II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 354

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26. 1. Kongedieder Norte—Zyklus
RenaifsancebühneDer Morgen Wien
Theater= und Kunstnachrichten.
Man kennt die drei Einakter Arthur
[Renaissancebühne.] Dem Burgtheater fehlt Harry
Schnitzlers, die Samstag das erstemal hier
Walden sehr, aber auch ihm, dem vielseitigen Darsteller, fehlt
gespielt wurden, vom Burgtheater her. Eine
das Burgtheater nicht minder, vor allem die interessanten Rollen
eingehendere Kritik dieser „Komödie der
des klassischen und modernen Repertoires, die er dort zurück¬
Worte“ scheint daher überflüssig. Ueberspitzte.
gelassen hat. Es ist also eine wohltuende Abwechslung, ihn nach
allzu konstruierte erotische Probleme und Pro¬
dem allabendlichen Auftreten als Charmeur, wozu er jetzt sich
blemchen sind von einem Meister des Wortes in
selbst verpflichtet ist, wieder einmal in einer gehaltvolleren Aufgabe
geistreiche, allerlei Menschlichkeiten leicht
zu sehen: in Artur Schnitzlers Einakterreihe „Komödie der
streifende Dialoge aufgelöst worden. Spielereien
Worte“. Die drei Einakker, die nichk zum dramatisch Stärksten
eines Dichters, der unendlich mehr kann, wie wir
gehören, was Schnitzler geschrieben hat, sind Auseinandersetzungen
alle wissen, und dem wir schließlich auch dann
rings um ein kleines, geistiges Motiv, psychologische Anekdoten,
gern lauschen, wenn er es sich einmal nicht allzu
in Dialoge aufgelöst. Wie die Sprache ein Mittel ist, die Gedanken
schwer gemacht hat... Harry Walden gab die
zu verbergen, sind hier die Worte, die bitteren und die leiden¬
Hauptrollen, wie seinerzeit in der Burg. Er
schaftlichen, die gehässigen und die zärtlichen nur ein Mittel,
war am besten als der kindlich verlogene
um Gefühle und Affekte zu verheimlichen oder vorzutäuschen.
Komödiant in der „Großen Szene“, jenem
Die Menschen suchen einander mit Worten zu blenden, seelisch zu
Stück, das am natürlichsten wirkt und auch
übervorteilen, sie kommen einander scheinbar näher, aber zum
den meisten dramatischen Witz aufweist. Aus
Schluß hat doch jeder am anderen vorbeigeredet und bleibt mit
dem Schriftsteller Felix Staufner („Bacchus¬
seinen wirklichen Gefühlen, seiner Echtheit und Falschheit allein.
fest“) kann er nicht viel machen: kein Wunder:
Das theatralisch Reizvolle und schauspielerisch Dankbare in den
diese Figur ist so blutleer, so schattenhaft, daß
Einaktern sind die drei männlichen Hauptfiguren, die im Grunde
es schwer fällt, einen Gestalter wie Schnitzler
Varianten derselben Gestalt sind: des seelischen Poseurs, der aus
für ihren Schöpfer zu halten. In der „Stunde
Veranlagung und Gewohnheit aller Welt und sich selbst etwas
des Erkennens“ jedoch versagt Walden meinem
vorspielen muß, also einer, dessen Echtheit die Falschheit ist. Harry
Gefühl nach völlig. Hier hat er Innerlichkeit zu
Walden findet für jede der drei Varianten den richtigen Ton,
zeigen, hier soll er dramatische Akzente an¬
die charakteristische Farbe, die menschlichen Einzelheiten; für den
verbitterten Doktor Eckold, der nach zehnjähriger Verstellung
schlagen. Aber das kann er nicht mehr, oder es
seinen angesammelten ehelichen Haß mit Zinseszinsen auszahlt,
sieht wenigstens so aus. Wie auch? — seit Jahr
den Schriftsteller Felix Staufner, für den auch die eigene Ehe nur
und Tag begnügt er sich, oder es mögen ihn
ein literarisches Experiment ist, und besonders für den großen
Umstände dazu zwingen, stets nur zuckersüße
Komödianten Konrad Herboth. Hier, in der meisterhaft geführten
Charmeurs zu verkörpern. Bei solcher Uebung
„Großen Szene“ hatte Waldens Spiel wieder die ganze geistige
müssen sich edlere künstlerische Qualitäten natur¬
gemäß rückbilden. Frau Frida Wagen ver¬
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Nr. 19954

steht es noch immer, angenehme und kultivierte
Konversation zu machen: das puppenhaft an¬
Elastizität und Anmut, die ihm eigentümlich ist. Der Abend war
mutige Fräulein Kneidinger spielt sehr
überhaupt sehr sorgfältig vorbereitet und wohlgeraten. Im ersten
herzig die arme betrogene Gattin des Schau¬
Stück hatte Herr Walden seine Gattin, Frau Frieda Walden,
spielers Herbot: Hans Wengraf ist ein
zur Partnerin. Sie war vor Jahren die elegante jugendliche
frischer, natürlicher junger Schauspieler. Unter
Salondame der Josefstadt und bewährt sich jetzt im reiferen Fach
den übrigen Mitspielern seien noch Viktor
durch darstellerische Noblesse und Einfachheit. Die feine und an¬
Franz und Nora Herbert erwähnt. W. A.
mutige Begabung des Fräuleins Lola Kneidinger für das
Konversationsstück kommt immer deutlicher und angenehmer zur
Geltung, obwohl es für eine Darstellerin von auffallend schöner
Bühnenerscheinung nicht leicht ist, außerdem noch wirklich talen¬
tiert zu sein. Humorvoll charakteristisch der tüchtige Herr
Franz, Herr Wengraf trotz seiner Jugendlichkeit von be¬
merkenswert guter Haltung und Sicherheit, Fräulein Herbert
und die Herren Knabe, Karl und Mauth mit Eifer bei
der Sache. Der trotz seiner dreistündigen Länge und stellenweisen
Breite interessante Schnitzler=Abend fand viel Beifall. Die
Renaissancebühne hat bisher vergebens nach einem Sensations¬
stück gesucht, und wer weiß, ob nicht gerade die ernste Literatur
diese Sensation ist. In so unwahrscheinlichen Theaterzeiten wie den
heutigen ist alles möglich.
L. Ifd.
— Im Onerntheater kammt Mittmach das 17#