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26.1. Kondedieder-orie—Zyklus
heces seracerabaden
G
1
onöstres osvrechts #rruNos Ausseawirr-aUao
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Bearbeitet die deutsche und ausländische Presse auch auf Inserate.
Lisfert Listen über geplante Bauten aller Art. Geschäftseröffnungen.
Festlichkeiten usw.
Berliner Volkszeitung
Morgenausgabe — Berlin SU! 100—.
Auaschnitt aus der Nummer vom?
3 - MAl12
M unnmimnse
Bassermann
„Komödie der Worte“ in deß Kammerspielen
Der große Bassermann setzt sein Gistspiel in der Schumann¬
straße fort, aber nicht mit den angekündigten Novitäten; es werden
weiter altbekannte mimische Schlager herausgesucht und schnell für
den Gast zurechtgemacht. Wie das in kleineren Provinzorten so
Brauch ist! — Diesmal wurden die drei Einakter von Schnitzler
herausgesucht, die den Gesamttitel „Komödie der Worte“
führen. In dem mittleren (und besten) dieser Akte hatte Bassermann
einen Applaus'so stark, und vor allen Dingen so unmittelbar und
echt, wie es in dis ganzen Winter in Berlin noch keinen gegeben
hat. Und mit Recht. Er spielt einen großen Komödianten von
vollkommener, von hinreißender, von unwiderstehlicher Berufsver¬
logenheit. „Große Szene": Er hat dem Wahrheit verlangenden
Bräutigam des jungen Mädchens, das er ausgiebig besessen hat, einen
platonischen Roman zu erzählen. — Wie Bassermann da drei Schich¬
ten von Komödianterei übereinander zeigt: das bewußte, vollendete
und doch in jedem Ton, in jeder Geste um einen Grad zu starke, zu
unterstrichene Spiel des Komödianten — die unwillkürliche komö¬
diantische Grundnatur der Figur — und drittens Albert Basser¬
manns eigenes, hinreißendes Schauspielertemperament, das diesen
Widerwart schließlich noch unschuldig und unwiderstehlich liebens¬
würdig erscheinen läßt — das ist schon eine Leistung aller — aber
auch allerersten Ranges und jedes Beifalles würdig!
Das erste Stück „Stunde des Erkennens“ ist eine psycho¬
logische Ehetüftelei von jener Art, die vor lauter Klugheit schlie߬
lich sandumm wird. Um die Sache von allen Seiten zu zeigen, wird
sie so lange rundherum gedreht, bis su kaputt geht. Und beinahe
wird diese Massenhaftigkeit von psychologischem Tiefsinn so komisch,
wie in den Schauerfilms die Masse von traurigen Unglücksfällen.
Aber Bassermann spielt da einen Bürger, eine äußerlich gut ge¬
haltene, innerlich verdrückte und verstockte Existenz, einen Menschen,
der sich zehn Jahre lang die brutale Rache an seiner Frau aufge¬
hoben hat und nun explodiert. Und im dritten Stück „Das
Bacchusfest“ spielt Bassermann einen Schriftsteller, einen Mann
von geistigem Rang, der seinen erotischen Gegner, der schon durch¬
aus im Vorteil ist, nur kraft innerer Ueberlegenheit glatt auf den
Sand setzt. Und Bassermann war, wie vorher der dumpf verstockte
Bürger, so hier in Maske und Tonfall und jeglicher Gebärde der
geistig freie und starke Meusch. Auch das will freilich artistisch
box 32/6
B
gemacht sein — aber machen kann es eben nur der, der es inner¬
lich ist, und dieser Bassermann ist eben ein freier und starker, ein
innerlich greßer Mensch.
