——
er sie las. Die Zuschauer, die vor der Premiere bereits die drei
Einakter gelesen hatten, durften zu ihrem Vergnügen konstatieren,
daß einige Bemerkungen, bei denen sich der Dichter gewiß nicht
das Tiesste gedacht hatte, weggeblieben waren Dies geschah im
nittleren der drei Stücke, das „Große Szene“ heißt. Da berichtet
der Theaterdirektor dem von allen Erfolgen umschmeichelten be¬
rühmten Schauspieler Herbot, daß der deutsche Kronprinz der
„Hamlet"=Vorstellung beiwohnen werde.
Der Schauspieler fragt echt berlinerisch:
„Mit Jemahlin?“
Das ist doch gewiß sehr harmlos, aber in der Premiere
wurde die „Jemahlin“ ausgetilgt und Herr Walden durfte bloß
fragen: „Mit Familie?“
Und gleich darauf heißt es im Text: „Da könnte meinet¬
wegen S M. selber drinnen sein oder der liebe Herrgott.“ Bei
der Premiere mußte aber für „S. M.“ der unserer Ausdrucks¬
weise gewiß näherstehende — „Kaiser von China“ genannt
werden und der liebe Herrgott wurde ganz gestrichen. Die
Steigerung der Empfindlichkeiten bei der Zensur ist also ungemein
fein und verdient aufgezeichnet zu werden Der Kronprinz darf
ohne weiteres genannt werden, die Kronprinzessin=Gemahlin aber
nicht mehr, und dafür muß ein Begriff kommen der auch die
Kronprinzessin in sich schließt „S. M.“, wie man Kaiser Wilhelm
überall in Deutschland offiziell bezeichnet, darf auf der Bühne
des Burgtheaters auch nicht durch einen Begriff ersetzt werden,
der an ihn erinnern könnte, und für den lieben Herrgott selber
gibt es natürlich überhaupt keinen Ersatz.
Herr Rickelt spukt jetzt in Wien herum Herr Rickelt ist der
jetzige Präsident der Deutschen Bühnengenossenschaft und hat seit
den unerquicklichen Kämpfen, die zwischen Direktoren und Mit¬
gliedern eine Zeitlang tobten und nun eine viel friedlichere Wendung
genommen haben, alle Hände voll zu tun Er spielt bald da, bald
dort die Rolle eines ehrlichen Maklers, und wenn die Schauspieler
von irgendwelchen Schmerzen geplagt werden, rusen sie Herrn
Rickelt herbei Bis nach Wien hatte ihn sein Weg bisher nie geführt,
zumal man hier nicht gewöhnt ist, sich aus Berlin Hilfe zu ver¬
schreiben, wenn es Beschwerden und Wünsche auszutragen gilt. Das
pflegt man schon in eigener Regie zu besorgen. Mit diesem
Brauch ist nun jüngst gebrochen worden und einigen Mitgliedern
des Deutschen Volkstheaters blieb es vorbehalten, sich aus Berlin
Herrn Rickelt als Anwalt zu verschreiben Als jene bekannten
Differenzen kürzlich zwischen den Schauspielern und Herrn Weisse
wegen der Kriegsgagen entstanden und damit endeten, daß der
Theaterverein auf den Pachtzins verzichtete, damit der Direktor
in die Lage käme, die vollen Friedensgagen zu garantieren
Herr Rickelt drit gend
herbeitelegraphiert.
