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26.1. Kongedie der VorteZykius
und durch schwerlebig. Aber gleich widerspruchsvoll schwanken sie zwi¬
schen Sehnsucht und Ueberdruß, zwischen Unrast und Nuhe, zwischen
Sinnenglück und Seelenfrieden. Um sie spinnt die Erotik ein dichtes
Gewebe, einene hüllenden und stimmernden Flor von mondschein¬
zarten Sommerfäden, die zerrissen und wieder zusammengeknüpft wer¬
den und immer künstlich verschlungen sind. Und doch ist es nicht ewa diese
Künstlichkeit, die das Drama heute für mich unwahr macht. Auch nicht
die kleinen Monologe des Kapellmeisters, die nur unnatürlich nennen
wird, wer nie sein Brot mit Monologen aß. Auch nicht das Wunder,
daß diese zerlegten Existenzen, diese Präparate für mikroskopische
Selbstbeobachtung, diese Autopsychologen, die unersättlich neugierig
auf sich selbst sind, die sich fühlen fühlen und ihrer Ungreifbarkeit
freuen — daß diese Gliederpuppen so viel Atem und Fleisch und Blut
haben, um sich jemals von sich selbst fortreißen, um sich, am Schluß
des zweiten Aktes, vom rotesten Feuer versengen zu lassen. Nein, die
Unwahrheit stammt von ihrer Sprechweise und ihren Gegenspielern;
von dem Stück Dumgs¬
Schnigler. Die Dialoge haben Haken und
Oesen oder Drucktnöpfe.nedem Sih schnappt der Partner sofort mit
der espritvollen Antithese ein, die der Antor auszubenken und zu feilen
reichlich Zeit gehabt hat. Und da das noch immer nicht genügend Licht
auf die innern Vorgänge, auf die Isobaren der beiden Seelenduellanten
wirft, deshalb wird ein Raisonneur eingeführt, und gar mit Frau.
Sie ist ein Schatten; aber er ist ein Scheusal, eine Caféhaus=Wanze,
das wandernde Feuilleton. Er mehr, sie weniger dient dazu, daß die
beiden andern sich aufschließen. Damit wird aus der Unwahrheit
eine fressende Lüge. Sie sollen ja Ausnahmemenschen sein. Von ver¬
feinertstem Nervensystem und groß geschaffener Seele. In ihr be¬
sonders soll neben der Sehnsucht nach dem imprévu nach den Lüsten
und Lockungen des Daseins der Drang nach einsam=freiem Menschen¬
tum lebendig sein. Ich sehe je als Cottage=Schwesterchen Rhodopeus
und Mariamnens — Sche nhaftigkeit ihr, aber auch des Mannes
Zeichen. Die Gafferei unt Schwätzerei, die Kommentiererei und
Besserwisserei des Raisonnen. der keinen Finger breit von ihren
Wegen abweicht, macht #eide, die ihn sich gefallen lassen, schamlos.
Zuletzt stimmt nichts. Ein Tragödienmensch von Hebbel in einer weh¬
leidig=witzigen wiener Novelle, die „auf die Bühne gezerrt ist und
da wohl oder übel von dem Gerüft der französischen Salonkomödie ge¬
stützt werden muß.
Aber vom Personal des Deutschen Künstlertheaters garnicht gestützt
wurde. Hier hatte Schnigter einen Vorteil nur vor Forest. Der
kopierte ohne Anweisung des Dichters als taktloser Vertrauter Albertus
Rohn nicht Altenberg, sondern Egon Friedell, wie er Altenberg
kopiert; bei der Unoriainalität der Figur eine Beleidigung Alten¬
bergs, die durch ihre Luitigkeit gemildert wurde. In den Nebenrollen
roch es nach Rawitsch. Und das Ehepaar war im Format vergriffen.
