II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 482

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26. 1. Kongedie der NorteZuklus
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Artur Schnitzlers drei Einakter unter dem Titel „Komödte stören können. Hätten
Kampf gegen den Theaterschund der Woned Anfführung auch in Köln vor sich geht.
blick lang darüber im
konnten bei ahrer Uraufführung im Darmstädter Hoftheater nur
## und Bühnenschmutz.#
einen mäßigen Achtungserfolg erzielen, der vielleicht auch mehr
uns auf dem rechten W
den Darstellern, als den Szenen des Wiener Dichters galt.
ten Blätterstimmen hätt
Die gewisse Wiener Presse versucht mit allen
Diese selbst sind im guten und schlechten Sinne kaum mehr als
wir in unserem gerech
Mitteln ihrer Leserschaft aufzuschwätzen, daß dieser Kampf
Literatur, Wiener Kaffeehausliteratur, die nirgends zu künst¬
sunden, tüchtigen Men
lerisch machtvoller Vertiefung gelangt und bei allen Ansätzen
nichts anderes sei, als halt wieder einmal so eine kleine
dingungslos auf unsere
psychologischer Durchdringung im letzten immer banal
„klerikale Hetze“. Damit wird sie wenig Glück haben. Es
bleibt.
zeigt sich allzu deutlich, daß dieser Kampf eine Sache
Burgfriede
Im Vergleiche mit diesen Zeitungsstimmen ist die
aller reinlich denkenden, aller anständigen Menschen ist,
Aus Berlin wich
„Kölnische Volkszeitung“ eigentlich zurück¬
aller Menschen, die das Theater lieben und es nicht zum
haltend genug, wenn sie sagt:
Zeitung“ gemeldet:
Schauplatz wüster crotischer Ausschreitungen werden
Allerdings ist zuzugeben, daß es Schnitzler versteht, einen
Der Mainzer
kassen möchten. Es zeigt sich, daß anderswo auch die
Dialog zu bauen, daß er alles sagen kann, ohne direkt unan¬
hat die Aufführ
durchaus nicht „klerikale“ Presse diesen Kampf mutig
ständig zu werden, daß er oft amüsant, mitunter geistreich sein
„Weibsteufel“
aufnimmt und mit jener Festigkeit führt, die immer ein
kann, und er könnte in diesem Falle darauf hindeuten, daß er
Gouvernements gegen S
Zeichen einer an würdigen Idealen entflammten Ge¬
in den drei Einaktern doch nur eine Komödie der Worte habe
Wochen Gefängnis ver
schreiben wollen. Das alles zugegeben; aber ist das die
sinnung ist.
Aufgabe der Bühne, und geradein jetziger
Verbot damit, daß dies
Mit aller Entschiedenheit lehnt man draußen im ver¬
[Zeit, in der gesunde kräftige Kost statt der
Mainz, wo die katholisch
Krankensuppen verabreichtwerden sollte?
bündeten Reiche den neuesten Schönherr, das tierisch¬
ist, den Burgfrie
Und das Denken all dieser Personen ist doch patholozisch.
