25. Brofesson Bernhandi
box 30/
Ausschnitt aus: etse
ese 1n e Schict, Lelih
vom: 291001912
—
E
S
aumummman
—Professor Bernhardi,
ein feines, nicht ganz an der Oberfläche hinstreichendes Wort.
Wie leicht hat sich der Verfasser die Charakteristik all dieser“
Komödie in fünf Akten von Arthur Schnigleesinnungs=Schubiake gemacht! Wie leicht die der Edelinge!!
Regie: Victor Barnowsky. (Kleisfez=Theater.)
Entweder sind sie seine Sprachrohre, und er läßt unendlich
Es ist ein sehr geschmackvolles Stück. Schon die Hand¬
schönes Pathos im Phrasenschwall aus ihnen herausdonnern.]
lung beweist das. Der jüdische Professor Bernhardi, Zierde
oder er entlarvt sie als minderwertige Streber. Satire, die
seines Standes, strotzend von innerer und äußerer Vornehm¬
mit Kneifzangen zufaßt und festhält, gibt es in diesem Stücke
heit, sieht sich gezwungen, einem Geistlichen den Zutritt zur
nicht. Obgleich es doch beispielsweise so leicht gewesen wäre,
sterbenden Patientin zu verweigern. Denn die Patientin
das Wiener Gericht, das den berühmten Bernhardi als
glaubt nicht an den ihr nahe bevorstehenden Tod, der An¬
Religionsverbrecher ins Gefängnis sperrte. dadurch zu ver¬
blick des Pfarrers könnte sie also auf den Tod erschrecken.
höhnen, daß man es mit lauter israelitischen Richtern be¬
Leider wird Bernhardis menschenfreundliche Gesinnung
setzte! Aber solche Wagnisse gestattete sich der Komödien¬
gröblich mißverstanden. Schäbige Intriganten und Neider
dichter nicht. Er zog es vor, Akte lang klägliche Plattheiten
unter den Kollegen benutzen den Vorfall, um Bernhardi zu
zu deklamieren, ohne dabei den rechten derben Mut zu
stürzen. Das gelingt ihnen um so leichter, als die scheinbar
lungenstarken Volksversammlungsreden
finden.
bedeutungslose Angelegenheit rasch weitere Kreise zieht, den
Schnitzler schlägt seine lauten Argumente selbst tot, indem
Rücktritt des Anstalts=Kuratoriums und eine feindselige
er sie sofort als eigentlich nebensächlich hinstellt. Sein Held
Interpellation im Parlament zur Folge hat. Bernhardi, steht so turmhoch über dem ganzen Kampfe, dünkt sich so er¬
vom Kultusminister schmählich verraten und preisgegeben, haben, so reif und weise, daß er niemals auch nur sekunden¬
wird wegen Religionsverbrechens angeklagt und zu Gefäng¬
lang von der Leidenschaft des Streites ergriffen wird. Man
#s verurteilt. Leider verhaftet man ihn nicht sofort, und
begreift schlechterdings nicht, wie er sich überhaupt auf die
45 hat er Gelegenheit, sich im vierten Akte mit dem Pfarrer,
Sache einlassen konnte.
den er nicht zu der Sterbenden lassen wollte, über allerlei
Gespielt — das heißt, gesprochen — wurde fast durch¬
Religionsprohleme langatmig zu unterhalten. Es ist ge¬
weg mit Hingabe; rasch und gewandt fanden sich die Dar¬
Eschmackvoll, wenn ein jüdischer Schriftsteller ausgerechnet
steller in die nicht leichten Aufgaben hinein. Schade, daß sie
solche Stoffe aufgreift und mit schöner Unbefangenheit dazu
Rede=Marionetten bleiben mußten, trotz der Versuche, ihnen
benutzt, den idealen jüdischen Standpunkt gegen den eng=dann und wann menschliche Eigenschaften anzupinseln!
