II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 69

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25 Prrnhandi
hnitzler und Sohn
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mehr wehren kann. Irgendeine Gefühlshemmung,
die wohl berechtigt sein muß, hat mich zurückgehal¬
ten, als ich mit Arthur Schnitzler das letztemal an
demselben Tisch saß, ihn nach dem Ursprung seiner
Komödie zu fragen. Denn ich glaubte, ihn erraten zu
haben.
Es war vor einigen Jahren in einem wiener
Sanatorium. Ein berühmter Mann, den die Mit¬
welt wie wenige bewundert, verwöhnt, geliebt hatte,
lag im Sterben, und man bemühte sich, ihm diesen
Übergang so leicht wie möglich zu machen. Er glaubte
nicht an das Ende, oder er tat mindestens, als ob er
nicht daran glaubte; denn er war ein Mann, ein
genialer Künstler, mit einem kühnen und harten
Geist gerüstet, der auch vor der letzten Schwelle
seine Selbständigkeit nicht abgegeben hätte. In diesem
Augenblick streckte sich eine schwarze Hand nach ihm
aus, oder vielmehr ihr Schatten erschien an der
Wand des Krankenzimmers. Es war nicht die Kirche
selbst, die einen überzeugten Jünger Kants und
Schopenhauers zu ihrem größeren Ruhme forderte,
es war vielmehr die Furcht vor der Kirche, die ihn
ausliefern wollte. Wir haben uns zu sehr daran ge¬
wöhnt, sie von der ästhetischen und historischen Seite
anzusehen. In Wien läuten viele Glocken, und wir
möchten es uns ohne den Stefansdom nicht denken;
aber wir sind von etwas ganz Unerwartetem, Un¬
wahrscheinlichem überrascht, wenn die Kirche als Macht
aufsteht, um nach einem Menschen zu greifen, oder
wenn die Leute vor lauter Angst ihr die spolia optima
gleich zuvorkommend anbieten. Zu der Leitung,
wenigstens zu der wissenschaftlichen dieser Heilanstalt,
gehörte gewiß kein gläubiger Katholik, aber es pfleg¬
ten sich dort die Damen der höchsten Gesellschaft und
selbst Erzherzoginnen entbinden zu lassen. Man sorgte
um die Kundschaft, und man fürchtete sich vor den
geistlichen Orden, die in einem Fall des Argernisses
vielleicht den Zuzug von Krankenschwestern verhin¬
dert hätten. In solchen Fällen wird viel zugeredet
von den Angstlichen, von den Politischen, von den
Strebern, die auf ein gutes Führungszeugnis Wert
legen: es ist ja nichts dabei, es ist nur eine Form,
und man wird sie so rücksichtsvoll und unauffällig
wie möglich anwenden. Avec le ciel il y a des
accommodements. Daß es doch nicht zur letzten Olung
kam, war nur dem tapferen Widerstande der Nächst¬
stehenden zu verdanken, die den Sinn dieses Lebens
nicht getrübt wissen wollten.
Schs der Bahnten
Arthur Schnitzler dürfte dieser nächtliche Spuk
und Kampf um ein Sterbelager nicht unbekannt ge¬
Schnitzler und Sohn
blieben sein, und wenn meine Vermutung ihm diese
K Berlin)
Anregung zuschreibt, so wird man sogleich die künst¬
Professor Bernhardi.“ Komödie in fünf Akten von
lerische Überlegung anerkennen müssen, die den Fallselbst
Arthur Schnitzler. (Kleines Theater, 28. November.)
zu einem möglichst beispielmäßigen, persönlich gleich¬
Buchausgabe S. Fischer. — Sommer.“ Komödie in
drei Akten von Thaddäus Rittner. (Lessingtheater,
gültigen geläutert hat. Das sterbende junge Mädchen,
6. Dezember.) Buchausgabe Deutsch=Oesterreichischer¬
das in die Geburtsabteilung des Elisabethinum ein¬
Verlag.
geliefert wurde, befindet sich in dem Zustand, den

er Kritiker braucht den Schutz der Offentlich¬
die Arzte Euphorie nennen, der das Ende mit einer
keit, um sich in Erfahrungen, Erlebnisse eines
subjektiven Glücksempfindung sanft macht. Professor
2 Dichters einzuschleichen, um nach Modellen,
Bernhardi verhindert den eintretenden Priester, diesen
Quellen, Anregungen zu suchen. Am be¬
Zustand durch die Darreichung der Sterbesakramente
quemsten sind ihm tote Dichter; da heißt die Neu¬
zu unterbrechen, und da der Auftritt durch den be¬
gierde Forschungstrieb, die indiskrete Vermutung
wußten Meineid eines Strebers, durch den unbe¬
Hypothese, und man bindet den Mann durch eine
wußten einer hysterisch aufgeregten Krankenschwester

von Tatsachen, Überlieferungen und Auslegungen
entstellt worden ist, wird er wegen Neligionsstörung
wohlverflochtene Biographie, gegen die er sich nicht auf zwei Monate eingesperrt.
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