erotische Drama „Der Weibsteufel“ ab, mit
Die „Reichspost“ hat 0
Die Berliner „Deutsche Tageszeitung"
dem
für Woche
unser Burgtheater Woche
in Mainz den „Weibste
schreibt:
verunglimpft und in den Kot gezerrt wird. Am
Aufführung dieses
Mancher Vorzug des Schriftstellers Schnitzler ist auch an
Residenztheater von Wiesbaden sollte
[München und in
dieser Stelle willig anerkannt worden. Aber allmählich erstarrt
dieses Machwerk gespielt werden und wurde in letzter
[Städte in Deut;
seine Kunst, geistreiche Worte zu setzen, in Creisenhaftigkeit, und
Stunde abgesetzt, desgleichen am Mainzer Stadt¬
seine psychologischen Bohrversuche wagen sich an immer untang¬
hören wir in Wien von
theater, ebenso am Münchner Hoftheater,
lichere Gegenstände. Selbst seine besten Freunde und überzeugte¬
Militärgouvereurs au
sten Anhänger werden die breite, selbstgefällige Ge¬
ebenso an einer Reihe anderer deutscher Zühnen. Ueberall
völkerung und von dem
schwätzigkeit dieser mit Fug als „Wortkomödten“ bezeichne¬
die schlimmen „Klerikalen“? Nein! Ueberall die sauberen
der auch nus Katholik
ten Dichtungen übel empfinden, werden die den Abend eröffnende
Menschen, überall die Leute, deren Ekel sich regt, deren
Tragödie als mühsam konstruierten Schwindel be¬
Welbsteufel“ ist im
Reinlichkeit sich empört. In Stuttgart haben die
löcheln und für die Geschmacklosigkeit des letzten Ein¬
theater zuerst,
akters die Achseln zucken. Damit ist alles Erforderliche über den
evangelischen Pfarrer gegen den „Weibsteufel“
[Kriegesaufgef
Kunstwert der drei Stücke gesagt. Vom nationalsittlichen Stand¬
und die „Mona Lisa“ eine sehr entschiedene Ver¬
haben sich die maßgeben
punit aus wird vielleicht noch mehreres hinzuzufügen sein.
wahrung eingelegt. Darin heißt es:
Schnitzler hat zu Anfang des Krieges angeblich einige Torheiten
lische Bevölkerungsmehrh
über uns und unsere Feinde gesagt. Wer die Ideenwelt dieses
Wenn je, so hätte das Theater in unserer ernsten Zeit allen
Burgfriede nämlich —
Dramatikers aus seiner „Komodie der Worte“ kennen lernt, der
Grund, sich als „moralische Anstalt" und Träger geistiger
Schutz denn auch sehr ü
wird ihm keinen Vorwurf wegen irgend einer scheinbar nicht in
Kultur zu bewähren und auf das Empfinden weiter Kreise des
Ob im Wiener Hof#
diese Zeit passenden Radewendung machen. Denn Schnitzler hat
deutschen Volkes Rücksicht zu nehmen. Manche Darbietungen
offenbar — kein Organ für diese Zeit und ihre Notwendigkeiten.
aus Deutschland eine
der Schaubühne stehen in schrossem Gegensatze dazu. In eine:
Zeit der höchsten Spannung und blutigsten Kämpfe wird in
Schmeichelhaft ist dieses
Die Berliner „Tägliche Rundschau“ meint
Schauspiel und Oper aber statt sittlich Erhebenden vielfach
sehr treffend:
bühne nicht.
Herabziehendes und Zersetzendes geboten. Während wer ganz
Wenn die Augenblickswirkungen eines glänzend gewebten
auf Treue und Zucht angewiesen sind und unser ganzes
Dialegs verflogen sind, sagt man sich doch, daß drei ländelnde
Dakein durch heiligen Opfermut unserer Krieger bedingt
Ehzbruchstücke an einem Abend in der heutigen Zeit, wo
und geschützt ist, wird leidenschaftliche Sittlichkeit und
Hundertiausende von deutschen Frauen um
zügelloser Lebensgenuß vorgeführt. Draußen spielt sich
ihre Männer sorgen oder gartrauern, so fehlam
das größte Drama der Weltgeschichte ab und in der
Orte sind wie nur möglich. Wer dafür kein Gefühl hat,
Heimat soll man sich an Darstellungen des Verbrechens ergötzen.
mit dem ist natürlich nicht darüber zu streiten. „Gefühl ist alles.“
Wir sind karan, uns auf unserinnerstes und destes
Schnitzler seiber wird vermutlich die Achseln zucken über solche
Eigenaut zu besinnen, und hier wird welschem Geist ge¬
Einwände; er hat einmäl das Bekenntnis abgelegt: „Wir spielen
huldigt. Es geht um die höchsten Güter nicht boß unseres
immer; wer es weiß, ist klug.“ Aber es ist ein großer Irrium,
deutschen Volkes, sondern der Menschheit, und hier klascht man
daß solche Klugheit wirklich das Höchste im Leben sei.