stirnigen, bornierten christlichen auszuspielen. Es ist ge= Bruno Decarli war ein gut aussehender, aristokratischer
schmackvoll, die „klerikale Partei“ auf der Bühne als kleinlich Bernhardi, Klein=Rhoden mimté den Ränkeschmied
plumpes Fälscher= und Hetzer=Volk zu kennzeichnen, den
Dr. Ebenwald gar verständnisvoll, Heinz Salfner
Juden dagegen als aufgeklärten, stolzen, unerschütterlichen wetterte nicht schlecht als treudeutscher Leibgardist Bern¬
Vollmenschen. Es ist geschmackvoll, das Problem nach Artl hardis. Man müßte sie alle nennen, denn sie sprachen, wie
der Kientopp=Dramatik anzupacken, mit grob einseitiger, be=schon erwähnt, alle ausgezeichnet. Herr Brahm aber hatz
wußt tendenziöser Betonung der eigenen Auffassung und wohl gewußt, was er tat, als er das Stück ablehntejund g##
schlechte Leitartikel vier Akte lang unaufhörlich zu wieder¬
Herrn Barnowsky überließ. Es war ihm zu geschmuck¬
holen. Eugen Richter gebrauchte für solche Art von Kunst=vost)...
übung das Wort Geseires. Daß Schnitzler, ein oft feiner¬
#
Kopf, sich zu ihr herbeiließ, ist immerhin bedauerlich.
Er hat allerdings dem Publikum des Kleinen Theaters
außerordentlich gut nach dem Munde geredet. Man geriet
während des dritten Aktes, der die Sitzung der Professoren¬
schaft darstellt, in steigende Erregung hinein und konnte nach
dem Fallen des Vorhanges den kühnen Verfasser nicht oft
genug rufen. Vorher und nachher war der Beifall minder
stark, doch ebenfalls freundlich genug. Verdient hat das
Werk ihn nicht. Selten nur blitzt ein Licht auf, das
Schnitzlers Begabung für das Seelische anzeigt, selten nur?
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Ausschnitt aus: etse
ese 1n e Schict, Lelih
vom: 291001912
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—Professor Bernhardi,
ein feines, nicht ganz an der Oberfläche hinstreichendes Wort.
Wie leicht hat sich der Verfasser die Charakteristik all dieser“
Komödie in fünf Akten von Arthur Schnigleesinnungs=Schubiake gemacht! Wie leicht die der Edelinge!!
Regie: Victor Barnowsky. (Kleisfez=Theater.)
Entweder sind sie seine Sprachrohre, und er läßt unendlich
Es ist ein sehr geschmackvolles Stück. Schon die Hand¬
schönes Pathos im Phrasenschwall aus ihnen herausdonnern.]
lung beweist das. Der jüdische Professor Bernhardi, Zierde
oder er entlarvt sie als minderwertige Streber. Satire, die
seines Standes, strotzend von innerer und äußerer Vornehm¬
mit Kneifzangen zufaßt und festhält, gibt es in diesem Stücke
heit, sieht sich gezwungen, einem Geistlichen den Zutritt zur
nicht. Obgleich es doch beispielsweise so leicht gewesen wäre,
sterbenden Patientin zu verweigern. Denn die Patientin
das Wiener Gericht, das den berühmten Bernhardi als
glaubt nicht an den ihr nahe bevorstehenden Tod, der An¬
Religionsverbrecher ins Gefängnis sperrte. dadurch zu ver¬
blick des Pfarrers könnte sie also auf den Tod erschrecken.
höhnen, daß man es mit lauter israelitischen Richtern be¬
Leider wird Bernhardis menschenfreundliche Gesinnung
setzte! Aber solche Wagnisse gestattete sich der Komödien¬
gröblich mißverstanden. Schäbige Intriganten und Neider
dichter nicht. Er zog es vor, Akte lang klägliche Plattheiten
unter den Kollegen benutzen den Vorfall, um Bernhardi zu
zu deklamieren, ohne dabei den rechten derben Mut zu
stürzen. Das gelingt ihnen um so leichter, als die scheinbar
lungenstarken Volksversammlungsreden
finden.
