II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 3

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25. Bernhadi
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Ausschnitt aus: Reichs Alzeiger, Berlin
vom: (9 71. 137
Theater und Musik.
Kleines Theater.
Professor Bernhardi“ eine Komödie in fünf Akten von
Arthur Schnltzlerfand gestern bei ihrer Erstaufführung im
Kleinen Theater lauten Beifall. Die Komödie beginnt sehr ernst in
einem Wiener Krankenhause, dessen leitender Arzt, Professor Bern¬
hardi, einem Priester den Zutritt zu einer Schwerkranken versagt.
Er will ihr bis zum Ende das Glückegefühl gönnen, das die Hoffnung
auf eine baldige Genesung in ihr aufrecht erhält. Dem Priester stehi das
Seelenheil der Sterbenden höher als das Glück einer letzten
Stunde auf Erden. Doch die Kranke stirbt, ehe der Priester
zu ihr dringen kann. Auf diesem tragischen Untergrund baut
sich die Komödie auf, und sie ist darum auch recht freudlos
geraten. Die Fehde zwischen den Vertretern zweier grund¬
verschiedener Denkarten springt auf politisches und religiöses Gebiet!
über; und daß Professor Bernhardi Israelit ist, verschärft naturgemäß
die Gegensätze. Daß bei diesem erregten Parteigetriebe die Kämpfer
im Streit nicht immer ganz objektiv gezeichnet sind, ist menschlich
erklärlich; aber alle Gestalten sind ohne Aufdringlichkeit fein charak¬
terisiert und sind Menschen von Fleisch und Blut. Der menschen¬
freundliche Professor muß in übertriebener Weise für den Mut seiner
Meinung bußen; da das Stück aber eine Komödie sein soll, rückt
sich im letzten Augenblick alles so ziemlich wieder zurecht. Schnitzler
behandelt den Stoff, der recht handlungsarm ist, nach seiner Eigen¬
art; er zeigt sich in erster Linie wieder als Meister eines geistvollen
Dialogs, und dieser macht denn auch den Wert seines Stuckes aus.
Manche feinsinnige ironische Wendung ist darin enthalten, und
mancher kluge Gedanke fällt auf; immer ist die Form glatt
und geschliffen, immer
fesselt die Rede, aber nie greift
sie ans Herz. Von dramatischer Bewegung ist sie nur ein Mal
erfüllt, und zwar im dritten Aufzuge, wo es zu einer gründlichen
Aussprache zwischen dem Priester und dem Professor Bernhardi
kommt. Nach diesem Akt wurde der stärkste Beifall laut und nötigte
neben den Darstellern auch den Verfasser mehrmals vor den Vor¬
hang. Die szenische Anordnung und die Spielleitung Viktor
Barnowskys waren einwandfrei, und auch die Leistungen der
Darsteller verdienten ein volles Lob.
In der Titelrolle ent¬
wickelte Bruno Decarli liebenswürdige Schlichtheit und Wärme
in Rede und Spiel. Eine überragende Leistung bot Alfred Abel als
Priester; die Ueberlegenheit des Geistes, die weltmännische Vornehm¬
heit dieser Gestalt kamen überzeugend heraus. Aber auch die übrigen
Darsteller waren alle an ihrem Platze; sie gingen völlig in ihren
Rollen auf und stellten Menschen in greifbarer Klarheit auf die Bühne.
die bereits wiederholt von ihm erörterte Idee eines sogenannten
„Kulturparlaments"**); und wenn die Kulturparlamentarier
sich nur auf diese eine Bestrebung der „Eugenik“ konzentrieren
wollten, in welcher alles enthalten ist, was unser Volk zur
Wiedererstarkung in ungebrochener Rassenkraft braucht, dann
dürften sie alle sogenannten Politiker hinter sich lassen als die
wahren Realpolitiker des deutschen Volkes.