fader Oberflächlichkeit und Zweideutig¬
keit Beifall. Welchen Eindruck vom Leben in der Hrimmt
Angesichts dieser heftigen Ablehnungen, die aus
müssen die Krieger mitnehmen, die Zeugen solcher Schau¬
Blättern aller Parteirichtungen kommen, angesichts die¬
stellungen werden! Gibt es nicht Stücke genug, um einen
ser erbitterten Verwahrungen, mit denen sich allent¬
Spielplan aufzustellen, der der heutigen inneren und äußeren
Lage des deutschen Volkes gerecht wird? Wir bitten die
halben anständige Leute gegen den Schnitzlerschen
Theaterleiter und Theaterbesucher hier Wandel zu schaffen und
Schmutz auflehnen, meint das „N. Wiener Jour¬
in ihrem Teil deutsche Kraft und Würde zu
nal“, welches bekanntlich eine besonders heiße Lanze
stärlen.“
für den Dichter gebrochen hat, sehr betreten: „Schnitz¬
# Bravo! Dank den evangelischen Pfarrern von Stutt¬
lers „Komödie der Worte“ scheint in Deutschland nicht
gart für diese Worte!
allzu respektvoll ausgenommen zu werden.“
In Salzburg hat der christlichsoziale Gemeinderat
Aber geh'n S', was Sie nicht sagen? Seh'n S' das
Preis dagegen Einspruch erhoben, daß das Salzburger
kommt uns auch so vor. Gar besonders respektvoll ist die
Aufnahme wirklich nicht.
Stadttheater mit dem „Weibsteufel“ verunreinigt
wird. Dieser „hetzerische Klerikale“ mußte sich in offener
Die „Frankfurter Zeitung" beginnt ihre
Gemeinderatssitzung vom Theaterintendanten Dr. Toldt
Besprechung mit der Feststellung: „Es gibt Dinge, die
darüber beiereul ssen, daß das Trama nichts Unsitt¬
man tut, aber über die man nicht spricht.“ Hiezu meinen
liches und Relizionsfeinliches enthalte, da es sonst nicht
wir, daß man die Dinge, von denen Schnitzler mit em¬
— — om Wiener Burgtheater gespielt werden könnte!
pörender Unverfrorenheit spricht, lieber auch nicht tut.
Dort habe nämlich, obwohl das Stück ost genug gespiell
Nur ganz wenige Besprecher der Neuheit unter¬
werde, noch niemand daran Anstoß genommen. Wenn
nehmen den Versuch, mit einem verlegenen Witz über
die Sache nicht zu traurig wäre, müßte man herzlich
ihre wahre Ansicht hinwegzugleiten. So der Dr. Lettel¬
darüber lachen. Der gute Dr. Toldt hat offenbar
heim, welcher neckisch bemerkt („Vossische Zeitung"):
keine Ahnung davon, was alles heute am Burg¬
„Jedes Blatt, das Schnitzler in seinem Ehezucht= oder
theater gespielt werden darf. Und was das ente vielmehr Eheunzuchtbüchlein aufschlägt, führt uns in
standene Aergernis anbelangt: Wir könnten ihm einen einen anderen, dem Sittenmaler aus jahrzehntelangen
sehr umfangreichen Stoß von Zeitungsausschnitten und
Erfahrungen gleich vertrauten Kreis.“ Der Stefan
privaten Zuschriften senden, aus denen er unschwer er= Großmann lobt den „Trotz“ des Schnitzler: „Es liegt ein
sehen könnte, daß vieltausend Leute an dem Stück Anstoß gewisser Trotz darin, daß Schnitzler sich durch den
genommen haben. Freilich Leute, deren Stimme dem Weltkrieg nicht weiter stören läßt — ein