bedeutungslose Angelegenheit rasch weitere Kreise zieht, den
Schnitzler schlägt seine lauten Argumente selbst tot, indem
Rücktritt des Anstalts=Kuratoriums und eine feindselige
er sie sofort als eigentlich nebensächlich hinstellt. Sein Held
Interpellation im Parlament zur Folge hat. Bernhardi, steht so turmhoch über dem ganzen Kampfe, dünkt sich so er¬
vom Kultusminister schmählich verraten und preisgegeben, haben, so reif und weise, daß er niemals auch nur sekunden¬
wird wegen Religionsverbrechens angeklagt und zu Gefäng¬
lang von der Leidenschaft des Streites ergriffen wird. Man
#s verurteilt. Leider verhaftet man ihn nicht sofort, und
begreift schlechterdings nicht, wie er sich überhaupt auf die
45 hat er Gelegenheit, sich im vierten Akte mit dem Pfarrer,
Sache einlassen konnte.
den er nicht zu der Sterbenden lassen wollte, über allerlei
Gespielt — das heißt, gesprochen — wurde fast durch¬
Religionsprohleme langatmig zu unterhalten. Es ist ge¬
weg mit Hingabe; rasch und gewandt fanden sich die Dar¬
Eschmackvoll, wenn ein jüdischer Schriftsteller ausgerechnet
steller in die nicht leichten Aufgaben hinein. Schade, daß sie
solche Stoffe aufgreift und mit schöner Unbefangenheit dazu
Rede=Marionetten bleiben mußten, trotz der Versuche, ihnen
benutzt, den idealen jüdischen Standpunkt gegen den eng=dann und wann menschliche Eigenschaften anzupinseln!
stirnigen, bornierten christlichen auszuspielen. Es ist ge= Bruno Decarli war ein gut aussehender, aristokratischer
schmackvoll, die „klerikale Partei“ auf der Bühne als kleinlich Bernhardi, Klein=Rhoden mimté den Ränkeschmied
plumpes Fälscher= und Hetzer=Volk zu kennzeichnen, den
Dr. Ebenwald gar verständnisvoll, Heinz Salfner
Juden dagegen als aufgeklärten, stolzen, unerschütterlichen wetterte nicht schlecht als treudeutscher Leibgardist Bern¬
Vollmenschen. Es ist geschmackvoll, das Problem nach Artl hardis. Man müßte sie alle nennen, denn sie sprachen, wie
der Kientopp=Dramatik anzupacken, mit grob einseitiger, be=schon erwähnt, alle ausgezeichnet. Herr Brahm aber hatz
wußt tendenziöser Betonung der eigenen Auffassung und wohl gewußt, was er tat, als er das Stück ablehntejund g##
schlechte Leitartikel vier Akte lang unaufhörlich zu wieder¬
Herrn Barnowsky überließ. Es war ihm zu geschmuck¬
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übung das Wort Geseires. Daß Schnitzler, ein oft feiner¬
#
Kopf, sich zu ihr herbeiließ, ist immerhin bedauerlich.
Er hat allerdings dem Publikum des Kleinen Theaters
außerordentlich gut nach dem Munde geredet. Man geriet
während des dritten Aktes, der die Sitzung der Professoren¬
schaft darstellt, in steigende Erregung hinein und konnte nach
dem Fallen des Vorhanges den kühnen Verfasser nicht oft
genug rufen. Vorher und nachher war der Beifall minder
stark, doch ebenfalls freundlich genug. Verdient hat das
Werk ihn nicht. Selten nur blitzt ein Licht auf, das
Schnitzlers Begabung für das Seelische anzeigt, selten nur?