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S
25. Proor Bernhardi box 30/1
Nr. 50
795
Die Gegenwart.
. mr 6
Intellekt. Plötzlich tritt er aus dem gesinnungs¬
Aus Berliner Theatern.
vollen, schwarzweiß gestreiften, tantiemen¬
Schnitzler ein Agitator?
schwangeren Parteispiel zurück und schaut zu
Arthur Schnitzler, ein Agitator, — die
mit seinem alten skeptisch=melancholischen,
Themastellung ist so sinnvoll, wie jene, die
spielerisch=resignierten Blick. Und da be¬
Lessing einst mit der Aufschrift „Pope, ein
kommt die Blechrüstung ein Loch, und
Metaphysiker“ verhöhnte. Aber man tut mit
die Sache geht schief. — Wenn es nun so
ihr dem Wiener Dichter doch kein Unrecht,
aussieht, als wäre dieser Bernhardi ein
denn er hat es selbst gewollt! Er, der Schöpfer
Held und Märtyrer, ist er nicht vielleicht
und Bruder des „leichtsinnigen Melancholikers“
bloß ein Narr auf eigene Faust, ein Don
Anatol, der wienerisch nachgiebige, skeptisch re¬
Quixote? oder ist er nicht einfach der sachlich
signierte, nihilistisch spielerische Zuschauer im
berufstreue Arzt, der zu seinem Staunen und
Lebenszirkus, er steigt plötzlich in die Arena
Entsetzen zwischen die Räder der politisch Ehr¬
und gürtet den Leib — nun, nicht gerade in Eisen,
geizigen gerät? Das alles fällt dem klugen
aber doch in das dröhnende Blech eines Ten¬
Schnitzler ein, und solange es ihn reizt, schreibt
denzstückes. Die freie Wissenschaft steht gegen
er sein Stück— lang und breit durch viele
den finsteren Aberglauben der Kirche, fühlende
witzige Dialoge ist es ohnedies — ein bißchen
Menschlichkeit gegen dumpfes Dogma, schlichte
nach dieser Seite hin. Der Schluß zum Bei¬
Herzenseinfalt gegen Heuchelei und Intrige
spiel, wo eine neue Wendung dem Professor
hal walle Männerbrust! — Und alle Tan¬
Aufnahmeverfahren und Sieg verheißt und die
tiemen des mannesstolzen „Probekandidaten“
Politiker sich wieder in umgekehrter Richtung
winken von fern dem „Professor Bern¬
auf seine Sache stürzen, während er nun endlich
hardi“ zu. Denn wie Dreyers Held für seine
seine Ruhe haben will, dieser Schluß stammt
Ueberzeugung, daß Primaner darwinistisch auf¬
plötzlich aus der Komödie des ahnungslosen
geklärt werden müssen, alles Ungemach erleidet,
Arztes, des Politikers wider Willen. — Vor
so Schnitzlers Arzt für die betätigte Meinung,
allem aber entgeht der Schnitzlerschen Skepsis
daß man die durch „Euphorie“ glücklichen letzten
auf die Dauer auch nicht, daß etwa auch die
Stunden einer Sterbenden nicht durch den
anderen Recht haben könnten, und so stellt er
Tod bedeutenden Eintritt eines Priesters ver¬
in einem großen, allzu pointierten Dialog den
stören dürfe. Die Schurken, die Neider, die
Priester und sein Recht gegen den — hier
Feiglinge, Konventionslügner, Streber und
wieder höchst prinzipiell freidenkenden — Pro¬
Heuchler benutzen die Gelegenheit, um im
fessor und sein Recht. Eine Situation, gespannt
Bunde mit Politikern und klerikalen Hetzern
und gleichgerichtet wie eine Tragödie — aber
den selbstlos stolzen Professor Bernhardi aus
weil sie nur gedacht und geredet, nicht gelebt
seiner Klinik zu jagen und sogar ins Gefängnis
und gestaltet ist, nur wirksam wie ein Feuilleton:
wegen „Religionsstörung“ zu bringen. Zwar er
auf den Kopf, nicht aufs Herz. Und vor allem
könnte das Schicksal wohl wenden, wenn er den
zerstören die klugen und gerechten Ab¬
Intriganten den Gefallen täte, den erledigten
schweifungen, auch die feinen Schnitzlerschen
Posten an seiner Klinik statt mit dem verdienten
Psychologien, die natürlich hier und da auf¬
jüdischen Assistenten mit dem unfähigen arischen
tauchen, auch die klugen Witze über Judentum,
Professor aus Graz zu besetzen — aber o wie
Medizin, Bureaukratie und Politik, am Ende
edlen Zornes voll weist der Professor den
nur den ganzen Elan des biderben Tendenz¬
schmählichen Handel von sich. Nun gerade wird
stückes.
der jüdische Assistent gewählt und das Ver¬
Man könnte ja nun sagen, es gereiche
hängnis nimmt seinen Lauf, und die Bösen
Schnitzler zum Ruhm, daß er solch erfolgreichen
triumphieren, die Gerechten aber leiden.
Reißer nicht schreiben könne. Ich finde das
Soweit wäre alles gut. Aber leider hat
nicht; nichtkönnen ist nie ein Ruhm. Daß er
Schnitzler nicht des Kandidatendichters Dreyer
den Reißer schreiben wollte, ist vielleicht un¬
frischfröhliches Gemüt und seinen handfesten
ee eee Weeeienrnneeneennesenn seeegeen
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25. Proor Bernhardi box 30/1
Nr. 50
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Die Gegenwart.
