II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 298


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26.1. Konoedie der orte—zykins
10. JAN 1916
bungel ##eblaf

Dichter auch im „Bacchusfest“ eine Ehe] Montor, gleichzeitig Spielleiier, seine „große
wieder zusammenleimen, mit Worten den Ver¬
Szene"; er gab den Mann von Leidenschaft
Theater,
führer in die Flucht schlagen. In der Anlage
und Genie, den Lügner, der sich so in seine
so hübsch gedacht, daß man es bedauern möchte,
Rolle hineinlebt, daß er selbst an sie glaubt,
Kunst und Wissenschaft.
daß der Gedanke gerade einem Schnitzler zur Aus¬
mit solcher Virtnosität, daß man es kaum be¬
führung in die Hand gefallen, bringt dieser Einakter
dauerte, daß das naive Kind, das er nach den
das Unwahrscheinliche, um nicht zu sagen, die Ver¬
Worten seiner Frau immer geblieben ist, nicht
Deutsches Schauspielhaus.
logenheit, die allen drei Stücken anhaftet, am
recht zum Durchbruch kam. Man freute sich an der
scharfsten in den Vordergrund; oder glaubt der
Darstellung, wie er sie — vielleicht nicht ganz
„Komödie der Worte“.
Dichter wirklich, daß es einem noch so klugen
nach dem Sinn des Dichters — schuf. Fräu¬

