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sißziger Taghlatt
Also ein Konflikt zwischen Kirche und Wissenschaft?
feinen und noblen Gebärden auskämpfen läßt. Hier
Wirklich scheint es so, wie es auch den erleuchteten
wird der lächelnde Zweifler wieder ganz zum Dich¬
Theater und Musik.
Zensoren erscheinen mußte, deren Spruch dies Werk
ter, der dem vollen ehrlichen Gefühl beipflichtet, das
ein für allemal zum Tendenzdrama stempelte: Der
seine Träger gleichzeitig gefährdet und rettet gegen¬
Schnitzler's „Professor Bernhard!“ im
Arzt, Jude zudem, verweigert dem Pfarrer den Zu¬
über jenen, von denen Bernhardi sagt: „Der Herr
inen Sheater.
tritt zu der ahnungslosen Kranken, die ohne den
verzeihe ihnen —— sie wissen verdammt gut, was
Empfang der Sterbesakramente in der glücklichsten
sie tun.“
Es ist etwas an diesen Wienern, was sie uns zu¬
Hoffnung auf Genesung sterben würde. Der Arzt:
gleich lieb und fremd macht. Eine überlegene Klug¬
So sind auch die beiden Feinde im Grunde wieder
„Die Kranke weiß nicht, daß sie verloren ist. Sie ist
heit, ein spöttisches und zugleich verstehendes
einander verwandt gegenüber jenen Allzuklugen, die
heiter, glücklich und — reuelos.“ Der Pfarrer: „Eine
Lächeln das unserer schwereren Art fern liegt, und
ihre niedrige Eigenliebe hinter großen Worten ver¬
um so schwereie Schuld nähme ich auf mich, wenn ich
uns doch wie eine naturgemäße Ergänzung eigenen
bergen. Auch diese Erkenntnis ringt sich aus Er¬
von dieser Schwelle wiche, ohne der Sterbenden die
Wesens erscheint. Bei einem deutschen Dichter wäre
bitterung und Zorn, aus Scham und Qual in dieser
Tröstungen unserer heiligen Religion verabreicht zu
Auseinandersetzung los, die die beiden Gegner im
sicherlich der „Fall Bernhardi“ das ernsthafte Thesen¬
haben.“ Als die Kranle unter dem jähen Eindruck
Tiefsten aufrührt,so sehr sie ihre Gefühle hinter klugen
stück geblieben, das sich unter Schnitzlers Händen
der Schreckensbotschaft ohne Absolution stirbt, wird
Worten zu bergen suchen. Jetzt wissen sie's auch:
mählich zur heiteren Komödie wandelt. Hier liegt
der Arzt, der den Pfarrer am Eintritt hinderte, wegen
sie haben beide Recht und Unrecht.
der Reiz und zugleich die Gefahr: in diesem
Religionsstörung angeklagt und auf einige gefärbte
Was nun kommt, ist lediglich Spiel und Gaukelei.
geistvollen Spiel mit den Dingen, das sie
Zeugenberichte trotz der entlastenden Aussage des
Der Alltag, den Bernhardi zunächst noch in Gestalt
dort, wo sie zu ernsthaft werden wollen, abbiegt
Pfarrers selbst zu Kerkerhaft verurteilt, obgleich er
eines Reporters elegant und entschieden zur Tür
mit jenem Lächeln, das besagt: Es geht auch anders!
sich durch einige kleine Schiebungen vor diesem auf¬
hinauswirft, bricht nach seiner Freilassung mit Macht¬
Mancherlei Bitterkeit und geheime Schwäche birgt
genötigten Märtyrertum hätte bewahren können. In
über ihn hinein. Auf alle Nachegelüste an den feind¬
sich hinter dieser heiteren Skepsis. Nichts ernst
diesem Hin und Wider politischer und persönlicher
lichen Mächten, an denen nämlich, die er jetzt für
nehmen müssen, und manchmal nichts ernst nehmen
Ränke, wie in dem ganzen Kampf um die Leitung
seine wahren Feinde halten muß, verzichtet er, als er##
können: das ist es. Und doch lockt uns diese
von Bernhardis Anstalt liegen trotz aller Feinheit
sieht, wie jetzt, da es für ihn zu spät ist, in der un¬
Kunst, zumal wenn sie ihr Lächeln und ihre Schwer¬
der Dialektik die größten Schwächen und Längen des
sinnigsten Weise sich alles zu seinem Besten kehrt.
