II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 299

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26.1. Konoedie der Norte zykius
einem fatalistischen Dulder, von Worten zu einem trium¬
phierenden Harlekin gemacht werde. Worte sind mein
Schicksal. Ich war ein traumseliger Knabe, glücklich wie
ein Märchenprinz, ehe das gedankenblasse Wort in mein
Sein oder Nichtsein eingriff. Das Wort ist ein Schatten.
Das Wort eines Abgeschiedenen gleicht dem Schatten eines
Schattens. Diesem Schatten eines Schatten diene
Worte
selbst.
meiner
Schatten
als
peitschen mich auf, Worte schlagen mich nieder, Worte
nasführen und prellen mich. : „Welch' ein Esel bin ich,
trefflich brav, daß ich, des teurer Vater ward ermordet,
von Höll' und Himmel angespornt zur Rache, entlad' mein
Herz mit Worten wie 'nc Huxe?“
Worte, Worie, Worte! Bei Kainz wurde diese sechs¬
silbige Antwort erst recht zu einer Komödie der Worte.
Er spie sie in einer raschen Kadenz mit unsäglicher Gering¬
schätzung aus. Und ließ jede abschweifende Melancholie
beiseite. Wobei er den unzuständigen Untersuchungs¬
richter, den unfähigen Wahrheitssucher, den „alten Narren“
und „großen Säugling“ Polonius auf die primitive Schul¬
bank des faustischen „Schülers“ versetzte. Hamlet wurde
ein Mephisto, der mit schneidender Ironie im Sinne
Schnitzlers zu sagen schien: „Wo Begriffe fehlen, da stellt
ein Wort zur rechten Zeit sich ein. Mit Worten läßt sich
#trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten, an Worte
läßt sich trefflich glauben, von einem Wort läßt sich kein
Jota rauben. Im Ganzen haltet Euch an Worte, dann
geht Ihndurch die sich're Pforte zum Tempel der Ge¬
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sschnitt aus: Nene Hamburgergeitung
wißheit ein!“
Die sichere Pforte, die in das blindlings angebetete Reich
der traditionellen Begriffe oder der begrifflosen und un¬
#

begriffenen Worte führt, stellt sich heute dem fortschritt¬
lichen Betrachter entschiedener denn je als unsicheres Tor
dar. Viele Türhüter, die in Amt und Würden oder auch
nur mit einem ungelehrten Kopf und mit ihrem spie߬
Deutsches Schauspielhauf.
gingen unter dem
bürgerlichen Bauch davorstanden,
Komödie der Worte von Arthur Schninler.
mephistophelischen Hammer Friedrich Nietzsches zugrunde.
sen
Aber es leben noch überaus zahlreiche Poloniusgreise, be¬
Drei Einakter: Stunde des Erkennens, Große Szene,
jahrte und junge, die (mit einem „überflüssigen Mangel
Das Bacchusfest.
an Witz“, wie es bei Shakespeare heißt) auf der ausge¬
„Was leset ihr, mein Prinz?“ Diese Frage stellt ein:
tretenen Schwelle dieses bequemen Tempels der Gewißheit
lauernder Mann, der als unzuständiger und unfähiger
hocken. Sie fühlen sich als Tempeldiener und sind doch im
Untersuchungsrichter ergründen möchte, warum der lesende
Grunde nur aufgeblasene Hotelportiers, die einen aus¬
Prinz toll geworden. „Toll nehmen wir ihn also; nun ist
geprägten Sinn für gangbare Scheidemünzen haben und
übrig, daß wir den Grund erspäh'n von dem Effekt; nein,
jedem wohlanständigen Besucher mit einem adreßbuchartigen
richtiger, den Grund von dem Defekt; denn dieser Defektiv¬
Verzeichnis aller ethischen, moralischen, ästhetischen oder
Effekt hat Grund.“ Der lauernde Mann sucht der rätsel¬
politischen Phrasen entgegenkommen. Sie „halten sich“ also
haften Wahrheit im vermeintlich umschleierten Geiste
im Ganzen und im Einzelnen an Worte. An Schlagworte,
seines Opfers auf die Spur zu kommen. „Wenn eine
die sich wie ihr goldbetreßter Pförtnerstab in jedem Augen¬
Spur mich leitet, will ich finden, wo Wahrheit steckt, und
blick fassen und als diktatorische Stütze benützen lassen.
