II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 495

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Konoedie der VorteZyklus
auf diese Weise Leo Walther Stein. „Ich bestehe darauf, daß der
Held zum Schluß entweder Hochzeit macht oder vom Teufel geholt wird;
da kann man doch beruhigt nach Hause gehen“ behauptet Albertus
Rhon. Weder dies noch das geschieht nun allerdings im „Zwischen¬
spiel“.
Aber dank dem vierten Element ging jeder doch beruhigt
heim.
„College Crampton“. Dreiundzwanzig Jahre nach der Premiere,
die mit der Premiere von „Fräulein Julie zusammenfiel. Die Komödie
konnte damals einen kräftigen Theaterbeifall finden, aber es gab
wenige, die sie neben dieser gewaltigen nordländischen Modernität nicht
für ein Stück Konvention ansahen und erklärten; zum Teil ihres Er¬
folges wegen. Hora ruit. Programme schimmeln, Menschlichkeiten
bleiben jung. Heut wirkt dieser Strindberg wie eine Tortur, dieser
Hauptmann wie eine Liebkosung. Dort stöhnt und gähnt man; hier
weint und lacht man. Es ist eins von den Geheimnissen der meisten
Dramen Gerhart Hauptmanns, daß sie mit der zeitlichen Entfernung
immer mehr an Leuchtkraft und Lebensfülle gewinnen. Das ist ja ver¬
ständlich. Wir haben den kindlich unberechtigten Wunsch, einen Dichter
unbeirrt aufsteigen zu sehen. Diese falsche Forderung einer gradlinigen
Höherentwicklung — eine Forderung, die uns als schlechte Literar¬
historiker erweist — trübt uns von Mal zu Mal den ersten Eindruck
einer neuen Dichtung. Der zweite und dritte Eindruck ist gerechter
und entscheidender. Heut zwingt „Michael Kramer' den man einst mit
Lust verhöhnt hat, jeden in die Knie (und es ist erstaunlich, daß dieser
feierliche Sang vom Tod, der wunderbar zum Kriege paßt, auf keiner
unsrer Bühnen zu vernehmen ist). Heut ist „College Crampton“ eine
innigere Herzensstärkung als jemals zuvor. Keiner, der blind wäre
für das „Stück Konvention“, für den Schuß Iffland, für die konflikte¬
glättende Bereitwilligkeit von Lustspiel=Millionen, die eine Lustspiel¬
Liebe samt dem abgenagten Schwiegervater angenehm vergolden.
Aber auch Keiner, der taub wäre für diesen reinen Menschenton
Wenn hier „Theuter“ gemacht wird, und das wird es wohl, so wiro
jedenfalls das beste, geschmackvollste, farbigste und seelenkennerischste
Theater gemacht. Die Unterhaltungsliteratur ist Kunst geworden,
und die Kunst hat sich das Brot, wonach sie geht, aufs redlichste
verdient.
Im Deutschen Theater wirds zum dritten Mal von der Komödie
eine „Serie“ geben. Hauptmanns Crampton malt Schilder und malt
Bilder. Hauptmanns „Crampton ist ein Bild, kein Schild — vielleicht
nicht ein Bild von Leibl, aber ein Bild von Oberländer. Kaum in
allen frühern Aufführungen ist die Verwechslung von Bild und Schild
ungeschehen geblieben. Diesmal wird die künstlerische Feinheit keiner
handfesten Wirkung hintangesetzt. Weder diese noch jene erreicht einzig
Fräulein Johanna Terwin, die man, mit Bebacht, in Hosen¬
rollen, niemals mehr in Flügelkleider stecken darf; am
wenigsten, wenn ihr Max Strähler so ehrlich neunzehnjährig aussieht,
wie Herr Lothar Müthel. Adolf Strähler ist ein Knochen des guten
alten Bonvivant, eine gehörig dankbare, nur nicht genügend große
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