mut in eine so geschmackvolle Form und in eine solche
Stücks. Aber aus all diesem Wirrsal und Lärm, aus
Und zum Schluß setzt ihm der österreichische Hofrat,
Feinheit kleidet, wie es in diesem Werke geschah, das
diesem marktschreierischen Kampf um äußere Inter¬
den Schnitzler mit vollem Bedacht sich gerade zum
seinem durch den Jungen Medardus“ geradezu hof¬
essen ringt sich langsam das stille noble Gegnertum
Moralisten ausgesucht hat, in wohlgesetzten Worten
fähig gewordenen Autor in seiner Heimat ein
der beiden Feinde zu voller Klarheit durch. Nach
auseinander, daß die ganze Geschichte halt nur eine
Zensurverbot zuzog, und das nun nach Berlin und
der äußeren Entscheidung sucht der siegreiche Pfarrer
Viecherei war.
Bremen auch in Leipzig mit rauschendem Beifall
den Unterlegenen auf und in wundervoll ehrlichen
Hat er nicht recht, der kluge Dichter, wenn er
empfangen wurde.
und zugleich feinen und spitzen Worten sagen sie ein¬
diesen Spiegel von allerlei Menschlichkeiten unter
In diesem Lustspiel stoßen mit dem Arzt und dem
ander die ganze Wahrheit — jeder die seine. Und
heiterer Gaukelei verbirgt und zum Schluß das ganze
Geistlichen, die sich am Krankenlager feindlich be¬
schließlich reichen sie sich über den Abgrund hinweg,
gegnen, zwei Weltanschauungen aufeinander, für die
Spiel in einen Scherz verklingen läßt, der es be¬
der sie für ewig trennt, die Hände, bevor sie ausein¬
es keinen Ausgleich gibt. Die beiden, und in Wahr¬
schließt und aufhebt zu gleicher Zeit?
andergehen
der eine ins Gefängnis, der andere
heit auch nur sie allein, fühlen es daß nicht nur die
Der Aufführung, für deren Inszenierung Re¬
in die Verbannung, in die ihn der Zorn seines
Meinungen ihres Standes, die Verschiedenheit des
gisseur Huth zeichnete, hätte man im ganzen mehr
Blutes und der religiösen Ueberzeugung sie trennt
Oberen treibt. Diese Szene ist prächtig. Zwar weiß
von Schnitzlerscher Leichtinkeit und Feinheit der
und verfeindet, sondern daß sie einen uralten Gegensatz
man auch hier, wie nur zu oft in dem Stück, schon im
Differenzierung wünschen mögen. Es war vieles noch
auszutragen haben, der über ihr persönliches Wollen
vorhinein, was geschehen wird, erinnert sich ver¬
zu deutlich, zu stark unterstrichen. Auch Bruno#
hinausgeht. Es gibt letzten Endes zwischen ihnen so
wandter Situationen, in denen ehrliche Feinde mit
Decarli, der seinem Professor Bernhardi schon rein
wenig eine Verständigung, wie zwischen Plato und
offenem Visier sich wegen ihrer Gesinnungstüchtigkeit
äußerlich eine ausgezeichnete Charakteristik mitgab,
Aristoteles oder zwischen Roscellin und Thomas oder
salutieren, während die Gesinnungslosigkeit sich scheu
hielt sein Temperament nicht immer genügend zu¬
Anselm — trotz aller abärlardischen Konzessions¬
hinter dem Schilde des Rechts zu verbergen sucht.
sammen. Sehr unangenehm wirkten zuweilen seine
meier, die auch in diesem Stück mit aller scholastischer
Aber das ist gerade das beste an Schnitzler, daß
Zwischenrufe und Einfügungen. So raubte er dem##
Dialektik die Dinge und Dogmen nach alle Seiten
er hier über alle Bahrsche Skepsis hinweg gerades¬
Schlusse seine eigentliche Wirkung, indem er in über¬
wenden und drehen ohne am Ene zu=bejahen oder
wegs an Anzengruber anknüpft und die Kontraste
strömender Anteilnahme auf die Bemerkung des Hof¬
zu verneinen.
des Volksstückes unter hochkultivierten Menschen mit I rats recht hörbar, noch eine ganz überflüssige Ant¬
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sißziger Taghlatt
Also ein Konflikt zwischen Kirche und Wissenschaft?
feinen und noblen Gebärden auskämpfen läßt. Hier
Wirklich scheint es so, wie es auch den erleuchteten
wird der lächelnde Zweifler wieder ganz zum Dich¬
Theater und Musik.