Von Arthux Schnitzler.
und seinen Kopf gelingt, ein ehebrecherisches
lein Westhoven konnte man in einem
Paar, das schon so weit gegangen wie
Arthur Sch##er ist der Dichler der
neuen Fach sehen und bewundern; Brahm
die beiden Bacchanten, sich noch wieder ausein¬
: dem Kriege, einer Zeit, die in einer
ließ bei seinem Theaterdirektor alle Saiten;
Wjen Uebersättigung Gesallen fand an aus¬
andertreiben läßt durch eine stimmungsvolle Er¬
seines köstlichen Humors spielen und brachte
Un¬
geklügelten, geistreichen Skizzen im Buch und
zählung von dem nächtlichen Feuer des alten
die fein ziselierten Wahrheiten und
auf der Bühne, einer Zeit, die Züge der Ueber¬
Dionysos=Kultus? Der Einschlag von Senti¬
wahrheiten glänzend zur Wirkung. Rein künst¬
mentalität, der den Schluß dieses Einakters
müdung aufweist, aus der anscheinend nichts
lerisch genommen war Heinrich Lang als
Großes und Gewaltiges mehr geboren werden
kennzeichnet, wirkt widernatürlich und unschön. Die
Schriftsieller Staufner der gelungenste Part
konnte. Man hat sie mit dem Schlagwort „Deia¬
schlimmste der drei einaktigen Sünden stand am
des Abends; die unter weltmännischen Formen
verborgene Leidenschaft kam bei der Erzählung
denz“ abgetan, und gesunde Geister, die die
Anfang. Auch hier ist es das Wort, das
der Liebesfreinacht des alten Grlechenland treff¬
herrscht, die Handlung liegt in der Vergangen¬
Fangarme ihrer Skepsis noch nicht erreicht hatten,
licher zur Darstellung — viel edle Kunst, ver¬
heit. Ein Arzt hat zehn Jahre mit seiner Frau
wandten sich bewußt von ihr ab, ja bekämpften
tan an einem Werk, das wohl für den Augen¬
sie. Das ganze Leben — wir haben es in¬
zusammengelebt, trotzdem er zu wissen glaubt,
blick Heiterkeit auslösen, aber niemals von nach¬
zwischen erfahren — ist nicht aus „Liebelei“ zu¬
daß sie ihn mit seinem Freunde betrogen hat;
er hat auf die Stunde des Erkennens
haltiger Wirkung bleiben kann. Denn unsere
sammengesetzt, sondern wird auch noch von
Zeit ist fortgeschritten, indessen der Anatol¬
gewartet wie ein Schauspieler auf sein Stich¬
anderen Dingen erfüllt, von denen natürlich der
Dichter stehengeblieben ist. Sie verlangt Ver¬
wort, und nun, da sie, nach der Hochzeit der
keine Ahnung haben kann, der sich mit einem
tiefung in rein menschliche Probleme, nicht
Tochter und dem Abschied des vermeintlich treu¬
wehmütigen Verzicht auf alles Große davon
losen Freundes für immer, gekommen ist, genießt
geistreich ausgetüftelte, gefühlsarme Vernünf¬
abwendet und seiner Mitwelt nur das ironische
er seine Rache kalt. Er stempelt die Frau, mit
teleien über heikle Themen in dramatischer
Lächeln über ihre Kleinheit und Niedrigkeit zeigt.
der er in neunzehnjähriger Ehe zusammengelebt
A. O.
Form.
Man könnte solchen Dichtern zugute rechnen, daß
hat, die ihm ein Heim geschaffen, die Mutter
sie ihrer Zeit nur das Spiegelbild vorhalten und
zur Dirne, und gebietet ihr
seines Kindes
hadurch erhebend, bessernd, läuternd wirken
jetzt, sich von ihm zu trennen. Dabei ist alles
wollen; aber ich glaube, man tut Schnitzler und
unwahr, denn die Frau hat ihn gar nicht mit
seiner ganzen Richtung zu viel Ehre an, wenn
dem vermeintlichen Freund betrogen, sondern
man ihnen diese Absicht beimißt. Wollien sie
mit einem andern, nicht einmal wirklich gelieb¬
das, so würde doch wenigstens an einer
ten Mann, der nur hinter den Kulissen agiert.
Stelle etwas von dem hervordringen, was man
Der Ehemann erfährt nichts davon, und nach
als Wetterleuchten der Zukunft, als eine Hoffnung
Noras Art verläßt Frau Clara das Haus.
auf Reinigung empfinden könnte.
Diese Abrechnungsszeue mit ihrer ganzen Ver¬
Aber nichts von alledem! Nicht im „Ang¬
zerrung ist vielleicht ein geistreicher Gedanke,
tol“ nicht im „Reigen“, nicht im „Einsamen
aber niemals ein Bild des wirklichen Lebens,
Weg“ weder im Spiel mit der Liebe, noch im
ein Vorwurf, der einen Komödienschreiber, der
Spiel mit dem Tode ... auch nicht in der
auf den Erfolg sieht, reizen konnte, von dem
„Komödie der Worte“. Was will der
aber ein Dichter seine Hände hätte lassen sollen,
Dichter mit dieser zusammenfassenden Ueber¬
da ihm die Unmöglichkeit der beiden mitein¬
sch#ft seiner drei Einakter, die am Sonnabend
ander Abrechnenden schwer auf die Seele fallen
ihre glänzende Erstaufführung im Deutschen
mußte.
Wie oft läßt Schnitzler seine Frau
Schauspielhaus hatten, sagen? Eigentlich doch
Clara sagen: „Ist das denn zehn Jahre hin¬
nur wieder seine alte Lehre, daß „alles nur
durch möglich?“ Er hätte sich selbst die Ant¬
Eigennutz, nur Gemeinheit, nur Lüge, ein Hin¬
wort geben sollen!
hämmern, eine Fahrt ins Dunkle, von der Lüge
in die Lüge getrieben“ ist. Und der gemein¬
Und doch ein Theatererfolg! Es gibt
same Gedanken bei allen dreien ist,
daß man
Stücke, die mehr von den Schauspielern, als
mit Worten nicht nur tapfer streiten, sondern
von den Dichtern getragen werden, Stücke, die
auch ein Lügengewebe bereiten, hinter Worten
n schlechter Mitspieler verdirbt, die ohne
nicht nur seine Gedanken, sondern auch
Rettung der Lächerlichkeit verfallen, Wenn die
seine Taten verbergen, kurz: mit Worten
Stimmung verpaßt wird.
Daß das am Sonn¬
trefflich Komödie spielen kann. Am schärfsten
abend keinen Augenblick geschah, machte den
tritt dieser Gedanke in dem zweiten Stück,
Erfolg des Abends aus, und, ohne viel dar¬
„Die große Szene“ hervor, in der ein
über nachzudenken, was man ihnen denn eigent¬
genialer Schauspieler so bis zum Ekel lügt, daß
lich an geistiger Kost dabei bot, dankten die
seine Frau ihm auf= und davonläuft; es tri¬
Zuhörern den Künstlern dafür, wie sie sie
phiert die Ider, daß der Träger eines
ihnen boten. Nhil und Kreidemanu¬
Pienies ein ausgemachter Schurke sein und, weil
und die viel umworbene Frau Clara, die
## nicht mit gewöhnlichem Maßstabe gemessen
Julie Serda gewandt verkörpert, hielten die
werden soll, einfach alles iun darf. Mit Worlen,
Stimmung des ersten Einakters in sicheren und
mit der Erzählung einer Parabel, will der i geschickten Händen. Im zweiten Stück hatte Max