So underingt erfreulich, ja so restkos beglückend der Genuß
dieses größten deutschen Schauspielers ist, so problematisch bleibt
vom Gesichtspunkt der gesamten Berliner Theaterkultur dieser
Saisonschluß mit den improvisierten Gastiervorstellungen. Auf dieser
Bühne, auf der einstmals das Ensemble Brahms und dann auch
Reinhardts gestanden hat, trifft man jetzt an jedem Abend beinahe
neue Gesichter an. Den Theaterdirektor im zweiten Stück, der
gar sehr nach dem Vorbild eben dieses Otto Brahm gearbeitet
scheint, spielte Siegmund Nunberg — nicht ganz so bewegt
und gelöst in seiner den äußeren Zynismus durchscheinenden Seelen¬
haftigkeit, wie die schöne Figur es ermöglicht. Dagegen ist Paul
Bildt für Schnitzlersche Melancholiker ein ausgezeichneter Sprecher,
Martin Gien hatte für den betrogenen guten Jungen den Ton
schmerzhafter Leidenschaft, die durch äußere Korrektheit bricht, und
Werner Hollmann gab den korrekten Bürger, den der Schrift¬
steller im dritten Stück matt setzt, fast allzu kleinbürgerlich. Von
den Damen hat im ersten Stück Julie Serda lange Zeit mit
etwas altmodischen Theatertönen zu kämpfen und wurde erst zum
Schluß einfach und stark. Im zweiten war Else Bassermann
als die Frau des großen Mimen angenehm einfach und liebens¬
würdig, aber wiederum dem ernsthaften Ausbruch des Schlusses
nicht ganz gewachsen. Am besten hielt sich Bassermanns Partnerin
im dritten Stück, Anni Mewes, die geradezu eine Spezialistin
zu werden scheint für dumme kleine Weibchen, in denen doch ein
Menschenherz sich bewegt (und um Dummheit gut zu spielen, muß
man bekanntlich besonders klug sein!). Im einzelnen stand also
neben dem großen Gast manches durchaus Annehmbare. Aber der
Gesamteindruck dieser improvisierten, unausgeschliffenen und außer
dem Gastspielzweck überflüssigen Vorstellung wurde dadurch nicht
behoben. Man muß sich den größten schauspielerischen Genuß des
Winters mit einem theaterkulturellen Schmerz erkaufen.
Julius Bab.
26.1. Kondedieder-orie—Zyklus
heces seracerabaden
G
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onöstres osvrechts #rruNos Ausseawirr-aUao
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Bearbeitet die deutsche und ausländische Presse auch auf Inserate.
Lisfert Listen über geplante Bauten aller Art. Geschäftseröffnungen.
Festlichkeiten usw.
Berliner Volkszeitung
Morgenausgabe — Berlin SU! 100—.
Auaschnitt aus der Nummer vom?
3 - MAl12
M unnmimnse
Bassermann
„Komödie der Worte“ in deß Kammerspielen
Der große Bassermann setzt sein Gistspiel in der Schumann¬
straße fort, aber nicht mit den angekündigten Novitäten; es werden
weiter altbekannte mimische Schlager herausgesucht und schnell für
den Gast zurechtgemacht. Wie das in kleineren Provinzorten so
Brauch ist! — Diesmal wurden die drei Einakter von Schnitzler
herausgesucht, die den Gesamttitel „Komödie der Worte“
führen. In dem mittleren (und besten) dieser Akte hatte Bassermann
einen Applaus'so stark, und vor allen Dingen so unmittelbar und
echt, wie es in dis ganzen Winter in Berlin noch keinen gegeben
hat. Und mit Recht. Er spielt einen großen Komödianten von
vollkommener, von hinreißender, von unwiderstehlicher Berufsver¬
logenheit. „Große Szene": Er hat dem Wahrheit verlangenden
Bräutigam des jungen Mädchens, das er ausgiebig besessen hat, einen
platonischen Roman zu erzählen. — Wie Bassermann da drei Schich¬
ten von Komödianterei übereinander zeigt: das bewußte, vollendete
und doch in jedem Ton, in jeder Geste um einen Grad zu starke, zu
unterstrichene Spiel des Komödianten — die unwillkürliche komö¬
diantische Grundnatur der Figur — und drittens Albert Basser¬
manns eigenes, hinreißendes Schauspielertemperament, das diesen
Widerwart schließlich noch unschuldig und unwiderstehlich liebens¬
würdig erscheinen läßt — das ist schon eine Leistung aller — aber
auch allerersten Ranges und jedes Beifalles würdig!
