II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 511

Kunst und Bühne.
Wien, 29. März.
Die Zukunft des Burgtheaters.
Von beachtenswerter Seite erhalten wir folgende
Zuschrift:
Mit aufrichtiger Genugtuung habe ich jüngst in
der „Ostdeutschen“ die Mahnung gelesen, es sei eine
politische (und ich möchte hinzufügen: auch eine mo¬
ralische) Ehrensache des Deutschen Nationalverbandes
und der christlichsozialen Partei, die Kreise, die es an¬
geht, aufmerksam zu machen, daß mit der Leitung des
Burgtheaters nur ein arisch=deutscher Künstler oder
Fachmann betraut werden dürfe, wenn anders eine
hervorragende deutsche Kulturstätte nicht fremden Un¬
sitten und zersetzendenGeschmacksrichtungen ausgeliefert
bleiben soll. Die Notwendigkeit, daß da zunächst
Schui#ber samt seinem Klüngel außer Kurs gesetzt
werden musse, liegt für jeden auf der Hand, der Zeuge
von der beschämenden Möglichkeit war, daß zu einer
Zeit, wo das deutsche Volk mit dem Aufgebot seiner
besten Söhne um sein Dasein ringt, im altehrwürdigen
Burgtheater die „Komödie der Worte“ aufgeführt wer¬
den konnte. Es gehk nicht an, den „Dichter“ des „Rei¬
gens“ und der „Anatol“=Pikanterjen immer wieder als
den hervorragendsten Vertreker der deutschöstereichi¬
schen Literatur auszurufen und selbst im Ausland den
Glauben zu nähren, als hätten wir und das Burg¬
theater keine würdigeren Bühnendichter als Artur
Schnitzler. Wer sind die Dichter der Stücke, die jetzt
das Bürgtheater auf einer Gastspielreise durch die
Schweiz zur Aufführung bringt? Schnitzler steht an
ihrer Spitze. Und wem wurde der amtliche Auftrag,
in Vorträgen vor den Gastvorstellungen die Schweizer
über die Bedeutung des Burgtheaters und seiner Dich¬
ter zu unterrichten? Felix Salten (lies: Salzmann).
Kein Wunder, daß endlich auch in den maßgeben¬
den Kreisen Bedenken laut werden gegen die offenen
und geheimen Einflüsse und Machenschaften, die an
Arbeit sind, das Burgtheater dem Judentum aus¬
ern. Nur scheint man noch immer nicht den Mut
iden, den Stier bei den Hörnern zu packen. So
ich unterrichtet bin, denkt man wohl nicht mehr
in, einen Juden als Leiter des Burgtheaters zu be¬
stellen. Aber man getraut sich auch nicht, es mit einem
deutsch=christlich gesinnten und fühlenden Mann aus
der engeren Heimat zu versuchen, wie leicht auch die
Wahl unter den heimischen Bewerbern zu treffen wäre.
Um also weder nach rechts noch nach links anzustoßen,
will man sich, so heißt es, einen unverdächtigen Mann
aus dem Reiche holen und schon soll ein Sendbote aus¬
geschickt worden sein, um zu versuchen, ob nicht Karl
v. Zeiß, der ehemalige Intendant der Dresdener
Hofbühne, aus seinen neuen Frankfurter Verpflichtun¬
gen ausgelöst werden könne. Bei dieser gar zu beque¬
men Ausflucht bedachte man offenbar nicht, daß der
Intimus des Herrn v. Zeiß derselbe Felix Salten ist,
der jetzt die Schweizer über die Kultursendung des
Burgtheaters aufklärt. Und fiele die Wahl auch auf
irgendeine andere reichsdeutsche Theatergröße, bliebe
noch immer die Frage offen, ob wir es wirklich not¬
wendig haben, in die Ferne zu schweifen, wo das Gute
vielleicht so nahe liegt.
Was das Burgtheater braucht, ist ein Mann von
reinem Wollen und voller Vertrautheit mit den Ueber¬
lieferungen, durch die das Burgtheater groß und ein¬
zigartig geworden ist. Gustav Mahlers Wort, Tradi¬
tion sei Schlamperei, ist ein guter Witz, mit dem sich
aber der künstlerische Begriff nicht abfertigen läßt, den
das Burgtheater darstellt. Deutsche Hoftheater, in
denen gut gespielt wird, gibt es mehr als genug. Nicht
darauf kommt es beim Burgtheater an, ob irgendeine
internationale Sensation ein bißchen besser oder
schlechter gespielt werde, sondern auf die zielbewußte
Pflege unserer besonderen Art, und diese Aufgabe kann
nur erfüllen, wer unseres Blutes und Fühlens ist. Es
ist nicht Kantöligeist, der aus mir spricht, sondern
einzig die Befürchtung, das Burgtheater könnte noch
mehr von seiner ureigensten Bestimmung abgedrängt
werden, der reinste künstlerische Ausdruck deutsch¬
österreichischer Kultur zu sein. So freudig wir es be¬
grüßen dürfen, daß zwischen Oesterreich und dem
Reiche endlich die politischen Schranken zu fallen be¬
ginnen, so streng müssen wir in Dingen der Kunst
darauf achten, uns selber treu zu bleiben; denn eine
reichsdeutsche Universalkunst wäre kaum erträglicher
als der Gedanke, von den Küsten des Mittelmeeres hin¬
auf bis zum farblosen Nordseestrand einen Schnee¬
berg oder Oetscher an den andern zu reihen. Darum
Voksicht in der Wahl!
Dramatie Literature
COMEDIES OF WORDS
AND OTHER PLAYS
By ARTHUR SCHNITZLER
Translated by PIERRE LOVING
The contents are:
The Hour of Recognitio“
Great Scenes
The Festival of Bacchus'
lis Helpmate“
* Literature?
In his Comreniks or Woans, Arthur
Schnitzler, the great Austrian Dramatist,
has penetrated to newer and profounder
regions of human psychology. Accord¬
ing to Schnitzler, the keenly compelling
problems of earth are: The adjustment
of a man to one woman, à woman to one
man, the children to their parents, the
artist to life, the individual to his most
complish this adjustment when, try as
we please, there is a destiny which
sweeps our little plans away like helpless
chessmen from the board? Since the
creation of Anatol, that delighitful toy
philosopher, so popular in almost every
theater of the world, the great Physician¬
Dramatist has pushed on boch as World¬
Dramatist and reconnoiterer beyond the
misty frontiers of man's conscious ex¬
istence. He has attempted in an artistic
way to get beneath what Freud calls the
Psychic Censor' which edits all our
suppressed desires. Reading Schnitzler
is like going to school to life itself!
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