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26.1. Konbedie der vorteZykius
70 5. 1918
Oestert bische Veisszeitung
Wien.
Wiener All, emeine Leitung
—
Wien.
10. 5. 1978
(Volksbühne.) Vor allem Wiederhören der „Ko¬
—
mödie der Worte“ von Artur Schnitzler, jener
Volksbühne. Albert Bassermann scheint
drei Einakter, die den gemeinsamen Schirmkitel wayrhäftig
„bei seinem jüngsten Gastspiel den höchsten Ehrgeiz
verdienen. In ihnen, durch sie eröffnet sich ein kultivierter
darein gesetzt zu haben, vor dem Publikum das ganze
Wunder seiner Wandlungsfähigkeit zu entfalten.
Geist, der, erdfern sitzend, das Leben nur mehr wie ein
eden Abend einen ganz Anderen, ja an einem und
behutsames Gleichnis schätzt. Und wieder die thematische
demselben sogar mehrere Andere aus sich zu schaffen
Inzucht, Gestaltung des Stoffes, den der Dichter, schier
#ind im Rampenlicht wirken zu lassen. Er selbst aber
unterm Druck umpiderstehlichen Zwanges handelnd, dreht,
stheint dabei im Hintergrund zu stehen und zu be¬
wendet, abschattiekt; dreimal der Herzpunkt, die Urzelle
obachten, wie es diese seine Geschöpfe treiben und wie
jener Komödien, die ansonsten drei Akte oder noch breiter
sie den Menschen gefallen. Als ob es fremde Gestalten
ausfließen dürfen, während sie hier einaktig geboten werden.
wären, die nicht Teil haben an seiner Seele! In der
Ein Irrtum wäre es jedoch, an Extrakte, an Verdich¬
Tat: Sie sind nur von seinem Geiste, von seinem
tungen zu glauben. Das Gegenteil findet sich vor; ein im
Witze, von seiner unerschöpflichen, bildnerischen Er¬
Umriß kleineres, aber auch ein blässeres Bild. Allesamt
findungsgabe, aber nicht von seiner Seele, von seinem
Musterbeispiele erlesenster, süblimster Unnatur, Schemen
Blute. Sie sind Kinder eines blendenden Verstandes,
der mit der Genialität jenes echten Komödianten¬
einer Gedankenwelt im wahrsten Sinne des Wortes, das
geistes sich vermählt hat, welche lieber durch Kälte
allein diese Komödie belebt, die dreimal auf einem ihr ent¬
siegt als durch hinreißende Wärme: Weil der Sieg
gegenarbeitenden trottoir roulant zu laufen scheint. Daher
solcherart schwieriger ist, weil die wahre Komödie
gelangt sie nach einer Stunde erst ans Ziel, das, auf nor¬
das wahre Gefühl geringschätzend belächelt, weil
malem Weg, unter alltäglichen Bedingungen, in zehn Mi¬
der Virtuose um so höher steht, je weniger
Albert
nuten bequem zu erreichen gewesen wäre.
er von sich selbst hergibt. Zu solcher Betrachtung über.
Bassermann hält die drei Rollen, die ihm hier ge¬
das Wesen Bassermanns, der gegenwärtig wohl als
boten werden, ganz wunderbar kontrastiert auseinander;
der erste Künstler der deutschen Bühne verehrt wird,
was natürlich nicht das Wichtigste ist. Vorerst kommt in
regen ganz besonders die Figuren des Arztes, des
Betracht, daß seine vorbildliche Intelligenz auf den ange¬
Schauspielers und des Schriftstellers in Schwütze
schlagenen Grundton eingeht, daß er in diese Atmosphäre
Lbekannter Burgtheaterserie „Komödie der
Worte“ an, die uns der geschätzte Berliner Gast jüngst
hineinwächst und gar nicht den Ehrgeiz besitzt, Menschen
vorführte. Selbstverständlich machte er aus diesem
zu spielen, sondern bloß Ornamente von Menschen. Oft¬
geistreichen Plauderabend Schnitzlers eine vollendete¬
mals hat man es störend empfunden, wenn dieser Schau¬
Theaterkomödie. Nur daß er keine Requisilenspässe
spieler seinen Hang zur Schnörkelei hartnäckig betont hat.
einlegte und etwa neue Aktschlüsse dichtete. Aber
Hier ist solche Gewohnheit durchaus am Platze. Man
allerlei gesungene und gesprochene Arien, Witze und
würde es als passend und nicht als störend, sondern auch
Scherze, von denen das Buch nichts weiß, hatte er
mit ebensolchen Gesten gespielt empfinden, wenn
sich doch auf die Walze genagelt. Wie jubelte man da,
er den Doktor Eckold mit stilisiertem, gelocktem
als er sie — in seiner Siegessicherheit ein bißchen
Bart, wenn er den Schauspieler Herbot noch
nitlachend — auf der Bühne behaglich abrollen ließ!
