II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 315

26.1. Kongedie der Norte—Zyklus
Grazer Tagblatt, Gras
Ausschnitt aus:
SPR 1375 Abendblatt
vom:
Theater und Kunst.
(Schauspielhaus.) Erstaufführung von
Artur Schnitzlers.„Komödie der
Worte“ mit ls Gast. In
gewisser Beziehung am interessantesten von dieser
Folge ist das erste Stück „Stunde des Er¬
innens“ Man kann es ruhig ein Rassen¬
okument nennen, wenn es vielleicht auch nicht als
solches gedacht war. Oder doch? — Jedenfalls ist
das Problem der alttestamentarischen Rache, dieses
unerbittliche, dabei aber geduldig auf seine Zeit
wartende, stets auf Vorteil bedachte und bei aller
Glut doch kühl rechnende Hassen und grausame
Vergelten auf der Bühne noch nie so echt und den
Kern erfassend wiedergegeben worden, wie durch
diesen Dr. Karl Eckhold. Ansprechender wirkt der
zweite Einakter „Große Szene“; er ist ein
fesselndes, stellenweise zu fröhlichster Heiter*
fortreißendes Theaterstück und ein bedeute:"
volles Kapitel Seelenkunde. In seiner Fähigkeit,
eine außerordentliche Gedankenfülle derart zwang¬
los in ein lustiges Spiel zu fügen, daß es dem
oberflächlichen Zuschauer einfach als ein flott hin¬
geworsenes Genrebildchen aus der Mimenwelt er¬
scheint, hat Schnitzler vielleicht den wertvollsten
Beweis seines dramatischen Könnens geliefert.
Das „Baechusfest“ ist an sich gerade keine
Niete, aber es wirkt im Vergleiche zu seinen beiden
Vorgängern fast wie eine solche und weckt den Ein¬
druck, als sei es nur geschrieben, um das herkömm¬
liche Kleeblatt zu vervollständigen. Eine ganz be¬
sondere Anziehungskraft erhielt der Abend noch
durch das Gastspiel Harry Waldens, der hier
gezeigt hat, daß er als Charakterdarsteller künstle¬
risch vielleicht noch höher steht als in dem von ihm
bisher bevorzugten Fach. Schnitzler hat ganz genau
gewußt, weshalb er als ersten Bildner der drei
Hauptrollen gerade diesen Darsteller verlangte,
der sie mit seltener Wandlungsfähigkeit scharf aus¬
einanderzuholten und doch zu der gewollten inneren
Zusammengehörigkeit zu bringen versteht. Die in
schwierigeren Aufgaben schon so oft bewährte
Künstlerhand Julius Grevenbergs als
Spielleiter hat dafür Sorge getragen, das dem
gefeierten Gast eine würdige Umgebung geschaffen
wurde, in welcher seine große Kunst vollste
Geltung erlangen konnte. Vor allem hatte er an
Nelly Kögl als Sophie Herbst und an Anton
Mödlinger als Dr. Falk zwei Partner, wie er
sie kaum irgendwo gediegener finden dürfte: Hans
Kainz verdient ebenfalls für seine schlicht=natür¬
liche Fassung des Edgar Gley vollste Anerkennung
und auch Fritz Großmann erhob seinen Dr.
Ormiß trotz sichtlicher Indisposition zu einer vor¬
trefflichen Charoiterfigur. Minder günstig hatte es
Emma Schubert mit Frau Klara Eckhold ge¬
troffen; so fein differenzierte Frauengestalten
liegen ihr weniger gut als die in großen Umrissen
gehaltenen. Die übrigen Mitwirkenden, unter
welchen noch Marianne Erber in der sehr gut
gespielten Episode der Vilma Flamm hervorzu¬
heben ist, trugen in minder dankbaren Aufgaben
nach Möglichkeit zu dem allgemeinen Gelingen bei.
Das bis auf das letzte Plätzchen ausverkaufte Haus
nahm die drei Stücke wie die darst llerischen
Leistungen, allen voran natürlich die des Gastes,
mit stürmischem Beifalle auf.
