch ihr junges Eheglück in Sicherheit ist, entdeckt er
ihr, daß er von ihrem Bekruge gewußt hat, und daß er zehn Jahre
mit Triumph auf den Augenblick gewartet habe, da er ihr die
Lüge dieser zehn Jahre entgegenwerfen könne. Ob ein Mann das
kann, ist fraglich; Schnitzler scheint es zu wissen. Nachdem die
Frau ihn in seinem Wahne bestätigt hat — tatsächlich war sie die
Geliebte eines Dritken —, verläßt sie mit einer Norapose sein
Haus. Der belogene Lügner wird gerade in seiner scheinbaren
Erkenntnis noch einmal belogen. Psychologisch ist hier vieles er¬
künstelt und herzlich schwach und, was das schlimmste ist, auch
ein bißchen langweilig, was man einem Schnitzler schwer ver¬
zeiht. Aber für das entzückende zweite Stück wird ihm jede, also
auch diese Sünde verziehen.
Wir erleben die Herzensnöte der Frau eines berühmten
Schauspielers — Ort der Handlung Berlin —, der sie zwar gar
nicht entbehren kann, aber leider in gewisser Hinsicht so schwach
ist, wie Hamlek von den Frauen sagt. In einer „großen Szene
lernt sie in ihrem vergölkerten Manne den Komödianken von Blut
kennen, und dies vermag sie weniger zu vergessen, wie seine
sonstigen kleinen Abwege. Sie will von ihm gehen, als er in
der ganzen Kindlichkeit seines Komödiankentums sie wieder be¬
zwingt. Wir wissen am Ende: diese Szenen werden sich noch oft
wiederholen. — Es ist viel feine Karikakur in der Zeichnung der
Menschen; und der Dialog ist trefflich schattierk, wie in Schnitzlers
besten Stücken.
Das dritte, „das Bacchusfest', wirkt zu sehr belastet mit
Psychologie und Geist, um Lustspiel zu sein. Und doch scheint es
sich immer wieder nach solcher Beschwingtheit zu sehnen. Eine
Frau, die mit einem Liebhaber romantische Pläne schmiedete, wird
vor der überlegenen Nähe des Mannes, eines starkgeistigen
Schriftstellers, zum Bleiben gestimmt. Die großen Worte des
jungen Mannes verblangen und wurden Groteske. Das Bacchus¬
fest, die Dichkung des Mannes, ist wie ein Symbol der Handlung.
Die Darskellung stand diesmal unker Leitung von Paul
Prina der für ein gediegenes Bühnenbild gesorgt hatte. Auch
im Spiel wirkte das mitklere Stück, „Die große Szene', am
stärksten. Stieler entfaltete hier in der Rolle des großen Komö¬
dianken ein sprühendes, vielfach schimmerndes Spiel, das mimisch
viel Lustiges dazukat. Das war der Komödiant, der sich an Worten