Zensoren erscheinen mußte, deren Spruch dies Werk
ter, der dem vollen ehrlichen Gefühl beipflichtet, das
ein für allemal zum Tendenzdrama stempelte: Der
seine Träger gleichzeitig gefährdet und rettet gegen¬
Schnitzler's „Professor Bernhard!“ im
Arzt, Jude zudem, verweigert dem Pfarrer den Zu¬
über jenen, von denen Bernhardi sagt: „Der Herr
inen Sheater.
tritt zu der ahnungslosen Kranken, die ohne den
verzeihe ihnen —— sie wissen verdammt gut, was
Empfang der Sterbesakramente in der glücklichsten
sie tun.“
Es ist etwas an diesen Wienern, was sie uns zu¬
Hoffnung auf Genesung sterben würde. Der Arzt:
gleich lieb und fremd macht. Eine überlegene Klug¬
So sind auch die beiden Feinde im Grunde wieder
„Die Kranke weiß nicht, daß sie verloren ist. Sie ist
heit, ein spöttisches und zugleich verstehendes
einander verwandt gegenüber jenen Allzuklugen, die
heiter, glücklich und — reuelos.“ Der Pfarrer: „Eine
Lächeln das unserer schwereren Art fern liegt, und
ihre niedrige Eigenliebe hinter großen Worten ver¬
um so schwereie Schuld nähme ich auf mich, wenn ich
uns doch wie eine naturgemäße Ergänzung eigenen
bergen. Auch diese Erkenntnis ringt sich aus Er¬
von dieser Schwelle wiche, ohne der Sterbenden die
Wesens erscheint. Bei einem deutschen Dichter wäre
bitterung und Zorn, aus Scham und Qual in dieser
Tröstungen unserer heiligen Religion verabreicht zu
Auseinandersetzung los, die die beiden Gegner im
sicherlich der „Fall Bernhardi“ das ernsthafte Thesen¬
haben.“ Als die Kranle unter dem jähen Eindruck
Tiefsten aufrührt,so sehr sie ihre Gefühle hinter klugen
stück geblieben, das sich unter Schnitzlers Händen
der Schreckensbotschaft ohne Absolution stirbt, wird
Worten zu bergen suchen. Jetzt wissen sie's auch:
mählich zur heiteren Komödie wandelt. Hier liegt
der Arzt, der den Pfarrer am Eintritt hinderte, wegen
sie haben beide Recht und Unrecht.
der Reiz und zugleich die Gefahr: in diesem
Religionsstörung angeklagt und auf einige gefärbte
Was nun kommt, ist lediglich Spiel und Gaukelei.
geistvollen Spiel mit den Dingen, das sie
Zeugenberichte trotz der entlastenden Aussage des
Der Alltag, den Bernhardi zunächst noch in Gestalt
dort, wo sie zu ernsthaft werden wollen, abbiegt
Pfarrers selbst zu Kerkerhaft verurteilt, obgleich er
eines Reporters elegant und entschieden zur Tür
mit jenem Lächeln, das besagt: Es geht auch anders!
sich durch einige kleine Schiebungen vor diesem auf¬
hinauswirft, bricht nach seiner Freilassung mit Macht¬
Mancherlei Bitterkeit und geheime Schwäche birgt
genötigten Märtyrertum hätte bewahren können. In
über ihn hinein. Auf alle Nachegelüste an den feind¬
sich hinter dieser heiteren Skepsis. Nichts ernst
diesem Hin und Wider politischer und persönlicher
lichen Mächten, an denen nämlich, die er jetzt für
nehmen müssen, und manchmal nichts ernst nehmen
Ränke, wie in dem ganzen Kampf um die Leitung
seine wahren Feinde halten muß, verzichtet er, als er##
können: das ist es. Und doch lockt uns diese
von Bernhardis Anstalt liegen trotz aller Feinheit
sieht, wie jetzt, da es für ihn zu spät ist, in der un¬
Kunst, zumal wenn sie ihr Lächeln und ihre Schwer¬
der Dialektik die größten Schwächen und Längen des
sinnigsten Weise sich alles zu seinem Besten kehrt.
