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26.1. Konoedie der orte Zyklus
eergpreter
„OBSERVER“
I. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien I. Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
Wiener Jenrasl. Wien
ange
Ausschnitt aus:
Schnitzler=Reprise im Akademie¬
theater.
„Komödie der Worte“ in neuer Inszenierung.
Von
Rudolph Lothar.
„Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken
zu verbergen“, hat Talleyrand gesagt. Der Gedanke ist nicht neu.
Voltaire sagt ähnliches und schon Plutarch nennt die Worte die
Schleier der Gedanken. Bei Schnitzler sind die Worte die Masken
der Gedanken. Die Worte täuschen, die Worte lügen, die Worte
spielen Komödie. Das Problem der Wahrheit, oder besser gesagt,
der Wahrheitsergründung, hat Schnitzler immer beschäftigt. Um die
Pilatus=Frage: Was ist Wahrheit? kreist sein dichterisches Denken
und er kommt dabei zu dem schwermütigen, resignierten Schluß:
„Es fließen ineinander Traum und Wachen, Wahrheit und Lüge.
Sicherheit ist nirgends. Wir wissen nichts von anderen, nichts von
uns; wir spielen immer, wer es weiß, ist klug“ („Paracelsus“),
Das Leben ist ein ewiges Komödienspiel, dessen Handwerkzeug eben
die Worte sind. Es gibt keine Welterkenntnis und keine Menschen¬
erkenntnis durch die Sprache, haben die Philosophen gelehrt.
Und Fritz Mauthner hat ein dreibändiges Werk über diesen Satz
geschrieben.
Die drei Einakter, die Schnitzler unter dem Titel „Komödie
[der Worte“ zusammengefaßt hat, sind drei Maskenspiele aus
dem Alltag. Am klarsten kommt die Grundtendenz in dem wirkungs¬
vollsten und besten der drei Stücke, in der „Großen Szene“, zutage,
wo der Schauspieler Konrad Herbot, dem Josef Kainz Modell
gesessen ist, sich an seinen eigenen Worten so berauscht, daß er am
Schluß selbst glaubt, er habe die reine Wahrheit gesprochen; und
es war doch nur Lüge und Komödianterei, ein Feuerwerk der Rede,
um den Bräutigam einer flüchtigen Geliebten, der die Wahrheit
von ihm fordert, zu bluffen. Was ihm denn auch glänzend gelingt.
Freilich verliert er dank seiner Bravourleistung fast die Liebe seiner
Frau, die just wegen dieser Liebelei ihm davonlief und nun eben
wieder nach Hause gekommen ist. Er ist aber ein so großer
Schauspieler, daß er auch seine Frau fasziniert. Sie wird ihm in
Zukunft wohl stets manches zu verzeihen haben und doch immer
zu ihm zurückkehren, denn die menschlichen Beziehungen sind
wichtiger als die kleinen erotischen Bindungen, die von den Menschen
viel zu schwer genommen werden. Das ist der zweite Grundgedanke
der drei Einakter.
Fast auf den Tag vor zwanzig Jahren (am 12. Oktober
1915) ist die „Komödie der Worte“ am Burgtheater zum
erstenmal gegeben worden. Mit Harry Walden in der dreifachen
Hauptrolle, die sich jetzt in den Händen von Ewald Balser
befindet. Balser gibt den merkwürdigen Dr. Eckold im ersten
Stück („Stunde des Erkennens“) als sehr interessante Charakter¬
studie. Dieser raffinierte „Rächer seiner Ehre“ ist ein Mensch
voll Neid und Mißgunst, aber seine Bösartigkeit wird durch ein
loderndes Temperament erklärt. Temperament ist für Balser die
Grundlage aller drei Gestalten. Sein berühmter Mime im
zweiten Stück ist ein Vulkan des Temperaments. Balser springt
keck mit vehementer komödiantischer Lust in die Uebertreibung,
aber so parodistisch und karikiert er sich auch gibt, diese Figur
hat Schmiß und hinreißende Macht über die Zuschauer. Im
dritten Stück (dem „Bacchusfest") verbirgt Balser sein
[Temperament hinter Ruhe und Ueberlegenheit, aber gerade g
dieles gebändigtg T#
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26.1. Konoedie der orte Zyklus
eergpreter
„OBSERVER“
I. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien I. Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
Wiener Jenrasl. Wien
ange
Ausschnitt aus:
Schnitzler=Reprise im Akademie¬
theater.