da wurde
Der wohlbeleibte Herr erschien und intervenierte beim
nobel und vor allem
Dieser war
Theaterverein
so einsichtig, das Interesse des Theaters höher zu stellen als alle
Separattendenzen Das Erscheinen des Präsidenten der Bühnen¬
genossenschaft war nicht ohne Absicht provoziert worden; die
offizielle deutsche Schau pieleroertretung sollte einen fühlbaren
Druck auf die Entschließungen Direktor Weisses und des Vereines
ausüben. Das ist natürlich gelungen, ohne daß man gerade be¬
haupten kann, daß dieses „scharfe Vorgehen“ die Billigung des
gesamten Schauspielerpersonals gefunden hat. Aber es waren ein
paar Unzufriedene, Mißvergnügte darunter, die in den gemein¬
samen Beratungen die scharfe Tonart vertraten. In diesen
Sitzungen der Schauspieler sind die Gegensätze heftig aufeinander¬
geplatzt; es kam zu den erregtesten Debauen, man schrie sich
untereinander an, brachte die unglaublichsten Dinge aufs Tapet,
kurzum, es war das Bild eines Schauspielerkonvents. Und da sich
die Herrschaften mit Wort verpflichteten, über alles, was da
gesprochen wurde, strengstes Geheimnis zu bewahren — was
war natürlicher, als daß man schon am nächsten Tag genau
erfahren konnte, was, worüber und wie geredet wurde ... Es
haben sich da einige Herrschaften manches geleistet, sogar
solche, die von heute auf morgen ihre Meinungen änderten. Ja,
einer hatte sogar die Geistesgegenwart, gleich einen neuen Direktor
zu kandidieren, falls Herr Weisse nicht die vollen Gagen bezahlen wolle.
Alle diese häßlichen kritischen Stimmungen waren natürlich zu
Ende, als dann die Gagenfrage so überraschend geregelt wurde.
Herr Rickelt konnte beruhigt nach Berlin abreisen, aber nun ist
er wieder in Wien gewesen. Der allezeit getreuen Opposition
scheint doch vor ihrem Sieg ein wenig bange geworden zu sein
und man möchte sich wohl ein bißchen sichern Worüber man jetzt
so eifrig mit Herrn Rickelt verhandelt, ist im Grunde nur
Privatsache jedes einzelnen. Er kennt aus Erfahrung
um nicht abwägen
die Schauspielerwelt zu genau,
zu können, was berechtigt und was unberechtigt ist.
Wenn es gegen die Direktoren geht, haben die Schauspieler
er sie las. Die Zuschauer, die vor der Premiere bereits die drei
Einakter gelesen hatten, durften zu ihrem Vergnügen konstatieren,
daß einige Bemerkungen, bei denen sich der Dichter gewiß nicht
das Tiesste gedacht hatte, weggeblieben waren Dies geschah im
nittleren der drei Stücke, das „Große Szene“ heißt. Da berichtet
der Theaterdirektor dem von allen Erfolgen umschmeichelten be¬
rühmten Schauspieler Herbot, daß der deutsche Kronprinz der
„Hamlet"=Vorstellung beiwohnen werde.
Der Schauspieler fragt echt berlinerisch:
„Mit Jemahlin?“
Das ist doch gewiß sehr harmlos, aber in der Premiere
wurde die „Jemahlin“ ausgetilgt und Herr Walden durfte bloß
fragen: „Mit Familie?“
Und gleich darauf heißt es im Text: „Da könnte meinet¬
wegen S M. selber drinnen sein oder der liebe Herrgott.“ Bei
der Premiere mußte aber für „S. M.“ der unserer Ausdrucks¬
weise gewiß näherstehende — „Kaiser von China“ genannt
werden und der liebe Herrgott wurde ganz gestrichen. Die
Steigerung der Empfindlichkeiten bei der Zensur ist also ungemein
fein und verdient aufgezeichnet zu werden Der Kronprinz darf
ohne weiteres genannt werden, die Kronprinzessin=Gemahlin aber
nicht mehr, und dafür muß ein Begriff kommen der auch die
Kronprinzessin in sich schließt „S. M.“, wie man Kaiser Wilhelm
überall in Deutschland offiziell bezeichnet, darf auf der Bühne
des Burgtheaters auch nicht durch einen Begriff ersetzt werden,
der an ihn erinnern könnte, und für den lieben Herrgott selber
gibt es natürlich überhaupt keinen Ersatz.
