II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 454

spielerisch schmerzlich erinnern kann.
Das alles wirkt heute noch nach zwanzig
Jahren, da die jungen Schnitzler-Männer
und-Frauen, die dem Dichter geistig Modell
gestanden sind, ältere Herren geworden, die
verschiedentlichen Klaras, Annies und So¬
phies weißgraue Haare tragen.
Das alles wirkt heute noch durch den
auber und die Kraft der Schnitzlerischen
Dialektik, die sich in kleinen einaktigen
Stücken mit dem Dasein von zwei, drei oder
am liebsten vier Menschen beschäftigt, die
Verwirrungen löst oder Seelen noch mehr
durcheinandertreibt, wag vor Jahren geschah
oder beinahe geschehen wäre, im holden!
Licht eines guten Gedächtnisses verklärt,
Maschen der Lügennetze lockert, um sie
dann dichter zu schließen, Wahrheit mit
liebenswürdigem Trug schier unentwirrbar
verknüpft, Arzte, Schauspieler, Schriftstel¬
ler aus ihrer bourgoisen Ruhe aufstöbert,
zum Thema Liebe aufruft, sie auf gleich
bringt oder auch endgültig entzweit.
Das stärkste Thema trägt in diesem
Zyklus wortreicher, aber auch wortwirken¬
der Komödien die „Große Szene“ eine
Schauspielerstudie, in der echt Schnitz¬
lerisch Theater und Leben ineinander ver¬
strickt, sich gegeneinander ausspielen. Das
Leben behält Recht, aber das Theater hat
seine Wirkung getan, die große Szene, die
der Schauspieler Konrad Herbot zum Besten
gibt, überzeugt in ihrer Bravour beinahe die
eigene Frau, die in den Lügen ihres Mannes
wunderbar Bescheid weiß. Er lügt sich dem
Bräutigam eines jungen Mädchens gegen¬
über frei und der junge Mann ist von solch
virtuosem Spiel der Lüge hingerissen, be¬
reit, alles zu glauben. Der große Schau¬
spieler findet seine Frau nach jeder Lüge
mit einem kleinen Mädchen wieder, denn sie
ist die bleibende, hausbackene und Ordnung
haltende Wahrheit seines Lebens. Das hat
auch gestern wieder den neuen Erfolg der
„Großen Szene“ besiegelt.
Ewald Balser spielt die drei Ehemänner,
die alle geistiger Art sind, geistig in ihrem
Beruf, alle drei Nervenmenschen und alle
drei Menschen, die, irgendwie mit Wien ver¬
bunden, wienerisch im Wandel ihrer Stim¬
mungen sind. Ewald Balser spielt sie wis!
er sie sieht. Aber man merkt, daß er diese
Art Menschen nicht kennt, er rekonstruiert
sie glänzend aus Schnitzlers Studium eines
eifrigen und Zusammenhänge erkennenden
Schauspielers, er geht auf den Grund der
Lebewesen, die er darstellt aber zum
Lipinskala-Imhoff -Heesters
Schnitzler-Spielen gehört atmosphärische
Verbundenheit mit Stadt, Landschaft, Ver¬
gangenheit. Uberraschend, wie sich Ewald
Balser in dieser fremden Welt zurecht fin¬
det, sein Doktor Eckold in der „Stunde des!
Erkennens“ ist ein Arzt, ein Pedant, ein
gestrengen Forderer dem man die späte
Abrechnung und die Unerbittlichkeit der!
Debatte glaubt. Es fehlt ihm bloß das hand¬
liche, gleichsam wienerische Pathos, das
solche böse Emsthaftigkeit letzten Endes
noch verbindlich macht. Dafür hat er die
Leuchtende Suada der Großen Szene“ er
spielt den Schauspieler der Lüge mit stark
karikaturistischen Momenten, denn Balser
ist im Grunde ein Schauspieler der Treue
und Wahrheit. Wenn er lügt, dann ergibt
es natürlich eine schauspielerische, eine
komödiantische Leistung, eine witzige, bei¬
nahe groteske Szene, die Balser glänzend
erledigt. Und als Schriftsteller Staufner fin¬
det er dann am Schluß schöne, menschlich
gelöste Töne.
In diesem Stück spielt Hilde Wagener des
Schriftstellers Frau, die am Bahnhof steht,
um ihrem Mann für immer Adieu zu sagen.
Sie spielt reizend die augenblickliche Bin¬
dung einer Frau, die eben nicht viel mehr
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Ausschnitt aus:
77 08
(Akademietheater.) Seit 16 Jahren hat man
die drei Einakter „Komödie der Worte“
von Artur Schnitzler in Wien nicht mehr
gehört, es wird aber im Publikum noch viele
geben, die sich mit Freude an die starke Wirkung
erinnern, die der große Künstler Harry
Walden einst im Burgtheater in den Haupt¬
rollen dieser feinsinnigen und geistreichen Kurz¬
stücke hervorzauberte. Vielleicht stimmt heute
nicht mehr alles so, wie Schnitzler Probleme und
Konflikte gesehen hat. Das kann aber nur im
Aeußerlichen gelten, in der Menschenseele wohnen
immer die gleichen Gefühle und man spielt sich
heute so wie ehedem mit Worten eine große
Lebenskomödie vor. Unter Franz Herterichs
Regie ehrte das Akademietheater in einer
prächtigen Vorstellung Schnitzlers Andenken.
Ewald Balser bot eine bewundernswerte
Leistung, gleich stark in Empfindung und Ver¬
wandlungskunst. Auguste Pünkösdy, Maria
Mayen und Hilde Wagener spielen in den
drei Stücken die drei Frauen, verschiedene Seelen
und Schicksale, doch jede blutvoll in ihrer Eigen¬
art. Franz Höbling, Philipp Zeska und
Ulrich Bettac sind die Rivalen des Helden,
Wilhelm Schmidt gibt die köstliche Type eines
Theaterdirektors und Richard Eybner einen
wundervollen gemütlichen Bahnhofsportier. Das
Publikum ließ sich gerne mitführen und dankte
durch starken Beifall für die Erinnerung an die
Schnitzlerzeit.