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25. BrofeSSAE-Bernhanal
Saschnitt aus;
Kolnische Volltszeiteng
vem: 26 UAN.
0 Ein Kampf um das Sterbebett.
* Um ein Sterbebett geht die Handlung in der Komödie Pro¬
ssor Bernhardi von Arthur Schnitzler, die in Berlin
bereits aufgeführt wurde und andten über
die Bretter gehen soll. Tendenzstück oder Problemstellung, wer
will's entscheiden! Vornehmer klingt ja das letztere, wenn auch die
Lösung des Problemns auf Tendenz hinausgehen muß. Ein ge¬
fallenes Mädchen liegt todkrank im Spital. Ihre letzte Stunde ist
herangenaht. Doch sie ahnt nichts vom Tode, fühlt sich wohl, sie
ist im Zustande der „Euphorie“ jener täuschenden Stimmung in
Todesnahe, die manchen Krankheiten eigentümlich ist. Der Leiter
des Spitals, Professor Bernhardi, will sie in dieser glücklichen Stim¬
mung sterben lassen. Und als der Priester die Kranke nach christ¬
lichem Brauch zur Reise in die Ewigkeit vorbereiten will, verweigert
er ihm den Zutritt zum Sterbebett. „Die Kranke weiß nicht, daß sie
verloren ist. Sie ist heiter, glücklich und — reuelos,“ sagt der
Arzt. Der Pfarrer besteht auf seinem Rechte. Aber der Professor
erwidert: „Ich kann nur wiederholen, daß ich Ihnen als Arzt, dem
das Wohl seiner Kranken bis zur letzten Stunde anvertraut bleibt,
das Ueberschreiten dieser Schwelle leider verbieten muß.“ Die
Kranke stirbt inzwischen ohne Sakramente. Und nun muß Professor
Bernhardi seine Handlungsweise gegenüber den Anklagen, die gegen
ihn laut werden, verteidigen. Die Intrigen der Aerzte des Spitals,
die sich daran knüpfen, die Verhandlungen mit Minister und Par¬
lament — das Stück spielt in Wien —, die Verurteilung Bern¬
hardis wegen Religionsstörung bilden den weiteren Inhalt des Stückes.
Und am Schlusse muß sich de. Held sagen lassen, daß es unter
den obwaltenden äußeren Schldierigkeiten nicht klug war, seiner
inneren Ueberzeugung zu felgen Ner geschmeidige Hofrat vertritt
Sönntags=Ausgabe
dem starren Prinzipienreiter gegenüber die Moral der Klugheit,
des Erreichbaren. Und als Bernhardi meint, in seinem Falle
hätte der Hofrat genau so gehandelt, erwidert dieser: „Möglich. —
Da wär ich halt — entschuldigen schon, Herr Professor, — grad'
so ein Viech gewesen wie Sie.“
Der Verfasser will also die Handlungsweise des Prof. Bernhardi
nicht schlechthin verteidigen, er findet sie vielmehr unklug und
ungeschickt. Aber das Intrigantentum der Vertreter der christlichen
Idee, ihre Ausnutzung des Falles zu egoistischen Parteizwecken
heben doch wieder die Gestalt des überzeugungstreuen Professors
hell auf dunklem Hintergrunde ab und der Eindruck bleibt, daß
seine Auffassung der „Euphorie“ d. h. der Abwehr jeder Störung
einer solchen glücklichen Sterbestimmung, die richtige sei. Und
dieser Eindruck gibt dem Stücke eine antichristliche Tendenz, die
noch so wohlmeinende Ertlärungsversuche niemals wegdeuten können.