Herr Rickelt spukt jetzt in Wien herum Herr Rickelt ist der
jetzige Präsident der Deutschen Bühnengenossenschaft und hat seit
den unerquicklichen Kämpfen, die zwischen Direktoren und Mit¬
gliedern eine Zeitlang tobten und nun eine viel friedlichere Wendung
genommen haben, alle Hände voll zu tun Er spielt bald da, bald
dort die Rolle eines ehrlichen Maklers, und wenn die Schauspieler
von irgendwelchen Schmerzen geplagt werden, rusen sie Herrn
Rickelt herbei Bis nach Wien hatte ihn sein Weg bisher nie geführt,
zumal man hier nicht gewöhnt ist, sich aus Berlin Hilfe zu ver¬
schreiben, wenn es Beschwerden und Wünsche auszutragen gilt. Das
pflegt man schon in eigener Regie zu besorgen. Mit diesem
Brauch ist nun jüngst gebrochen worden und einigen Mitgliedern
des Deutschen Volkstheaters blieb es vorbehalten, sich aus Berlin
Herrn Rickelt als Anwalt zu verschreiben Als jene bekannten
Differenzen kürzlich zwischen den Schauspielern und Herrn Weisse
wegen der Kriegsgagen entstanden und damit endeten, daß der
Theaterverein auf den Pachtzins verzichtete, damit der Direktor
in die Lage käme, die vollen Friedensgagen zu garantieren
Herr Rickelt drit gend
herbeitelegraphiert.
da wurde
Der wohlbeleibte Herr erschien und intervenierte beim
nobel und vor allem
Dieser war
Theaterverein
so einsichtig, das Interesse des Theaters höher zu stellen als alle
Separattendenzen Das Erscheinen des Präsidenten der Bühnen¬
genossenschaft war nicht ohne Absicht provoziert worden; die
offizielle deutsche Schau pieleroertretung sollte einen fühlbaren
Druck auf die Entschließungen Direktor Weisses und des Vereines
ausüben. Das ist natürlich gelungen, ohne daß man gerade be¬
haupten kann, daß dieses „scharfe Vorgehen“ die Billigung des
gesamten Schauspielerpersonals gefunden hat. Aber es waren ein
paar Unzufriedene, Mißvergnügte darunter, die in den gemein¬
samen Beratungen die scharfe Tonart vertraten. In diesen
Sitzungen der Schauspieler sind die Gegensätze heftig aufeinander¬
geplatzt; es kam zu den erregtesten Debauen, man schrie sich
untereinander an, brachte die unglaublichsten Dinge aufs Tapet,
kurzum, es war das Bild eines Schauspielerkonvents. Und da sich
die Herrschaften mit Wort verpflichteten, über alles, was da
gesprochen wurde, strengstes Geheimnis zu bewahren — was
war natürlicher, als daß man schon am nächsten Tag genau
erfahren konnte, was, worüber und wie geredet wurde ... Es
haben sich da einige Herrschaften manches geleistet, sogar
solche, die von heute auf morgen ihre Meinungen änderten. Ja,
einer hatte sogar die Geistesgegenwart, gleich einen neuen Direktor
zu kandidieren, falls Herr Weisse nicht die vollen Gagen bezahlen wolle.
Alle diese häßlichen kritischen Stimmungen waren natürlich zu
Ende, als dann die Gagenfrage so überraschend geregelt wurde.
Herr Rickelt konnte beruhigt nach Berlin abreisen, aber nun ist
er wieder in Wien gewesen. Der allezeit getreuen Opposition
scheint doch vor ihrem Sieg ein wenig bange geworden zu sein
und man möchte sich wohl ein bißchen sichern Worüber man jetzt
so eifrig mit Herrn Rickelt verhandelt, ist im Grunde nur
Privatsache jedes einzelnen. Er kennt aus Erfahrung
um nicht abwägen
die Schauspielerwelt zu genau,
zu können, was berechtigt und was unberechtigt ist.
Wenn es gegen die Direktoren geht, haben die Schauspieler