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S.
er
Chre
Sc
über Araiffführungen
B
und Vielerwerbütigert
W
S“
ticher/Verlag Theaterabteilug BernM
B ülowstraße 60
Bericht Nr 55
Dezember 1912.
— —
Uraufführung am berliner Kleinen Theater
Pr
ofesfor Bernhardi
Komödie in fünf Akten von
Arthur Schnitzler
der in den nachstehenden Kritiken verzeichnett Erfolg hat sich inzwischen so gesteigert,
daß das Stück täglich im Kleinen Theater auf dem Spielplan steht.
Angenommen resp. aufgeführt: Berlin, Kleines Theater — Bremen, Schauspielhaus — Frankfurt a. M., Neues Theater
Hamburg, deutsches Schauspielhaus — Leipzig, Städtische Theater — münchen, Vereinigte Theater — Stockholm
und die schwedische Provinz.
Eigentlich wird es einem wundervoll leicht, über die Komödie Urteile. Man wird seiner erst habhaft, bis man ihn durch alle
und ihre Vorgänge zu berichten. Es ist, wie wenn man aus einem
Stationen seines Rechtskampfes hindurchwinden sah. Man glaubt
Versammlungslokale käme, dort Entscheidungsschlachten beigewohnt
ihn anfangs als einen nahen Verwandten von Ibsens „Volksfeind“.
hätte und nun angefüllt wäre vom Lobe über die Tüchtigkeit der zu agnoszieren, man wird an ihm etwas irre, wenn er in einer zu
Gesinnungsgenossen und von einem gewissen Stolze, daß der Sieg
theaterhaften Pose dem Geistlichen als Direktor des Spitals die
über sehr beachtenswerte Gegner, über beinahe sympathische
Hausherrenrechte betont, man hält ihn eine Weile für eigensinnig
Widersacher errungen worden ist. Es ist nicht bloß leben in dem
und in naive Rechtsgefühle verrannt wie etwa den braven Gymnasial¬
Stücke, sondern die Szenen haben, weil immer debattiert, ver¬
direktor in „Traumulus“, wenn er die Menschen bei längst über¬
handelt und der Augenblick ausgeschöpft wird, den scharken Gang holten Verfehlungen und kleineren Gesinnungsschwächen verhaftet.
der Wirklichkeit in Worten und Nuancen und Zufällen, in Haupt= So in der ersten Unterredung mit dem Kultusminister, dem er,
und Nebenerscheinungen nachgebildet.
statt sich über Wandlungen und Entwicklungen zu freuen, die
Und im Mittelpunkt der Aktionen steht ein samoser Kerl, ein Sünden gemeinsamer Schulzeit ins Gedächtnis ruft. Aber die
Gesinnungsmensch, ein furchtloser Fanatiker von Eigenschaften, die
Züge, die im einzelnen stören, stehen unter einem höheren Gesetze
man Charakter nennt, ein unpolitischer Politiker des Gefühls, des
und wir erleben den Aufschwung einer Persönlichkeit, die wahrhaftig
Anstandes, der unweigerlichen Instinkte. Er hat aus ärztlicher
aus Bedürfnis ist und gegen jede Versuchung, gegen alle Reize der
Ueberzeugung einem Geistlichen den Zutritt zum Krankenbette einer
Situationen mit dem Temperamente einer unbestechbaren Natur reagiert.
ahnungslos Sterbenden verweigert und trägt kompromißlos alle Selbst als der Geistliche nach der Gerichtsverhandlung kommt und
Konsequenzen. Da er Jude ist, wird er wegen Religionsstörung in einer menschlich schönen Wallung sich dem Standpunkt des
verurteilt. Da er den öffentlichen Lärm haßt, verzichtet er auf Professors nähert, weist er ihn zurück mit Bitterkeiten der Gesinnung,
Berufung an eine höhere Instanz, da er stolz ist, verschmäht er mit Ironien eines aus seinen Weltbegriffen nicht Entreißbaren.
den Gnadenweg und läßt sich auf zwei Monate einsperren, und als
Und der Dichter verstärkt den Glauben an diesen Gefühls¬
propheten durch die prachtvolle Schilderung des Gegenspiels. Der
er umjubelt von Anhängern den Kerker verläßt und eine Kronzeugin
sich des Meineids anklagt, möchte er aus Verachtung lauter Triumphe Minister, der uns in der Beurteilung von Recht und Unrecht und
am liebsten davonfliehen, um den Schwindel einer Gerichts= von höheren Zwecken schwankend machte, kompromittiert seine
verhandlung nicht noch einmal „in anderer Beleuchtung“ zu sehen. Weltklugheit, die Schärfe der Gegner nutzt sich in den unruhigen
Über diesen Mann sammeln sich im Zuschauer alle möglichen politischen Zeiten ab, und selbst die Leidenschaft der Freunde ist
S.
er
Chre
Sc
über Araiffführungen
B
und Vielerwerbütigert
W
S“
ticher/Verlag Theaterabteilug BernM
B ülowstraße 60
Bericht Nr 55
Dezember 1912.
