II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 365

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26. 1. Kongedie der Norte—Zyklus
dich. Du brauchst es nicht, und niemand erwartet es von dir.
Menschen gedacht, die einander und sich selbst betrügen. Aber für
Auf jeden Fall wird dich die Erfahrung lehren, daß du es besser
Bassermann ist der Schauspieler, der im Leben Theater spielen muß,
nicht benutzt. Wenn du es aber doch versuchst, wird dir folgendes
um sich aus der Klemme des ertappten Don Juans herauszuschwin¬
passieren: Du winkst dir einen Kellner heran und sagst zu ihm
deln, nichts als der große verwöhnte Junge. Sein Komödiant ist
langsam und jede Silbe betonend, damit er es auch, falls er kein
unwiderstehlich, weil er sich seiner unverfälschten Natur hingibt, und
seingebildele Mensch ist, versteht: „Bringez moi de la soupe, do
er reißt hin, weil diese Natur sich als reine Liebenswürdigkeit de¬
la fish, des oeufs avec de jambon, roast beef et de la fromage
maskiert. Wer sich vom Zauber einer lachenden Stunde erfrischen
gratéo.“
lassen will, der mag zusehen, wie Bassermann seinem Nebenbuhler
Und er antwortet dir: „Yes, Sir, soup, fish, ham and eggs,
die große Szene vorspielt, und wie er, jauchzend über die eigene
ronst beof and welsh rare bits.“ Der Kellner ist in Illinois
Lebenskraft, den Groll seiner Frau entwaffnet. Man sollte mit
aufgewachsen.
diesem Einakter den Abend ausklingen lassen. Vor allem aber sollte
Oder du fragst einen auf der Straße: „Musshoo, s’il vous plait,
man nicht subalterne Hilfskräfte, etwa in der unverkennbaren
which is la direction pour aller à le Palais Royal?“ Und er
Brahm=Rolle des Theaterdirektors, zum Partner des Gastes Albert
erwidert darauf: „Well, I tell you, I am something of a stran¬
Bassermann bestellen, bessen unermüdete Elastizität ein Natur¬
ger here myself.“ Man braucht sich dann nicht zu überlegen, ob
wunder, dessen unverdorbene Kunst einen Triumph der Selbstzucht
der Mann aus der Dordogne Inférieure oder aus Auvergne sur
bedeutet.
M. J.
les Puits ist, da er es doch nicht ist. Hinwiederum kann man auch
an einen richtigen Franzosen — denn solche gibt es sogar auch in Paris!
Bronnens „Anarchie“ im Renaissance=Theater. Die
„Junge Bühne“ hat kürzlich in einer Sonntagvormittagsvor¬
— geraten. Als ich mich einmal nicht zurecht finden konnte, fragte
ich einen: „Musshoo, s’il vous plait, which is la direction pour
stellung Arnolt Bronnens Schauspiel „Anarchie in Sil¬
aller à Thomas Cook and Son?“ „B'n m’su lvla'n fssé n'esé
lian“ zuerst den Berlinern zu Gesicht gebracht. Sie hat sich da¬
pas.“ Ich sagte darauf: „Herzlichen Dank, das habe ich mir schon
mit das Verdienst einer Aufführung erworben, auf die der Dichter
des „Vatermords“ Anspruch hatte. Sie hat ihm die Ermutigung
fast selbst gedacht.“ Aber eigentlich hatte ich nicht ganz verstanden,
was er gesagt hatte.
zu neuem Schaffen und die Möglichkeit der Selbstkritik gegeben.
Wie man auch über das Werk selbst denken mag, als Zeugnis einer
Seitdem habe ich es mir zur Regel gemacht, nur noch in
Amerika Französisch zu sprechen.
neuen dramatischen Ausdrucksform hat es immerhin Bedeutung
(Berechtigte Uebertragung von E. L. Schiffer=Williams.)
genug, um das Interesse größerer Kreise zu erregen. Damit ist
die Uebernahme in den Spielplan des Renaissance=Thea¬
Bassermann in der „Komödie der Worte“. Dem Gast
ters gerechtfertigt. Außer Twardowski, der die doppelt
Albert Bassermann zu Ehren sind in den Kammerspielen
schwere Aufgabe hat, mit der zentralen Figur des Dramas sich
auseinanderzusetzen — doppelt schwer, weil sie seine jungen Kräfte
Arthur Schnitzlers Einakter „Komödie der Worte“ neu
überstiege, auch wenn sie klaren, eindeutigen, überzeugenden Um¬
einstudiert worden, die Berlin im Kriege kennen gelernt hat.
riß aus der dramatischen Bewegung gewönne —, hat Walter
Diesen Abend läßt Bassermann köstlich werden, in heftiger Gegen¬
Franck die von ihm gespielte Rolle behalten und ist jetzt freilich
wehr gegen seinen Dichter. Denn die n beiden Dramen des
der einzige, der der Aufführung Kraft, Gliederung, Farbe gibt.
Zyklus sind nur noch schwer zu ertragen. Nicht weil Schnitzlers
Sonja Bogs, die an die Stelle von Maria Eis getreten ist,
Schwermut allmählich bitter geworden ist, sondern weil seine Bitter¬
fesselt, solange sie auf den Spuren ihrer Vorgängerin wandelt.
keit spielerisch geblieben ist. Drei Ehemänner spelt Bassermann. In
Später, besonders wenn sie aus der Skala der passiven Töne zu
der „Stunde des Erkennens“ unterliegt der Gatte, der
aktiver Aktion vordringen muß (in den Liebesszenen), hat sie wenig
zehn Jahre zu spät Abrechnung mit seiner Ungetreuen hält, gerade
anderes als Theatergesten und Theaterschreie zur Verfügung.
während er als Triumphator seine Rache genießt, im „Bacchus¬
Liane Mehnert, als die Stenotypistin, setzt diskrete, wenn
fest“ siegt der Ehemann durch sein bloßes Erscheinen über den
schon etwas farblose Routine ein, ohne der Aufführung zu nützen
Laffen, mit dem seine Frau durchbrennen will. Beide Male aber
oder zu schaden.
sind die Menschen weder durch Liebe noch durch Ehe miteinander
A. M.
verbunden, sondern in Wahrheit nur durch Worte, durch ein Spiel
Eine Huldigung für Richard Strauß. Aus Wien drahtet
des Geistes, der sich in Probleme des Herzens eindrängt. Denn
unser Redaktionsbüro: Die Feier des sechzigsten Geburts¬
den Autor treibt sichtlich nicht Liebe zu seinen Menschen, die im
tages von Richard Strauß wurde gestern abend durch einen
Grunde alle gleichmäßig seine Ironie reizen, sondern nur Liebelei.
geheimnisvoll vorbereiteten Fackelzug des Schubert¬
In de rKomödie der „Großen Szene“ aber lösen sich Bitter¬
bundes eingeleitet, der den Komponisten in seiner in der
keit und Spielerei, Liebe und Liebelei in Humor auf, wenn Albert
Mozartgasse gelegenen Wohnung überraschte. Es sammelte sich
schnell eine große Menschenmenge an, als das Hornquartett des
Bassermann den dritten Ehemann, den berühmten Theaterhelden,
Wiener Sinsonieorchesters. von Chormeister Keldorser mit
darstellt. Seine Komödie der Worte ist als eine Tragikomödie der I einem elektrisch leuchtenden Taktstock dirigiert, ein Präludium
Murul Ac#as 2.#. 2#.