„Komödie der Worte“ in neuer Inszenierung.
Von
Rudolph Lothar.
„Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken
zu verbergen“, hat Talleyrand gesagt. Der Gedanke ist nicht neu.
Voltaire sagt ähnliches und schon Plutarch nennt die Worte die
Schleier der Gedanken. Bei Schnitzler sind die Worte die Masken
der Gedanken. Die Worte täuschen, die Worte lügen, die Worte
spielen Komödie. Das Problem der Wahrheit, oder besser gesagt,
der Wahrheitsergründung, hat Schnitzler immer beschäftigt. Um die
Pilatus=Frage: Was ist Wahrheit? kreist sein dichterisches Denken
und er kommt dabei zu dem schwermütigen, resignierten Schluß:
„Es fließen ineinander Traum und Wachen, Wahrheit und Lüge.
Sicherheit ist nirgends. Wir wissen nichts von anderen, nichts von
uns; wir spielen immer, wer es weiß, ist klug“ („Paracelsus“),
Das Leben ist ein ewiges Komödienspiel, dessen Handwerkzeug eben
die Worte sind. Es gibt keine Welterkenntnis und keine Menschen¬
erkenntnis durch die Sprache, haben die Philosophen gelehrt.
Und Fritz Mauthner hat ein dreibändiges Werk über diesen Satz
geschrieben.
Die drei Einakter, die Schnitzler unter dem Titel „Komödie
[der Worte“ zusammengefaßt hat, sind drei Maskenspiele aus
dem Alltag. Am klarsten kommt die Grundtendenz in dem wirkungs¬
vollsten und besten der drei Stücke, in der „Großen Szene“, zutage,
wo der Schauspieler Konrad Herbot, dem Josef Kainz Modell
gesessen ist, sich an seinen eigenen Worten so berauscht, daß er am
Schluß selbst glaubt, er habe die reine Wahrheit gesprochen; und
es war doch nur Lüge und Komödianterei, ein Feuerwerk der Rede,
um den Bräutigam einer flüchtigen Geliebten, der die Wahrheit
von ihm fordert, zu bluffen. Was ihm denn auch glänzend gelingt.
Freilich verliert er dank seiner Bravourleistung fast die Liebe seiner
Frau, die just wegen dieser Liebelei ihm davonlief und nun eben
wieder nach Hause gekommen ist. Er ist aber ein so großer
Schauspieler, daß er auch seine Frau fasziniert. Sie wird ihm in
Zukunft wohl stets manches zu verzeihen haben und doch immer
zu ihm zurückkehren, denn die menschlichen Beziehungen sind
wichtiger als die kleinen erotischen Bindungen, die von den Menschen
viel zu schwer genommen werden. Das ist der zweite Grundgedanke
der drei Einakter.
Fast auf den Tag vor zwanzig Jahren (am 12. Oktober
1915) ist die „Komödie der Worte“ am Burgtheater zum
erstenmal gegeben worden. Mit Harry Walden in der dreifachen
Hauptrolle, die sich jetzt in den Händen von Ewald Balser
befindet. Balser gibt den merkwürdigen Dr. Eckold im ersten
Stück („Stunde des Erkennens“) als sehr interessante Charakter¬
studie. Dieser raffinierte „Rächer seiner Ehre“ ist ein Mensch
voll Neid und Mißgunst, aber seine Bösartigkeit wird durch ein
loderndes Temperament erklärt. Temperament ist für Balser die
Grundlage aller drei Gestalten. Sein berühmter Mime im
zweiten Stück ist ein Vulkan des Temperaments. Balser springt
keck mit vehementer komödiantischer Lust in die Uebertreibung,
aber so parodistisch und karikiert er sich auch gibt, diese Figur
hat Schmiß und hinreißende Macht über die Zuschauer. Im
dritten Stück (dem „Bacchusfest") verbirgt Balser sein
[Temperament hinter Ruhe und Ueberlegenheit, aber gerade g
dieles gebändigtg T#