— —
Uraufführung am berliner Kleinen Theater
Pr
ofesfor Bernhardi
Komödie in fünf Akten von
Arthur Schnitzler
der in den nachstehenden Kritiken verzeichnett Erfolg hat sich inzwischen so gesteigert,
daß das Stück täglich im Kleinen Theater auf dem Spielplan steht.
Angenommen resp. aufgeführt: Berlin, Kleines Theater — Bremen, Schauspielhaus — Frankfurt a. M., Neues Theater
Hamburg, deutsches Schauspielhaus — Leipzig, Städtische Theater — münchen, Vereinigte Theater — Stockholm
und die schwedische Provinz.
Eigentlich wird es einem wundervoll leicht, über die Komödie Urteile. Man wird seiner erst habhaft, bis man ihn durch alle
und ihre Vorgänge zu berichten. Es ist, wie wenn man aus einem
Stationen seines Rechtskampfes hindurchwinden sah. Man glaubt
Versammlungslokale käme, dort Entscheidungsschlachten beigewohnt
ihn anfangs als einen nahen Verwandten von Ibsens „Volksfeind“.
hätte und nun angefüllt wäre vom Lobe über die Tüchtigkeit der zu agnoszieren, man wird an ihm etwas irre, wenn er in einer zu
Gesinnungsgenossen und von einem gewissen Stolze, daß der Sieg
theaterhaften Pose dem Geistlichen als Direktor des Spitals die
über sehr beachtenswerte Gegner, über beinahe sympathische
Hausherrenrechte betont, man hält ihn eine Weile für eigensinnig
Widersacher errungen worden ist. Es ist nicht bloß leben in dem
und in naive Rechtsgefühle verrannt wie etwa den braven Gymnasial¬
Stücke, sondern die Szenen haben, weil immer debattiert, ver¬
direktor in „Traumulus“, wenn er die Menschen bei längst über¬
handelt und der Augenblick ausgeschöpft wird, den scharken Gang holten Verfehlungen und kleineren Gesinnungsschwächen verhaftet.
der Wirklichkeit in Worten und Nuancen und Zufällen, in Haupt= So in der ersten Unterredung mit dem Kultusminister, dem er,
und Nebenerscheinungen nachgebildet.
statt sich über Wandlungen und Entwicklungen zu freuen, die
Und im Mittelpunkt der Aktionen steht ein samoser Kerl, ein Sünden gemeinsamer Schulzeit ins Gedächtnis ruft. Aber die
Gesinnungsmensch, ein furchtloser Fanatiker von Eigenschaften, die
Züge, die im einzelnen stören, stehen unter einem höheren Gesetze
man Charakter nennt, ein unpolitischer Politiker des Gefühls, des
und wir erleben den Aufschwung einer Persönlichkeit, die wahrhaftig
Anstandes, der unweigerlichen Instinkte. Er hat aus ärztlicher
aus Bedürfnis ist und gegen jede Versuchung, gegen alle Reize der
Ueberzeugung einem Geistlichen den Zutritt zum Krankenbette einer
Situationen mit dem Temperamente einer unbestechbaren Natur reagiert.
ahnungslos Sterbenden verweigert und trägt kompromißlos alle Selbst als der Geistliche nach der Gerichtsverhandlung kommt und
Konsequenzen. Da er Jude ist, wird er wegen Religionsstörung in einer menschlich schönen Wallung sich dem Standpunkt des
verurteilt. Da er den öffentlichen Lärm haßt, verzichtet er auf Professors nähert, weist er ihn zurück mit Bitterkeiten der Gesinnung,
Berufung an eine höhere Instanz, da er stolz ist, verschmäht er mit Ironien eines aus seinen Weltbegriffen nicht Entreißbaren.
den Gnadenweg und läßt sich auf zwei Monate einsperren, und als
Und der Dichter verstärkt den Glauben an diesen Gefühls¬
propheten durch die prachtvolle Schilderung des Gegenspiels. Der
er umjubelt von Anhängern den Kerker verläßt und eine Kronzeugin
sich des Meineids anklagt, möchte er aus Verachtung lauter Triumphe Minister, der uns in der Beurteilung von Recht und Unrecht und
am liebsten davonfliehen, um den Schwindel einer Gerichts= von höheren Zwecken schwankend machte, kompromittiert seine
verhandlung nicht noch einmal „in anderer Beleuchtung“ zu sehen. Weltklugheit, die Schärfe der Gegner nutzt sich in den unruhigen
Über diesen Mann sammeln sich im Zuschauer alle möglichen politischen Zeiten ab, und selbst die Leidenschaft der Freunde ist