mut in eine so geschmackvolle Form und in eine solche
Stücks. Aber aus all diesem Wirrsal und Lärm, aus
Und zum Schluß setzt ihm der österreichische Hofrat,
Feinheit kleidet, wie es in diesem Werke geschah, das
diesem marktschreierischen Kampf um äußere Inter¬
den Schnitzler mit vollem Bedacht sich gerade zum
seinem durch den Jungen Medardus“ geradezu hof¬
essen ringt sich langsam das stille noble Gegnertum
Moralisten ausgesucht hat, in wohlgesetzten Worten
fähig gewordenen Autor in seiner Heimat ein
der beiden Feinde zu voller Klarheit durch. Nach
auseinander, daß die ganze Geschichte halt nur eine
Zensurverbot zuzog, und das nun nach Berlin und
der äußeren Entscheidung sucht der siegreiche Pfarrer
Viecherei war.
Bremen auch in Leipzig mit rauschendem Beifall
den Unterlegenen auf und in wundervoll ehrlichen
Hat er nicht recht, der kluge Dichter, wenn er
empfangen wurde.
und zugleich feinen und spitzen Worten sagen sie ein¬
diesen Spiegel von allerlei Menschlichkeiten unter
In diesem Lustspiel stoßen mit dem Arzt und dem
ander die ganze Wahrheit — jeder die seine. Und
heiterer Gaukelei verbirgt und zum Schluß das ganze
Geistlichen, die sich am Krankenlager feindlich be¬
schließlich reichen sie sich über den Abgrund hinweg,
gegnen, zwei Weltanschauungen aufeinander, für die
Spiel in einen Scherz verklingen läßt, der es be¬
der sie für ewig trennt, die Hände, bevor sie ausein¬
es keinen Ausgleich gibt. Die beiden, und in Wahr¬
schließt und aufhebt zu gleicher Zeit?
andergehen
der eine ins Gefängnis, der andere
heit auch nur sie allein, fühlen es daß nicht nur die
Der Aufführung, für deren Inszenierung Re¬
in die Verbannung, in die ihn der Zorn seines
Meinungen ihres Standes, die Verschiedenheit des
gisseur Huth zeichnete, hätte man im ganzen mehr
Blutes und der religiösen Ueberzeugung sie trennt
Oberen treibt. Diese Szene ist prächtig. Zwar weiß
von Schnitzlerscher Leichtinkeit und Feinheit der
und verfeindet, sondern daß sie einen uralten Gegensatz
man auch hier, wie nur zu oft in dem Stück, schon im
Differenzierung wünschen mögen. Es war vieles noch
auszutragen haben, der über ihr persönliches Wollen
vorhinein, was geschehen wird, erinnert sich ver¬
zu deutlich, zu stark unterstrichen. Auch Bruno#
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wenig eine Verständigung, wie zwischen Plato und
offenem Visier sich wegen ihrer Gesinnungstüchtigkeit
äußerlich eine ausgezeichnete Charakteristik mitgab,
Aristoteles oder zwischen Roscellin und Thomas oder
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hielt sein Temperament nicht immer genügend zu¬
Anselm — trotz aller abärlardischen Konzessions¬
hinter dem Schilde des Rechts zu verbergen sucht.
sammen. Sehr unangenehm wirkten zuweilen seine
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Aber das ist gerade das beste an Schnitzler, daß
Zwischenrufe und Einfügungen. So raubte er dem##
Dialektik die Dinge und Dogmen nach alle Seiten
er hier über alle Bahrsche Skepsis hinweg gerades¬
Schlusse seine eigentliche Wirkung, indem er in über¬
wenden und drehen ohne am Ene zu=bejahen oder
wegs an Anzengruber anknüpft und die Kontraste
strömender Anteilnahme auf die Bemerkung des Hof¬
zu verneinen.
des Volksstückes unter hochkultivierten Menschen mit I rats recht hörbar, noch eine ganz überflüssige Ant¬