Das erste Stück „Stunde des Erkennens“ ist eine psycho¬
logische Ehetüftelei von jener Art, die vor lauter Klugheit schlie߬
lich sandumm wird. Um die Sache von allen Seiten zu zeigen, wird
sie so lange rundherum gedreht, bis su kaputt geht. Und beinahe
wird diese Massenhaftigkeit von psychologischem Tiefsinn so komisch,
wie in den Schauerfilms die Masse von traurigen Unglücksfällen.
Aber Bassermann spielt da einen Bürger, eine äußerlich gut ge¬
haltene, innerlich verdrückte und verstockte Existenz, einen Menschen,
der sich zehn Jahre lang die brutale Rache an seiner Frau aufge¬
hoben hat und nun explodiert. Und im dritten Stück „Das
Bacchusfest“ spielt Bassermann einen Schriftsteller, einen Mann
von geistigem Rang, der seinen erotischen Gegner, der schon durch¬
aus im Vorteil ist, nur kraft innerer Ueberlegenheit glatt auf den
Sand setzt. Und Bassermann war, wie vorher der dumpf verstockte
Bürger, so hier in Maske und Tonfall und jeglicher Gebärde der
geistig freie und starke Meusch. Auch das will freilich artistisch
box 32/6
B
gemacht sein — aber machen kann es eben nur der, der es inner¬
lich ist, und dieser Bassermann ist eben ein freier und starker, ein
innerlich greßer Mensch.
So underingt erfreulich, ja so restkos beglückend der Genuß
dieses größten deutschen Schauspielers ist, so problematisch bleibt
vom Gesichtspunkt der gesamten Berliner Theaterkultur dieser
Saisonschluß mit den improvisierten Gastiervorstellungen. Auf dieser
Bühne, auf der einstmals das Ensemble Brahms und dann auch
Reinhardts gestanden hat, trifft man jetzt an jedem Abend beinahe
neue Gesichter an. Den Theaterdirektor im zweiten Stück, der
gar sehr nach dem Vorbild eben dieses Otto Brahm gearbeitet
scheint, spielte Siegmund Nunberg — nicht ganz so bewegt
und gelöst in seiner den äußeren Zynismus durchscheinenden Seelen¬
haftigkeit, wie die schöne Figur es ermöglicht. Dagegen ist Paul
Bildt für Schnitzlersche Melancholiker ein ausgezeichneter Sprecher,
Martin Gien hatte für den betrogenen guten Jungen den Ton
schmerzhafter Leidenschaft, die durch äußere Korrektheit bricht, und
Werner Hollmann gab den korrekten Bürger, den der Schrift¬
steller im dritten Stück matt setzt, fast allzu kleinbürgerlich. Von
den Damen hat im ersten Stück Julie Serda lange Zeit mit
etwas altmodischen Theatertönen zu kämpfen und wurde erst zum
Schluß einfach und stark. Im zweiten war Else Bassermann
als die Frau des großen Mimen angenehm einfach und liebens¬
würdig, aber wiederum dem ernsthaften Ausbruch des Schlusses
nicht ganz gewachsen. Am besten hielt sich Bassermanns Partnerin
im dritten Stück, Anni Mewes, die geradezu eine Spezialistin
zu werden scheint für dumme kleine Weibchen, in denen doch ein
Menschenherz sich bewegt (und um Dummheit gut zu spielen, muß
man bekanntlich besonders klug sein!). Im einzelnen stand also
neben dem großen Gast manches durchaus Annehmbare. Aber der
Gesamteindruck dieser improvisierten, unausgeschliffenen und außer
dem Gastspielzweck überflüssigen Vorstellung wurde dadurch nicht
behoben. Man muß sich den größten schauspielerischen Genuß des
Winters mit einem theaterkulturellen Schmerz erkaufen.
Julius Bab.