Dem Seelsorger ist diese materialistische Auffassung bekannt genug,
er begegnet ihr im modernen Leben leider nur zu oft. Es ist eine
Auffassung, die in gewissen ärztlichen Kreisen stark überhand ge¬
nommen hat. Man trifft sie namentlich viel in Kurorten; noch
vor kurzer Zeit wurden mehrere Fälle von der Riviera berichtet,
wo es gleichfalls hieß: dem Kranken muß sein Zustand verheim¬
licht werden, laßt ihn das Leben bis zur Neige auskosten und
fröhlich und heiter sterben. Wer ein Jenseits, eine Ewigkeit im
christlichen Sinne leugnet, zieht solche Konsequenzen mit voll¬
kommener Logik. Aber mit der gleichen unerbittlichen Logik muß
die christliche Ueberzeugung solche Lebensansichten als die direkte
Negation des Christentums zurückweisen. Am Sterbebette gilt nur
ein Entweder
Oder. Da gibt es nur die eine Wahl, zwischen
diesseitsfreudigem Heidentum, das bis zur letzten Sekunde das
Leben in seinem Augenblickswerte festhält, und ewigkeitssicherem
Christentum, dem jeder Lebensmoment nur als Einsatz für höhere
Werte gelten muß. Am Sterbebette treten die Gegensätze, die in
theoretischer Diskussion ihre Schärfe noch einigermaßen unter ge¬
schickter Dialektik verhüllen können, mit jener Unverträglichkeit auf,
die alle Fragen haben müssen, in denen es sich um Leben und Tod
handelt. Darum wirkt Schnitzlers neuestes Drama antichristlich
im tiefsten Sinne. Das Christentum gesteht dem Arzt ein Recht
auf Entscheidungen, die in die Ewigkeit hineinwirken, nicht zu.
Und mag er auch für sich selbst Seele und Ewigkeit leugnen, so
darf er seine Ansicht nicht zur Norm für seine Praxis werden
lassen. Mag Schnitzler auch die christliche Gegenseite als egoistisch
schildern — den Mißbrauch der Religion zu Parteizwecken ver¬
urteilt das Christentum nicht weniger entschieden — so ändert dies
nichts an der Schärfe des Gegensatzes zwischen seiner Problem¬
stellung und der christlichen Idee. Und diese Idee ist es, die das
Stück inhaltlich mit aller Entschiedenheit ablehnen muß. Nur mit
dieser inhaltlichen Seite haben wir uns hier beschäftigt, mit Absicht
sahen wir ab von der künstlerischen Arsbildung des Problems.
Die Lebensansicht Arthur Schnitzlers, die er in diesem Stück zum
Ausdruck bringt, wollten wir darlegen, und diese Lebensansicht
lehnen wir im Namen des Christentums ab.
Dr. Jos. Froberger (Bonn).
25. BrofeSSAE-Bernhanal
Saschnitt aus;
Kolnische Volltszeiteng
vem: 26 UAN.
0 Ein Kampf um das Sterbebett.
* Um ein Sterbebett geht die Handlung in der Komödie Pro¬
ssor Bernhardi von Arthur Schnitzler, die in Berlin
bereits aufgeführt wurde und andten über
die Bretter gehen soll. Tendenzstück oder Problemstellung, wer
will's entscheiden! Vornehmer klingt ja das letztere, wenn auch die
Lösung des Problemns auf Tendenz hinausgehen muß. Ein ge¬
fallenes Mädchen liegt todkrank im Spital. Ihre letzte Stunde ist
herangenaht. Doch sie ahnt nichts vom Tode, fühlt sich wohl, sie
ist im Zustande der „Euphorie“ jener täuschenden Stimmung in
Todesnahe, die manchen Krankheiten eigentümlich ist. Der Leiter
des Spitals, Professor Bernhardi, will sie in dieser glücklichen Stim¬
mung sterben lassen. Und als der Priester die Kranke nach christ¬
lichem Brauch zur Reise in die Ewigkeit vorbereiten will, verweigert
er ihm den Zutritt zum Sterbebett. „Die Kranke weiß nicht, daß sie
verloren ist. Sie ist heiter, glücklich und — reuelos,“ sagt der
Arzt. Der Pfarrer besteht auf seinem Rechte. Aber der Professor
erwidert: „Ich kann nur wiederholen, daß ich Ihnen als Arzt, dem
das Wohl seiner Kranken bis zur letzten Stunde anvertraut bleibt,
das Ueberschreiten dieser Schwelle leider verbieten muß.“ Die
Kranke stirbt inzwischen ohne Sakramente. Und nun muß Professor
Bernhardi seine Handlungsweise gegenüber den Anklagen, die gegen
ihn laut werden, verteidigen. Die Intrigen der Aerzte des Spitals,
die sich daran knüpfen, die Verhandlungen mit Minister und Par¬
lament — das Stück spielt in Wien —, die Verurteilung Bern¬
hardis wegen Religionsstörung bilden den weiteren Inhalt des Stückes.