steckte sie auch recht im Mittelpunkt.“ Er geht also auf
Ihre Macht hat verhängnisschwere Tücken. Im Kleinen
den geistig=scelischen Mittelpunkt des lesenden Prinzen los.
und im Großen, im Einzelhirn und im sozialen Körper,
„Was lesen Sie, mein Prinz?" Und Hamlet antwortet
in der Familie und im gesamten Staate, in den persön¬
dem Polonius: „Worte, Worte, Worte“,
lichen Verhältnissen des Privatmanns und in den gegen¬
gab Schauspieler, große Schauspieler, die in diese
seitigen Beziehungen der Völker richten sie eine verheerende
telegrammartige Antwort eine ganze Komödie der
Wirkung an. Bisweilen fördern sie sogar einen Weltkrieg.
Worte hineinzulegen wußten. Ihr dreifach verschiedener
Was der Geschichtspsychologe bestätigen kann, wenn er das
Ton, der das Wort Nr. 1, das Wort Nr. 2 und das Wort
furchtbare Faktum feststellt, daß manche Nationen ihr all¬
Nr. 3 beherrschte, rief in der dreimal erschütterten Luft
gemeines Urteil über andere Reiche auf begrifflose oder
aus Klangfarben und Klangreizen gewissermaßen drei
unbegriffene Wörter („Militarismus — Imperialismus —
problematische Einakter hervor. Da war eine tief tragische
Barbarismus“) und nicht auf sachlich ergründete Begriffe
„Stunde des Erkennens“ eine fatalistisch ergebene „Große
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zurückführen. Hier maßt sich die Komödie der Worté ein
Szene“ und ein überlegen triumphirendes „Bacchusfest“
selbstherrliches Recht über ganze Menschheitskomplexe, über
darin. So verfuhr Sonnenthal mit den drei Worten.
den guten Ruf eines halben Erdteils an. Und wir######
Das erste Wort sprach er mit einer lauten und wilden
einer infernalischen Tragödie. Zu einer Riesentrag
Trauer, das zweite mit einer bitteren und in sich gekehrten
ohnegleichen.
Demut, das dritte mit einer selbstsicheren und höhnischen
Man sieht: das Problem hat seine Größe! Auck¬
Verachtung aus. Als wollte er sagen: Weh mir, daß ich
von Worten zu einem tragischen Helden, von Worten zu I begrenzten Rahmen kleiner und scheinbar leichtfertiger
gebnisse offenbart es eine
ordentlicher Bedeutung. In
die Geschichte der menschlie
der menschlichen Natur wi
die Naturgeschichte des W
Mensch) an tragischen K
Mißverständnissen leidet.
Es ist im übrigen kein
Schnitzler diese tragisch ver
Denn er hat sie seit vielen
gehört zu den beliebtesten
Dichtern unserer Zeit.
feierten und doch auch ve
ihrem vielgestaltigen Wese
hineingezwängt und unter
geprüft werden. Dieses be
skopische Täuschungen. O
undzwanzig begehrte Büch
Kreisen sozusagen noch im
er als Anatol. Als Meis
bringenden Liebe, die den
die allzu leichte Achsel ni
des Daseins auf eigen s
Worte, Worte üben ein u
richt über ihn aus. Wor
selbst. Kein Wunder, daß
durchlittenen Konflikt in
dem vorgeschützten Gleichn
Beobachters von der Seele
Parabeln sind seine d
dem Thema „Drei Wor
Schillers Gedicht über
Vielmehr Parabeln zu d
hundert Worte nenn'sich
sind klingende Schellen.
Aus den Ur
hervor.
Empfindungen leiten sie
die Welt mit ihnen betrog
gequält werden. Mank
sprünglichen Natur zu f
unverfälschten Menschen
Wirrnissen einer fatalen
Darüber war schon Go
zeichnend genug, daß Se
in seiner speziellen Wei
ziehungen der Menschen
nicht auf leere Worte g
oder Freundschaft ist zu
worden. Daraus muß
Natürliche natürlich zu
durch ihre gottverdammt
ist getrübt, ja vergiftet
Eifersucht und Angst, vor
wird von Worten erstickt.
an dem Pesthauch der
gerechten Worte.
In der „Stunde des
säerhafter Arzt seine zwe
kommenen und überlebte
oder sechzig Minuten is
Denn die dämonische M
heraufbeschworenen Wor
mit spitzen Messern und
erniedrigte Frau verläßt
weihte Haus. Hier erwe
an Strindberg kann
Szene“ setzt eine herge
(Ehefrau des selbstgetreu