II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 503

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Wen
damit sich an ihnen die zerrünete Menschheit aufrichte
Lächerlich! Die Tichter sind dazu da, der Menschheit zu
zeigen, wie spassig versuchte Ehen sind, wie ungestraft man
die Frau des Freundes verführen darf, wie gefährlich
brünstige Weiber werden können und derg eichen
Wieviel Hohn — leider muß gesast werden: berech¬
tigten Hohn — wieviel spitze Bemerkungen uns die Presse
unserer deutschen Bundesbrüder wegen des fortgesetzten
Schönherr=Schnitzler=Skandales berens hit zute! werden
lassen, das ist von uns schon mehrfach registriert worden Man
macht draußen im Reiche uns, uns Oesterreicher alle, ohne
jede Ausnahme, für die en Unfug verantwortlich, der immer
noch ungestraft an unserer Hofbühne betrieben werden darf.
Man bedenlt nicht, daß dieser Unfug nur von einem ganz
bestimmten Teile unseres Volkes gefördert und geduldet
wird, daß er nur von einer ganz bestimmten Presse geschützt
allenthalben
wird. Der Hohn, aber, den man „drarßen“
auf diese ganz unerhörten Vorgänge aufbringt, trifft ans
alle, uns Oesterreicher alle Darum können wir, wir anderen,
gar nicht oft beionen, daß wir abseits stehen von diesen
Dingen, daß wir ihnen unerbittliche und unversöhnliche
Fehde ansagen Die jetzte Abrechnung aber, mit den gewissen
verantwortlichen Herren, die sich nicht scheuen, ihre Heimat so
sehr in Verruf zu bringen, müssen wir auf eine Zeit verschieben,
in der uns keine Ricksichten das Wort beengen werden.
In den „Stimmen der Zeit“ lesen wir: „Wir wären
sehr übel beraten, wenn wir unseren Kampf ausschließlich
oder auch nur in eister Linie im Namen der Kunst führen
wollten. Denn literarische Streitigkeiten sind nicht jeder¬
manns Sache Es geht um Tinge, die ganz anders fest¬
stehen, als ästhetische Werturteile und die unser gesamtes
Volkswohl ganz anders bedrohen, als ein künstlerisch mi߬
lungenes Bühnenstück Auch nach dem Urteile sehr ernst zu
nehmender Nichtkatholiken handelt es sich um die fori¬
gesetzte Erschütterung unentbehrlicher
Grundlagen unserer Sittlichkeit. In der
bekannten Erklärung der Stuttgarter protestantischen Pfarrer
heißt es: Wenn je so hätte das Theater in unserer ernsten Zeit
allen Grund, sich als „moralische Anstalt“ und Träger geistiger
Kultur zu bewähren und auf das Empfinden weiter Kreise
des deut chen Volkes Rücksicht zu nehmen Während
wir ganz auf Treue und Zucht ange¬
wiesen sind, und unser ganzes Dasein durch
r be¬
heiligen Opfermut unserer Krie
dingt und geschützt ist, wird leidenschaftliche Sinnlichkeit und
zügelloser Lebensgenuß vorgeführt. Draußen spielt sich das
größte Drama der Weltgeschichte ab, und in der
Heimat soll man sich an Darstellungen des Ver¬
*
brechens ergötzen?“
Aus allen größeren Städten Deutschlands, wo der
„Weibeteufel“ aufgeführt werden sollte, kam die Nachricht
von den entschiedensten Protesten. Ueberall wehrte man sich,
bei aller Freundschaft für Oesterreich, gegen diesen Import
Rund¬
Tägliche
Die
schmutziger Bühnenware.
schau“ schrieb über Schnitzlers schmalzige Einakter¬
Worte“:
Drei tändelnde
der
reihe „Komödie
Ehebruchstücke an einem Abende in der heutigen Zeit, wo
Hunderttausende von deutschen Frauen um ihre Männer
sorgen oder. gar trauern, sind so fehlam
Orie wie nur möglich. In Paul Kellers Monats¬
ine
schrift „Die Bergstadt“ lesen wir: „
Schande, daß gerade das Burgtheater
den „Weibsteufel“ bringen mußte. Hat
unsere Gegenwart, die so unendlich viel Heroismus reifte,
die gerade auch so unsagbar viel duldendes Heldentum des
Weibes offenbarte, nichts anderes verdient, als daß man
ihr auf der Bühne, die sie in ihrem Ertragen stärken, zu
neuen Opfern entflammen sollte, jene Erniedrigung des
„Weibsteufels“ vor Augen stellen darf!? Schnitzlers „Die
Komödie der Worte“ variiert wieder das alte Thema jener
Liebelei, die schon im „Reigen“ so widerlich wirkte.
Aber unwillkürlich bäumt sich die Frage auf: Hat unsere
harte Gegenwart nichts anderes zu tun, als dieser Seichtheit
einer Vergangenheit neuerdings zum Tanze aufzuspielen?
Hat unsere Buhne, unser Theater von heute keine andere
Aufgabe, als mit der Liebe und Ehe zu tändeln und so
am Marte unserer Kraft zu zehren?
Das sind treffende Worte, die den Kern der Sache rücksichts¬
los bloßlegen! Wir danken dem Bergstädter dafür.
So regt sich allenthalben Widerspruch und Empörung.
Wir werden zum Gespötte der ganzen gesitteien Welt. Wir
setzen uns in Widerspruch zu unserer ganzen, großen
Theutervergangenheit Die gewisse Presse hat unsere
anfänglichen Proteste als „klerikale Unduld amkeit“ abtun
wollen Geschlossen aber hat sich das ganze anständige
Deutschland an unsere Seite gestellt Protestantische Pastoren
haben schärfere Worte der Verurteilung gefunden, als wir.
Wie sante doch jener dem Burgtheater so fremd ge¬
wordene Grillparzer: „Dazu sind ja von jeher Dichter
gewesen, daß sich an ihnen die ärmen, zerrütteten Meuschen
aufrichten.“