II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 87

Ern, Kypenttagen, London, Mädrid, Malland, Minneapolis
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters
burg, Toronto,
Neuehangabe, ohne Gewähr.)
6sr
Ausschnitt aus:
Jundschau, W
IEFEB. 1972
vom:
Berliner Theater.
Vier Österreicher am Start! Der öster¬
richischeste von ihnen ist zugleich Ehren¬
bürger im kosmopolitischen Reiche der Welt¬
dichtung. Wie das schon in der Natur be¬
gründet ist, daß der Baum, der den
breitesten Schatten wirft, am tiefsten in der
Wurzelerde steckt. Und wenn auch nicht die
Ananke physcos, so doch gewiß die Natur
Österreichs läßt das Unverständige verstehen,
daß eine echt=österreichische und dabei allge¬
mein=menschliche Komödie, wie Arthur)
Schnitzlere Professor Bernhardi“ für alle,
oiterreichischen Bühnen verboten wurde...
Hier ist dem Stück im Kleinen Theater eine sdse
ausgezeichnete Darstellung zuteil geworden.
wisse Bazillen, die das öffentliche und gei¬
Die österreichtschen Künstler dieser Bühne
stige Leben vergiften und verpöbeln, hat sich
hatten sich gerade so viel Heimatgefühl
eine exemplarische Reinkultur gebildet in
bewahrt, als genügte, um den landsmann¬
dem Lande der dehnsamen Kompromisse und
schaftlichen Intimitäten der Dichtung gerecht
des agitatorischen Fiebers.
zu werden; und ihr Stil hatte sich im Norden
Neben Schnitzler, dem Dichter, sind die
der Beschränktheit entwöhnt, in der aus der
Stückeschreiber nur um der zufälligen Lands¬
großen Komödie ein provinziales Volksstück
mannschaft willen zu nennen: die Herren
hätte werden können. Nicht so rein ging die
Robert Saudek und Rudolf Halm (der frü¬
Rechnung bei den Zuschauern auf. Zwar
here Theaterdirektor), die im Lustspielhaus
fehlte es bei der Premiere nicht an heftigem
ihr Kompagnieerzeugnis „Graf Pepi“ auf¬
Erfolg und der gute Besuch der Vorstellun¬
führen ließen. Unter dem Gesichtswinkel des
gen seither spricht für das Interesse des
anspruchslosen Unterhaltungsstückes ange¬
geoßen Publikums, das jedenfalls wärmer
sehen, verdient das lustige und geschickt ge¬
ist, als die Neigung der meisten Kritiker sich
machte Ding keine bösen Worte. Die Fi¬
äußerte. Die Kritik kam aus einem Zwie¬
guren sind nicht sehr originell — österreicht¬
spalt nicht heraus, der nur der ihre, nicht
sche und preußische Offiziere — und selbst
der des Kunstwerks zu sein scheint. Sie
die Gastierrolle des Vorsehung spielenden
nahm, als ob Gerhart Hauptmann sie nie
jüdischen Hausierers kennt man mindestens
daran gewöhnt hätte, sozusagen im Wasser¬
seit Fritz Reuters „Ut mine Stromtid“; nur
tropfen der Landsmannschaft einen Spiegel
daß diesmal eine Übersetzung ins böhmische
der Welt zu sehen, Anstoß an den besonde¬
Milien stattfand. Doch ein frischer Zug von
ren österreichischen Verhältnissen, die in
Abenteuern kommt dem Schwanke vor an¬
Schnitzlers Schauspiel doch nur bestimmte
deren Soldatenstücken zustatten und er be¬
Formen für die allgemein giltige Menschen¬
sitzt sogar den Reiz eines historischen Hinter¬
schwäche, Menschentorheit, Menschenerbärm¬
grundes. Denn die komischen Harmlosig¬
lichkeit sind. Im Grunde hat auch Molière
keiten tragen sich zwischen den ernsten Wechsel¬
keine Europäer schlechtweg, sondern Fran¬
fällen des Krieges im Jahre 1866 zu.
zosen in seinen Lustspielen vorgeführt; und
Abgefallen und vom Spielplan des
ich fürchte, die Charakterkomödie Schnitzlers
Lessingtheaters rasch verschwunden ist des
man kaun sie auch Komödie der Cha¬
Österreichers Thaddäus Rittner Komödie
rakterlosigkeit nennen — wird nach drei
„Sommer“. In Wien blühte diesem Werke
Jahrhunderten in Europa nicht minder giltig
ein besseres Schicksal. Mag sein, daß gerade
sein.
für die weichen Lyrismen, die in den
Der Konflikt in „Professor Bernhardi“
Winkeln dieses Schwankes nisten, das Lessing¬
ist bekannt. Dem unpolitischen Professor wird
theater mit seiner rauheren Realistik nicht
ein politischer Prozeß gemacht, und ein paar
die rechte Pflegestätte war. Ganz neu ist
gesinnungstüchtige Meineide besiegeln sein
übrigens die Idee des Lustspiels nicht; die
Schicksal: wegen Religionsstörung wird
Mitwelt mit dem kurzen Gedächtnis hat
Bernhardi zu zwei Monaten Gefängnis ver¬
wohl vergessen, daß von dem Zeitgenossen
urteilt.
Blumenthal ein älteres Lustspiel („Ein Trop¬
„Die Arzte am Scheidewege“ könnte die
fen Gift*) existtert. Auch dort wird einem
Komödie mit Fug heißen oder besser noch:
jungen Mann vom Arzt eröffnet, daß seine
„Das Allgemein=Menschliche“, weil hier ja
Tage binnen Jahresfrist abgelaufen sein
nicht wie bei Shaw der Arztestand aus¬
werden. Das kostet dem gesunden Patienten
schließlich gemeint ist, er eigentlich nur an
nicht das Leben, aber sein ganzes Vermögen.
Stelle irgendeines anderen Standes vom Zeit¬
Denn, mit dem fatalen Stundenzeiger in der
geist beleuchtet wird. Das Schauspiel Schnitz¬
Hand, hält er es für das unter den ge¬
lers zerfällt nicht, wie manche meinten, in das
gebenen Umständen Vernünftigste, sich
ernste Drama des „Titelhelden“ und in die
gründlich auszuleben. Geradeso wird in
Komödie seines Milieus. Dieses Stück ist
Rittners Komödie von der falschen Pro¬
ein merkwürdig unpersönliches Ding, ob¬
gnose ein schüchterner Liebhaber zum ver¬
wohl es in der Komödie von Personen wim¬
wegenen Verführer umgestimmt. In beiden
melt, die, einer wie der andere mit schärfstem
Fällen und Stücken kommt die Aufklärung,
Realismus gezeichnet, zugleich Typen und
verfliegt der Rausch, bleibt der Katzenjammer.
Originale sind. Ein Stück Welt ist das
Mit dem einen von seinen zwei Beinen
Stück ... Und Österreich? Es hat kein Pa¬
stand das Rittnersche Stück unter der Höhen
tent an das Allzumenschliche, das der
linie, die Otto Brahm dem Lessingtheater
scheinbar leidenschaftslose, der ethisch=ernste
gezogen hat. Der Zufall wollte es, daß die
Witz des Dichters abschildert; aber für ge¬
Première stattfand, während Otto Brahm —