Herr Götz hatte niemals Symphonien und Opern geschrieben, sondern
glich einem reizenden kleinen Jungen, von dem man nicht begriff,
warum er mit seiner reizenden kleinen Traute Carlsen nicht überaus
glücklich war. Zu Hebbel, Schnitzler, Dumas kam als viertes Element
26.1. Kongedie der VorteZykius
und durch schwerlebig. Aber gleich widerspruchsvoll schwanken sie zwi¬
schen Sehnsucht und Ueberdruß, zwischen Unrast und Nuhe, zwischen
Sinnenglück und Seelenfrieden. Um sie spinnt die Erotik ein dichtes
Gewebe, einene hüllenden und stimmernden Flor von mondschein¬
zarten Sommerfäden, die zerrissen und wieder zusammengeknüpft wer¬
den und immer künstlich verschlungen sind. Und doch ist es nicht ewa diese
Künstlichkeit, die das Drama heute für mich unwahr macht. Auch nicht
die kleinen Monologe des Kapellmeisters, die nur unnatürlich nennen
wird, wer nie sein Brot mit Monologen aß. Auch nicht das Wunder,
daß diese zerlegten Existenzen, diese Präparate für mikroskopische
Selbstbeobachtung, diese Autopsychologen, die unersättlich neugierig
auf sich selbst sind, die sich fühlen fühlen und ihrer Ungreifbarkeit
freuen — daß diese Gliederpuppen so viel Atem und Fleisch und Blut
haben, um sich jemals von sich selbst fortreißen, um sich, am Schluß
des zweiten Aktes, vom rotesten Feuer versengen zu lassen. Nein, die
Unwahrheit stammt von ihrer Sprechweise und ihren Gegenspielern;
von dem Stück Dumgs¬
Schnigler. Die Dialoge haben Haken und
Oesen oder Drucktnöpfe.nedem Sih schnappt der Partner sofort mit
der espritvollen Antithese ein, die der Antor auszubenken und zu feilen
reichlich Zeit gehabt hat. Und da das noch immer nicht genügend Licht
auf die innern Vorgänge, auf die Isobaren der beiden Seelenduellanten
wirft, deshalb wird ein Raisonneur eingeführt, und gar mit Frau.
Sie ist ein Schatten; aber er ist ein Scheusal, eine Caféhaus=Wanze,
das wandernde Feuilleton. Er mehr, sie weniger dient dazu, daß die
beiden andern sich aufschließen. Damit wird aus der Unwahrheit
eine fressende Lüge. Sie sollen ja Ausnahmemenschen sein. Von ver¬
feinertstem Nervensystem und groß geschaffener Seele. In ihr be¬
sonders soll neben der Sehnsucht nach dem imprévu nach den Lüsten
und Lockungen des Daseins der Drang nach einsam=freiem Menschen¬
tum lebendig sein. Ich sehe je als Cottage=Schwesterchen Rhodopeus
und Mariamnens — Sche nhaftigkeit ihr, aber auch des Mannes
Zeichen. Die Gafferei unt Schwätzerei, die Kommentiererei und
Besserwisserei des Raisonnen. der keinen Finger breit von ihren
Wegen abweicht, macht #eide, die ihn sich gefallen lassen, schamlos.
Zuletzt stimmt nichts. Ein Tragödienmensch von Hebbel in einer weh¬
leidig=witzigen wiener Novelle, die „auf die Bühne gezerrt ist und
da wohl oder übel von dem Gerüft der französischen Salonkomödie ge¬
stützt werden muß.
Aber vom Personal des Deutschen Künstlertheaters garnicht gestützt
wurde. Hier hatte Schnigter einen Vorteil nur vor Forest. Der
kopierte ohne Anweisung des Dichters als taktloser Vertrauter Albertus
Rohn nicht Altenberg, sondern Egon Friedell, wie er Altenberg
kopiert; bei der Unoriainalität der Figur eine Beleidigung Alten¬
bergs, die durch ihre Luitigkeit gemildert wurde. In den Nebenrollen
roch es nach Rawitsch. Und das Ehepaar war im Format vergriffen.
Herr Götz hatte niemals Symphonien und Opern geschrieben, sondern
glich einem reizenden kleinen Jungen, von dem man nicht begriff,
warum er mit seiner reizenden kleinen Traute Carlsen nicht überaus
glücklich war. Zu Hebbel, Schnitzler, Dumas kam als viertes Element