um eine Ebene höher ins Unwirkliche, Phantastische
Besonders sein Schauspieler Herbot im Einakter
behaupten,
wird
„Große Szene“, den er mit kecker Kraft kenn¬
sichnete, brachte die Leute außer Rand und Band...
daß er ein Porträt geben wollte, daß es hier auf Nach¬
Neben Bassermann machten sich seine Gattin Else,
zeichnung auch nur einer einzigen Lebenslinie ankam. Was
ganz besonders aber die heimischen Kräfte der Volks¬
Basiermann hier schafft, ist der zum Kubus erhobene Ueber¬
bühne, vor allen Hans Ziegler, der warme,
komödiant, die Hypertrophie eines wundersamen Fabel¬
liebenswürdige Charakterspieler, Herr Schild¬
wesens. Niemals noch war man imstande, Bassermanns
kraut und die Damen Karoly und Jakobsen
Spielfreudigkeit im gleichen Maß zu bewundern. Er ist da
angenehm bemerkbar. Frau Fournier war als
wahrhaftig ein Jongleur, der die Bühne mit allem was
st.
Frau Staufner doch etwas zu blaß.
darauf ist, auf seinen Kopf stellt, der hierauf die Bühne auf
den Kopf stellt, sie schließlich hinstellt und sich selber auf
den Kopf stellt. Seine nimmermüde Elastizität ist erstaun¬
lich und es dann nicht viele Schauspieler geben, die Fähig¬
keit und Fanatismus besitzen, sich derartig an eine Rolle,
in einer Rolle zu verschwenden. Hinreißend ist Albert
Bassermann in dieser „Großen Szene“ gewesen und es ist
nur selbstverständlich, daß hinterher ein Abflauen folgen
mußte, und daß es während des dritten Einalters, dessen
Struktur es auch gar nicht zuläßt, zu keiner Steigerung
mehr kommen konnte. An diesem Abend waren es die
Damen Bassermann, Karoly und Jakobsen,
sowie die Herren Schildkraut und Ziegler, die
neben dem Gast, der enthusiastisch gefeiert wurde, in Ehren
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bestehen kout.
26.1. Konbedie der vorteZykius
70 5. 1918
Oestert bische Veisszeitung
Wien.
Wiener All, emeine Leitung
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Wien.
10. 5. 1978
(Volksbühne.) Vor allem Wiederhören der „Ko¬
—
mödie der Worte“ von Artur Schnitzler, jener
Volksbühne. Albert Bassermann scheint
drei Einakter, die den gemeinsamen Schirmkitel wayrhäftig
„bei seinem jüngsten Gastspiel den höchsten Ehrgeiz
verdienen. In ihnen, durch sie eröffnet sich ein kultivierter
darein gesetzt zu haben, vor dem Publikum das ganze
Wunder seiner Wandlungsfähigkeit zu entfalten.
Geist, der, erdfern sitzend, das Leben nur mehr wie ein
eden Abend einen ganz Anderen, ja an einem und
behutsames Gleichnis schätzt. Und wieder die thematische
demselben sogar mehrere Andere aus sich zu schaffen
Inzucht, Gestaltung des Stoffes, den der Dichter, schier
#ind im Rampenlicht wirken zu lassen. Er selbst aber
unterm Druck umpiderstehlichen Zwanges handelnd, dreht,
stheint dabei im Hintergrund zu stehen und zu be¬
wendet, abschattiekt; dreimal der Herzpunkt, die Urzelle
obachten, wie es diese seine Geschöpfe treiben und wie
jener Komödien, die ansonsten drei Akte oder noch breiter
sie den Menschen gefallen. Als ob es fremde Gestalten
ausfließen dürfen, während sie hier einaktig geboten werden.
wären, die nicht Teil haben an seiner Seele! In der
Ein Irrtum wäre es jedoch, an Extrakte, an Verdich¬
Tat: Sie sind nur von seinem Geiste, von seinem
tungen zu glauben. Das Gegenteil findet sich vor; ein im
Witze, von seiner unerschöpflichen, bildnerischen Er¬
Umriß kleineres, aber auch ein blässeres Bild. Allesamt
findungsgabe, aber nicht von seiner Seele, von seinem
Musterbeispiele erlesenster, süblimster Unnatur, Schemen
Blute. Sie sind Kinder eines blendenden Verstandes,
der mit der Genialität jenes echten Komödianten¬
einer Gedankenwelt im wahrsten Sinne des Wortes, das
geistes sich vermählt hat, welche lieber durch Kälte
allein diese Komödie belebt, die dreimal auf einem ihr ent¬
siegt als durch hinreißende Wärme: Weil der Sieg
gegenarbeitenden trottoir roulant zu laufen scheint. Daher
solcherart schwieriger ist, weil die wahre Komödie
gelangt sie nach einer Stunde erst ans Ziel, das, auf nor¬
das wahre Gefühl geringschätzend belächelt, weil
malem Weg, unter alltäglichen Bedingungen, in zehn Mi¬
der Virtuose um so höher steht, je weniger
Albert
nuten bequem zu erreichen gewesen wäre.
