II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 493

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26.1. Konoedie der NorteZyklus
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Nachlese
„O
Twischenspiel'. Nach zehn Jahren; oder nach neunen und einem, das
D) länger als ein Jahrzehnt schien und einem Dichter wie Schnitzler
schon Eintrag tun konnte. Aber wenn der Theaterspielplan die Be¬
gierden des Volkes wiederspiegelt, so kommt auf niemand, der sich in
dieser Zeit die „Hermannsschlacht und „König Heinrich den Fünften“
wünscht, immerhin mancher, der für eine psychologische Komödie Sinn
hat. Wahrscheinlich waltet das Gesetz des Gegensatzes. Das vater¬
ländische Gefühl braucht keinem heut gestärkt zu werden — die Er¬
innerung an eine andre als die kriegerische Welt fast jedem. Wie
wir einst so glücklich waren, müssen's jetzt durch Euch erfahren. Durch
den Kapellmeister Amadeus Adams und seine Frau, die Sängerin
Cäcilie Adams=Ortenburg. Den Mann, nach siebenjähriger Ehe, ziehts
hu einer Gräfin; zur Frau ziehts einen Fürsten. Mann und Frau
strauen sich die Kraft zu, als „Mann“ und „Frau“ getrennte Wege zu
gehen, ohne die Gemeinschaft ihrer Seelen zu gefährden. Sie lassen
sich gleichzeitig treiben und gelangen zu sehr verschiedenen Zielen. Er
hat sie in Wirklichkeit betrogen und kehrt als der Alte zurück; sie hat
ihn in der Phantasie betrogen und keyrt als eine Neue zurück. In
ihr sind, fern von Hause, Blüten fremder Art und fremden Duftes auf¬
geschossen, die den Mann berauschen. Sie erliegt dem eigenen Mann,
und das wird ihr Verderben. Denn sie kommt nicht darüber weg, daß
er sie nicht als Cäcilie genommen hat, sondern als die berückend ver¬
änderte Frau, die dem vermeintliche: Nebenbuhler wieder abzujagen
eine Sensation mehr für ihn ist. Sie wird nie darüber wegkommen,
daß sie, mit ihrer Glut im Blut, nur der obsession du sexe, dem
désir de lhomme erlegen ist, und daß dieser homme nicht grade
Amadeus hätte zu sein brauchen. Sie ist plötlich hellsichtig geworden.
Sie sieht die tiefe Unsicherheit aller Beziehungen zwischen Mann und
Weib. Sie weiß jetzt, daß es keine Treue in der Liebe, keine Reinheit
in der Freundschaft gibt. „Ist nicht gemischt in unserm Lebenssaft
so Menschentum wie Tier zentaurenhaft?" Sie schaudert davor.
Andre finden sich ab. Sie nicht. Sie erkennt und spricht aus, daß sie
beide gelogen haben, als sie einander volle Freiheit gewährten, statt
ihre Eisersucht auszutoben und sich dann um so fester an einander zu
krampfen. Diese Lüge hat ihre Liebe zugrunde gerichtet. Sie müssen
sich trennen.
Der Verlauf dieses intimen Konflikts, gegen den ich vor neun
Jahren und einem Jahrzehnt leider nichts einzuwenden hatte — dies¬
mal hat er mich gar nicht überzeugt; und die Lösung ebensowenig.
Ich weiß allerdings keine andre, wenn Schnitzler zu beweisen plante,
was er tatsächlich bewiesen hat: daß die Liebe im Leben der Frau alles,
im Leben des Mannes nicht alles bedeutet. „Die Frau will den Mann,
der Mann will sein Werk“ so hat es Moritz Heimann einmal
formuliert. Amadeus komponiert und dirigiert und findet nichts da¬
bei, sich von der heiligen Cäcilia nicht immer bei seiner irdischen
Cäcilie, sondern ab und zu bei noch viel irdischern Friederiken zu
erholen. Soweit er nicht Künstlex=ist, ist er leichtlebig. Sie ist durch