II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 85

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der allmächtigen Nieder¬
durch und durch studieren,
ng des Judentums als Pa¬
as Eine. Dann aber wendet
zu jenen Juden, die sich
tischer Gesinnung fürchten,
die darum fremde Formen
in Heiliges im Menschen
Schönheitsgefühl.
Für den Nationalisten ist
onale Sache schädigt und
Elt, so oft er sich als Assi¬
den Künstler aber ist der
d vor allem ein Mensch
ein Mensch ohne Schön¬
Menschen rächt sich der
mus nicht minder wie der
nd nun diese beiden Ge¬
die Gesellschaft betrifft,
ernhardis Handlungsweise
Sie nimmt die Verleum¬
Frömmelei zu Hilfe. Das
anerkannten Leuchte der
Endem: er verwehrt einem
iner sterbenden Kranken,
Ankenanstalt besuchen will,
enten zu versehen. Er tut
nZustand der Patientin
en Unkenntnis ihrer ge¬
träumt wachend vom Ge¬
mitnehmen wird. Sie geht
ihres berauschenden Trau¬
solche Seelenzustände bei
Bernhardi läßt sich aus¬
hmanität leiten, als er sich
u zerstören, in dem die
m Erscheinen des Pfarrers
e. Es entsteht ein Kon¬
aren Gefühl der Mensch¬
Dogma andererseits. Der
geltend, denn unmöglich
in noch in ihrer Sünden
die Geleitworte des geist¬
widersetzt sich nun Pro¬
genschaft als Direktor der
zwingt den Geistlichen,
tden Knoten der Hand¬
liglich die Wirkung dieser
aus dem Krankenzimmer.
Berg von ungeheuerlich¬
über dem Haupte Pro¬
und im Hintergrund dieses
„ *

Diese Entwicklung Schnitziers ist interessant. Ob
Kampfes zicht an uns eine ganze Calerie schaft um¬
auf dem Wege der aesthetischen Anregung oder auf
rissener Typen vorüber: Gelehrte, Aerzte, Minister, Hof¬
irgendeinem anderen psychologischen Wege, nähert er
räte, Journalisten. Diese ganze Gesellschaft dientmit
Ausnahme einiger weniger trener Anhlänger des wo¬
sich immer mehr dem Judentum.
Der Künstler in Schnitzler wendet sich voll Verach¬
fessors Bernhardi lediglich dem Augenblickserfolg uid
tung von der Assimilation, Jedenfalls fühlt man jedes¬
zeigt naturgemäß dem Professor den Rücken. So #t
Bernhardi gewissermaßen phiysisch besiegt.
mal, wenn Löwenstein das Wort ergreift, wie ihn des
Verfassers Sympathie begleitet, und manchmal ist es,
Schnitzler benutzt freilich das Ganze, um im al¬
als nicke Schnitzler mit dem Haupte und als spräghe
gemeinen eine gesellschaftliche Satire zu formen, und
man muß gestehen, daß sie ihm soweit gelungen ist.
er: „Sehr richtig“
Allerdings: es ist etwas faul im Staate Dänemark, wenn
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alles, was in Schnitzlers Drama vorgeht, wirklich mög¬
lich ist. Dennoch: für uns und die Entwicklung des
Autors ist das zweite Problem das interessanteste: die
Jndenfrage, der wir in der Komödie begegnen.
Professor Bernhardi ist Jude — ein Umstand von
überragender Tragweite. Sein Freund, Dr. Löwenstein,
erklärt offen, daß der Vorfall mit dem Seelsorger nie¬
mals so viel Lärm und Aufruhr verursacht haben wurde,
wenn der Anstaltsdirektor zufällig kein Jude gewesen
wäre. Dagegen versichert der liberale Professor Filitz,
Löwenstein leide unter Verfolgungswahnsinn, er sehe
überall Feinde der Judenheit. Er würde über Bern¬
hardis Handlungsweise ebenso geurteilt haben, wenn
dieser ein Christ gewesen wäre:
Löwenstein: Gut. Möglich. Aber dann wären
hinter diesem Christen Tausende oder Hunderttausende
gestanden, die sich jetzt nicht rühren oder sich sogar
gegen ihn stellen werden.
Filitz: Wer?
Löwenstein:
Die Deutschnationalen ued na¬
türlich die Juden,
eine gewisse Sorte mein' ich, die
keine Gelegenheit vorübergehen läßt, sich in den Schutz
der herrschenden Mächte zu begeben.
Wir sehen eine ganze Reihe von solchen Reptilien,
die vor der herrschenden Partei kriechen, die ihre Ab¬
stammung vergessen, und man muß es Schnitzler lassen:
er spart weder Worte noch Farben, um mit dem scho¬
nungslosesten Spott diese bewußten und halbbewußten
Verräter zu stigmatisieren.
Da sind auch großzügige Wohltäter, die indessen
ihre Zuwendungen jenen Anstalten zugute kommen
lassen, an deren Spitze Prinzen, Fürsten und Grafen
stehen, da ist auch eine neue Abart der Assimilation,
ein Dr. Schreimann, der den schwierigeren Teil erwählt
zu haben behauptet, indem er sich für einen edlen Deut¬
schen ausgibt.
Schreimann: Und ich versichere dich, wenn
sich einer von meiner Abstammung heutzutage als Deut¬
scher und Christ bekennt, so gehört dazu ein größerer
Mut, als wenn er das bleibt, als was er auf die Welt
gekommen ist. Als Zionist hätt’ ich’s leichter gehabt.“
Dieser Schreimann ist natürlich gegen Bernhardi,
er ist in Wahrhei' ein Märtyrer seines neuen Glaubens,
denn er muß seinen Katholizismus um so nachdrück¬
licher betonen, je mehr er von andern in Zweifel ge¬
zogen wird.
Pflugfelder: „Aber Sie Schreimann? Sie
schweigen? Auch gegen Bernhardi? Auch empört, daß
er den Herrn Pfarrer gebeten hat, ein armes krankes
Menschenkind ungestört sterben zu lassen.
Begreiflich, begreiflich. So ganz frische religiöse
Gefühle, die müssen besonders .geschont werden.“
Hier sehen wir auch den Rechtsanwalt Goldenthal,
einen getauften Juden, dessen Frau ein riesiges Kreuz
am Busen trägt, dessen Kinder in einer katholischen
Anstalt erzogen werden und wir schen noch eine Reihe
solcher Proselyten, die nicht nur die Empörung des
in allen Fragen des Judentums empfindsamen Dr. Lö¬
wenstein, sondern auch Arthur Schnitzlers Empörung
hervorrufen.