er von sich selbst hergibt. Zu solcher Betrachtung über.
Bassermann hält die drei Rollen, die ihm hier ge¬
das Wesen Bassermanns, der gegenwärtig wohl als
boten werden, ganz wunderbar kontrastiert auseinander;
der erste Künstler der deutschen Bühne verehrt wird,
was natürlich nicht das Wichtigste ist. Vorerst kommt in
regen ganz besonders die Figuren des Arztes, des
Betracht, daß seine vorbildliche Intelligenz auf den ange¬
Schauspielers und des Schriftstellers in Schwütze
schlagenen Grundton eingeht, daß er in diese Atmosphäre
Lbekannter Burgtheaterserie „Komödie der
Worte“ an, die uns der geschätzte Berliner Gast jüngst
hineinwächst und gar nicht den Ehrgeiz besitzt, Menschen
vorführte. Selbstverständlich machte er aus diesem
zu spielen, sondern bloß Ornamente von Menschen. Oft¬
geistreichen Plauderabend Schnitzlers eine vollendete¬
mals hat man es störend empfunden, wenn dieser Schau¬
Theaterkomödie. Nur daß er keine Requisilenspässe
spieler seinen Hang zur Schnörkelei hartnäckig betont hat.
einlegte und etwa neue Aktschlüsse dichtete. Aber
Hier ist solche Gewohnheit durchaus am Platze. Man
allerlei gesungene und gesprochene Arien, Witze und
würde es als passend und nicht als störend, sondern auch
Scherze, von denen das Buch nichts weiß, hatte er
mit ebensolchen Gesten gespielt empfinden, wenn
sich doch auf die Walze genagelt. Wie jubelte man da,
er den Doktor Eckold mit stilisiertem, gelocktem
als er sie — in seiner Siegessicherheit ein bißchen
Bart, wenn er den Schauspieler Herbot noch
nitlachend — auf der Bühne behaglich abrollen ließ!
um eine Ebene höher ins Unwirkliche, Phantastische
Besonders sein Schauspieler Herbot im Einakter
behaupten,
wird
„Große Szene“, den er mit kecker Kraft kenn¬
sichnete, brachte die Leute außer Rand und Band...
daß er ein Porträt geben wollte, daß es hier auf Nach¬
Neben Bassermann machten sich seine Gattin Else,
zeichnung auch nur einer einzigen Lebenslinie ankam. Was
ganz besonders aber die heimischen Kräfte der Volks¬
Basiermann hier schafft, ist der zum Kubus erhobene Ueber¬
bühne, vor allen Hans Ziegler, der warme,
komödiant, die Hypertrophie eines wundersamen Fabel¬
liebenswürdige Charakterspieler, Herr Schild¬
wesens. Niemals noch war man imstande, Bassermanns
kraut und die Damen Karoly und Jakobsen
Spielfreudigkeit im gleichen Maß zu bewundern. Er ist da
angenehm bemerkbar. Frau Fournier war als
wahrhaftig ein Jongleur, der die Bühne mit allem was
st.
Frau Staufner doch etwas zu blaß.
darauf ist, auf seinen Kopf stellt, der hierauf die Bühne auf
den Kopf stellt, sie schließlich hinstellt und sich selber auf
den Kopf stellt. Seine nimmermüde Elastizität ist erstaun¬
lich und es dann nicht viele Schauspieler geben, die Fähig¬
keit und Fanatismus besitzen, sich derartig an eine Rolle,
in einer Rolle zu verschwenden. Hinreißend ist Albert
Bassermann in dieser „Großen Szene“ gewesen und es ist
nur selbstverständlich, daß hinterher ein Abflauen folgen
mußte, und daß es während des dritten Einalters, dessen
Struktur es auch gar nicht zuläßt, zu keiner Steigerung
mehr kommen konnte. An diesem Abend waren es die
Damen Bassermann, Karoly und Jakobsen,
sowie die Herren Schildkraut und Ziegler, die
neben dem Gast, der enthusiastisch gefeiert wurde, in Ehren
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