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Intellekt. Plötzlich tritt er aus dem gesinnungs¬
Aus Berliner Theatern.
vollen, schwarzweiß gestreiften, tantiemen¬
Schnitzler ein Agitator?
schwangeren Parteispiel zurück und schaut zu
Arthur Schnitzler, ein Agitator, — die
mit seinem alten skeptisch=melancholischen,
Themastellung ist so sinnvoll, wie jene, die
spielerisch=resignierten Blick. Und da be¬
Lessing einst mit der Aufschrift „Pope, ein
kommt die Blechrüstung ein Loch, und
Metaphysiker“ verhöhnte. Aber man tut mit
die Sache geht schief. — Wenn es nun so
ihr dem Wiener Dichter doch kein Unrecht,
aussieht, als wäre dieser Bernhardi ein
denn er hat es selbst gewollt! Er, der Schöpfer
Held und Märtyrer, ist er nicht vielleicht
und Bruder des „leichtsinnigen Melancholikers“
bloß ein Narr auf eigene Faust, ein Don
Anatol, der wienerisch nachgiebige, skeptisch re¬
Quixote? oder ist er nicht einfach der sachlich
signierte, nihilistisch spielerische Zuschauer im
berufstreue Arzt, der zu seinem Staunen und
Lebenszirkus, er steigt plötzlich in die Arena
Entsetzen zwischen die Räder der politisch Ehr¬
und gürtet den Leib — nun, nicht gerade in Eisen,
geizigen gerät? Das alles fällt dem klugen
aber doch in das dröhnende Blech eines Ten¬
Schnitzler ein, und solange es ihn reizt, schreibt
denzstückes. Die freie Wissenschaft steht gegen
er sein Stück— lang und breit durch viele
den finsteren Aberglauben der Kirche, fühlende
witzige Dialoge ist es ohnedies — ein bißchen
Menschlichkeit gegen dumpfes Dogma, schlichte
nach dieser Seite hin. Der Schluß zum Bei¬
Herzenseinfalt gegen Heuchelei und Intrige
spiel, wo eine neue Wendung dem Professor
hal walle Männerbrust! — Und alle Tan¬
Aufnahmeverfahren und Sieg verheißt und die
tiemen des mannesstolzen „Probekandidaten“
Politiker sich wieder in umgekehrter Richtung
winken von fern dem „Professor Bern¬
auf seine Sache stürzen, während er nun endlich
hardi“ zu. Denn wie Dreyers Held für seine
seine Ruhe haben will, dieser Schluß stammt
Ueberzeugung, daß Primaner darwinistisch auf¬
plötzlich aus der Komödie des ahnungslosen
geklärt werden müssen, alles Ungemach erleidet,
Arztes, des Politikers wider Willen. — Vor
so Schnitzlers Arzt für die betätigte Meinung,
allem aber entgeht der Schnitzlerschen Skepsis
daß man die durch „Euphorie“ glücklichen letzten
auf die Dauer auch nicht, daß etwa auch die
Stunden einer Sterbenden nicht durch den
anderen Recht haben könnten, und so stellt er
Tod bedeutenden Eintritt eines Priesters ver¬
in einem großen, allzu pointierten Dialog den
stören dürfe. Die Schurken, die Neider, die
Priester und sein Recht gegen den — hier
Feiglinge, Konventionslügner, Streber und
wieder höchst prinzipiell freidenkenden — Pro¬
Heuchler benutzen die Gelegenheit, um im
fessor und sein Recht. Eine Situation, gespannt
Bunde mit Politikern und klerikalen Hetzern
und gleichgerichtet wie eine Tragödie — aber
den selbstlos stolzen Professor Bernhardi aus
weil sie nur gedacht und geredet, nicht gelebt
seiner Klinik zu jagen und sogar ins Gefängnis
und gestaltet ist, nur wirksam wie ein Feuilleton:
wegen „Religionsstörung“ zu bringen. Zwar er
auf den Kopf, nicht aufs Herz. Und vor allem
könnte das Schicksal wohl wenden, wenn er den
zerstören die klugen und gerechten Ab¬
Intriganten den Gefallen täte, den erledigten
schweifungen, auch die feinen Schnitzlerschen
Posten an seiner Klinik statt mit dem verdienten
Psychologien, die natürlich hier und da auf¬
jüdischen Assistenten mit dem unfähigen arischen
tauchen, auch die klugen Witze über Judentum,
Professor aus Graz zu besetzen — aber o wie
Medizin, Bureaukratie und Politik, am Ende
edlen Zornes voll weist der Professor den
nur den ganzen Elan des biderben Tendenz¬
schmählichen Handel von sich. Nun gerade wird
stückes.
der jüdische Assistent gewählt und das Ver¬
Man könnte ja nun sagen, es gereiche
hängnis nimmt seinen Lauf, und die Bösen
Schnitzler zum Ruhm, daß er solch erfolgreichen
triumphieren, die Gerechten aber leiden.
Reißer nicht schreiben könne. Ich finde das
Soweit wäre alles gut. Aber leider hat
nicht; nichtkönnen ist nie ein Ruhm. Daß er
Schnitzler nicht des Kandidatendichters Dreyer
den Reißer schreiben wollte, ist vielleicht un¬
frischfröhliches Gemüt und seinen handfesten
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