Und am Schlusse muß sich de. Held sagen lassen, daß es unter
den obwaltenden äußeren Schldierigkeiten nicht klug war, seiner
inneren Ueberzeugung zu felgen Ner geschmeidige Hofrat vertritt
Sönntags=Ausgabe
dem starren Prinzipienreiter gegenüber die Moral der Klugheit,
des Erreichbaren. Und als Bernhardi meint, in seinem Falle
hätte der Hofrat genau so gehandelt, erwidert dieser: „Möglich. —
Da wär ich halt — entschuldigen schon, Herr Professor, — grad'
so ein Viech gewesen wie Sie.“
Der Verfasser will also die Handlungsweise des Prof. Bernhardi
nicht schlechthin verteidigen, er findet sie vielmehr unklug und
ungeschickt. Aber das Intrigantentum der Vertreter der christlichen
Idee, ihre Ausnutzung des Falles zu egoistischen Parteizwecken
heben doch wieder die Gestalt des überzeugungstreuen Professors
hell auf dunklem Hintergrunde ab und der Eindruck bleibt, daß
seine Auffassung der „Euphorie“ d. h. der Abwehr jeder Störung
einer solchen glücklichen Sterbestimmung, die richtige sei. Und
dieser Eindruck gibt dem Stücke eine antichristliche Tendenz, die
noch so wohlmeinende Ertlärungsversuche niemals wegdeuten können.
Dem Seelsorger ist diese materialistische Auffassung bekannt genug,
er begegnet ihr im modernen Leben leider nur zu oft. Es ist eine
Auffassung, die in gewissen ärztlichen Kreisen stark überhand ge¬
nommen hat. Man trifft sie namentlich viel in Kurorten; noch
vor kurzer Zeit wurden mehrere Fälle von der Riviera berichtet,
wo es gleichfalls hieß: dem Kranken muß sein Zustand verheim¬
licht werden, laßt ihn das Leben bis zur Neige auskosten und
fröhlich und heiter sterben. Wer ein Jenseits, eine Ewigkeit im
christlichen Sinne leugnet, zieht solche Konsequenzen mit voll¬
kommener Logik. Aber mit der gleichen unerbittlichen Logik muß
die christliche Ueberzeugung solche Lebensansichten als die direkte
Negation des Christentums zurückweisen. Am Sterbebette gilt nur
ein Entweder
Oder. Da gibt es nur die eine Wahl, zwischen
diesseitsfreudigem Heidentum, das bis zur letzten Sekunde das
Leben in seinem Augenblickswerte festhält, und ewigkeitssicherem
Christentum, dem jeder Lebensmoment nur als Einsatz für höhere
Werte gelten muß. Am Sterbebette treten die Gegensätze, die in
theoretischer Diskussion ihre Schärfe noch einigermaßen unter ge¬
schickter Dialektik verhüllen können, mit jener Unverträglichkeit auf,
die alle Fragen haben müssen, in denen es sich um Leben und Tod
handelt. Darum wirkt Schnitzlers neuestes Drama antichristlich
im tiefsten Sinne. Das Christentum gesteht dem Arzt ein Recht
auf Entscheidungen, die in die Ewigkeit hineinwirken, nicht zu.
Und mag er auch für sich selbst Seele und Ewigkeit leugnen, so
darf er seine Ansicht nicht zur Norm für seine Praxis werden
lassen. Mag Schnitzler auch die christliche Gegenseite als egoistisch
schildern — den Mißbrauch der Religion zu Parteizwecken ver¬
urteilt das Christentum nicht weniger entschieden — so ändert dies
nichts an der Schärfe des Gegensatzes zwischen seiner Problem¬
stellung und der christlichen Idee. Und diese Idee ist es, die das
Stück inhaltlich mit aller Entschiedenheit ablehnen muß. Nur mit
dieser inhaltlichen Seite haben wir uns hier beschäftigt, mit Absicht
sahen wir ab von der künstlerischen Arsbildung des Problems.
Die Lebensansicht Arthur Schnitzlers, die er in diesem Stück zum
Ausdruck bringt, wollten wir darlegen, und diese Lebensansicht
lehnen wir im Namen des Christentums ab.
Dr. Jos. Froberger (Bonn).