Der Kongreß für biologische Hygiene in Hamburg hat sich
diese Perspektiven zu eigen gemacht, welche seine Bestrebungen
im Kern zusammengefaßt wiedergaben, und unmittelbar nach
dem Vortrag eine Sonderversammlung anberaumt, um
praktisch Stellung dazu zu nehmen. Der Arbeitsausschuß des
Kongresses erklärte sich daraufhin in Permanenz, um für die
„„Kulturparlament=Idee“ weiterhin werbend einzutreten, welche
ser unter dem Namen eines Deutschen Volksrats auf¬
nahm. Diese Bezeichnung glauben wir indessen besser in die
eines biologischen Volksrats umzuändern. Jeden¬
falls soll das „Kulturparlament“ oder der „Volksrat“ nicht dazu,
berufen sein, als eine neue Spezies von Redeparlament ver¬
ärgert und eifernd hinter den offiziellen Parlamenten herzu¬
laufen, sondern vielmehr dazu, ein biologisch begründetes Volks¬
massiv zu schaffen, das als eine neue lebendige Zelle im Volks¬
leibe um sich greift und wirkt und diesen von innen heraus
umartet. Inzwischen hat der Herausgeber des „Vortrupps“
in Hamburg, Dr. Hermann Popert, in dankenswerter
Weise zu dem Unternehmen Stellung genommen (Nr. 22),
welches er dahin begründet, daß von den Lebensinteressen des
Volkes auch diejenigen, die nicht wirtschaftlicher Natur sind —
vor allem die rassenhygienischen Dinge —, im Parlaments¬
leben neben den wirtschaftlichen Interessen ihren Platz an
der Sonne erhalten müßten. Weiterhin erkennt Popert es als
ein besonderes Verdienst des Kongresses in Hamburg an, ge¬
fordert zu haben, daß der „Deutsche Volksrat“ außer seinen
parlamentarischen Aufgaben noch die Pflicht habe, als eine Art
Kulturgericht zu wirken, indem er da, wo unter uns
Deutschen solche Dinge geschehen, die Angriffe auf die Lebens¬
interessen des Volkes sind, eine öffentliche Verurteilung aus¬
sprechen müßte, deren Gewicht stark genug wäre, das Ver¬
derbliche zu hindern oder wenigstens seine Wiederholung un¬
möglich zu machen; ganz besonders in Fällen, wo rassen¬
hygienische Interessen oder solche der öffentlichen Ehrlichkeit
durch das Uebergewicht rein wirtschaftlicher Mächte bedroht
werden.
Das Verdienst an diesem Kongreß kommt vor allem dem
rührigen Herausgeber der Halbmonatsschrift „Allg. Beob¬
achter“ in Hamburg, Hugo Erdmann (Alsterdamm 2) zu.
Von den übrigen Vorträgen sind besonders hervorzuheben: Dr.
Kost (Limbach i. Meiningen) über neues Denken in der Medi¬
zin, Dr. Bachmann (Harburg) über den humoralen Konsti¬
tutionsbegriff, Dr. Kleinschrod (München) über das bio¬
logische Prinzip der Ernährung, und Prof. Holle (Bremer¬
haven) über Ziele und Wege des biologischen Unterrichts. Der
Kongreß soll in Jahresfrist in Berlin wieder tagen, und die
gesamten Verhandlungen erscheinen demnächst im Druck (Ham¬
burg 1, Alsterdamm 2).
**) Für die Leser der „Täglichen=Ründschau“ sei daran er¬
innert, daß das Thema „Kultupp#kkäment“ vom Verfasser an dieser
Stelle am 15./16. September 1910 und 18./19. Oktober 1911
(„Akademie der Axbeit, Kulturparlament und Kaiser=Wilhelm=Ge¬
sellschaft") behendelt worden ist.
Cheater und Mufik.
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„Drofelfor Bernbardi“.
Zur Erstaufführung von Schniglers neuer
Komödiel
Bei Lichte besehen, fordert Artur Schnitzlers neues Bühnen¬
werk nicht eben gebieterisch eine weitere Behandlung heraus.
Im Nachtbericht wurde bereits gezeigt, daß „Professor Bern¬
hardi“ ein Thesenstück mit persönlichen Bekenntnissen vereinigt
und erst nachträglich Komödie zu werden versucht. Auch wurde