E. R. v. Dombrowsk i.)
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Glaber Tagespen
Ausschultt aue:
Graz, Steiermark
VOM:
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Theater und Musik.
Schauspielhaus.
„Komödie der Worte“, drei Einakter von Artur S####
Gastspiel des Herrn Harry Walden vom W#er—3f
burgtheater.
Die drei neuen Einakter haben alle Vorzüge der
dramatischen Tichtungen Schnitzlers, einen glänzenden,
flüssigen und geistreichen Dialog, und sind in psychols¬
gischer Hinsicht fein ausgedacht. Fast zu sein und zu
ausgeklügelt im Einzelnen bis zur psychologischen Un¬
wahrscheinlichteit, namentlich im ersten Einalter
„Stunde des Erkennens“. Eine genauere Besprechung
des Inhalts würde es leicht möglich machen, den Be¬
weis für das Gesagte zu erbringen, aber ich unterlasse
es, darauf näher einzugehen, weil gerade der Schlu߬
Hausgang bei allen drei Stücken so unerwartet und ver¬
blüssend wirkt, daß bei der zu gewärtigenden Wieder¬
holung das Interesse an der feinen Durchführung der
Handlung von vornher für die Zuschauer abgeschwächt
würde. Schnitzler ist ein Meister psychologischer
Filigranarbeit, und da er in vornehmer Zurückhaltung
jeder aufdringlichen Theatralik aus dem Wege geht,
und oft mehr nur andeutet und gerne verschleiert,
so macht er es dem Zuhörer nicht immer leicht und
bequem, ihm zu folgen. Man muß seinen Dialogen
mit der größten Aufmerksamkeit entgegenkommen, denn
die Pointen seiner Stücke stehen zum Nachteil des
Verständnisses meist zwischen den Zeilen und solche
Interlinear=Gedanken sind der Bühnenwirkung nicht
immer günstig. Und darum ist es gerade der Dialog,
dem der Darsteller in seinen Stücken die größte Sorg¬
falt und Beachtung widmen muß. Für diese neuesten
Einakter Schnitzlers, von##nen der erste enoas lang¬
atmig, psychologisch nic#e einwandfrei ist und der Klar¬
heit ermangelt, währen die beiden übrigen sehr dank¬
bare Rollen und glück #e Erfindung in der Entwicklung
der Handlung igen, ist es jedenfalls ein Gewinn,
einen Schauspieler wie Harry Walden als Träger
der Hauptrollen zu haben, der durch vollendete Sprech¬
kunst, die auch die kleinsten Pointen nicht unbeachtet
läßt, und durch eine solch lebendige, lebenswahre und
äußerst sympathische szenische Verkörperung der Bühnen¬
gestalten das Publikum zu stürmischem, nie enden wollen¬
dem Beifall hinzureißen versteht. Namentlich wirksam
war er im zweiten Einatter, wo er in der großen
Szene mit Edaar Gley durch die „Komödie seiner
Worte“ diesen zu beruhigen weiß, und im dritten Ein¬
akter „Das Bacchusfest“, wo er den Nebenbuhler, der
ihm seine Frau entführen will, mit Eleganz und Ironie
zu entfernen vermag. Wir haben Herrn Walden schon
im November am Vortragstische mit Freude gehört
und sein Wiedererscheinen auf unserer Bühne wird für
unser Publikum immer als Festabend gelten. Neben
dem gefeierten Gaste waren die Damen Kögl,
Kovacs=Schürmann und Fräulein Schubert,
ebenso wie die Herren Kainz, Großmann, Be¬
rann und Mödlinger mit Erfolg beschäftigt, und
besonders hervorzuheben ist der letztgenannte durch seine
treffliche und humorvolle Darstellung des Thaeker¬
direktors Dr. Fall im zweiten Stücke. Das Pheater
var, wie zu erwarten, ausverkauft.
Gn.
(enel. l.sl.