II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 96

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25 Professor Bernhandi
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Die Gegenwart.
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rühmlich; daß er dann nicht Ueberlegenheit,
len. Sie wirft die Vokale mit fanatischer
Stilklarheit, Zynismus meinetwegen genug
Charakteristik als helle Pfeile, heulende Ku¬
aufbrachte, um wenigstens einen erfolg¬
geln, dumpfe Blöcke, schneidende Speere durch
reichen Reißer zu schreiben, scheint mir eine
den Sturm der Konsonanten. Und kriecht
Verstärkung des Blamablen. Er mußte doch
plötzlich zu unruhigen Klagen zusammen, die
wissen, daß alle Feinheiten und Klugheiten,
wie eintöniges Winseln des Käuzchens klingen.
in diesen Rahmen gestellt, nie reinen Eigen¬
Und erhebt sich plötzlich zu nüchtern hartem
wert gewinnen, sondern nur das eigentliche
Sprechton.
Oeldruck=Bild diskreditieren. Nein: Schnitzler,
Aber .. diese Plötzlichkeiten.. hängt es
der ein Poet des melancholischen Zuschauer¬
mit ihnen zusammen, daß man am Ende fast
tums ist, konnte die Laune, als liberaler Agi¬
so kalt wie vor dem Anfang ist? Man fühlt,
tationsschriftsteller glänzen zu wollen, nur mit
wie an den Worten gerissen, gerüttelt, bittend
einer Blamage zahlen.
gepocht wird — und hört doch mehr diese Ge¬
Denn ich glaube auch nicht an die äußere
räusche als die Musik der Dichtung. Nicht
Bühnenkraft des stilistisch=buntscheckigen,
der Seele des Ganzen widmet sich die
schwunglos breiten, redselig witzelnden
Sprechende, sondern eher der zerstückten Kör¬
Stückes, obwohl es jetzt im „Kleinen Theater“
perlichkeit der einzelnen Perioden, ja der Sil¬
viel Beifall hat. Dort werden die 18 Männer
ben und Buchstaben. Für die etwas äußerliche
(es ist fast frauenlos dies Stück!) durchweg
(sehr weibliche!) Auffassung ist bezeichnend
so amüsant gespielt, daß man sich nie langweilt
eine gewisse ungeistige „direkte“ Wortmal ei.
aber wieviel Bühnen können das noch?
Wenn sie zu sagen hat: „die Stimme schwoll
Uebrigens amüsant gespielt, aber nicht immer
an — so schwillt ihre Stimme an; „ungeheurer
richtig. Dieser Minister z. B. ist einer jener
Sturm“ wird mit ungeheurem Atem gesprochen.
gefährlichen Impressionisten, die stets für „ihre
Erschütterndes wird leicht durch gewaltsamen,
heilige Sache“ — aber viertelstündlich für eine
Sehnsüchtiges durch gedehnten Ton, der Aus¬
andere entbrannt sind, und er wurde in Ton
druck „weinen“ durch Schluchzen vermittelt.
und Tempo eines blasierten Weltmanns ge¬
Reiner Rezitationskunst steht diese bedeutende
geben. Und hätte die ganze Aufführung nicht
Schauspielerin heute fern.
vielleicht einen brutalen Versuch machen sollen,
So mißlang es ihr besonders, die wol¬
das ganze Stück rein auf die agitatorisch scharfe
lüstig ätherhafte Intellektualität Rilkes, dieses
oder auf die komödienhaft ironische Note zu
geistigsten Mannes, zu geben. Sehr wirkungs¬
bringen? Aber vielleicht ist das zuviel verlangt
voll aber stellte sie „Belsazar" und Altes
vielleicht ist der Regisseur doch nicht dazu
Cestament dar und Valentins feine Österskizze
da, dem unwissenden Dichter zu sagen, was
hüllte sie in herzlichere Töne.
er eigentlich gewollt hat!
Alfred Wolfenstein.
Julius Bab.
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Tia Rosen
Das entfesselte Schicksal.
Sie las gut gewählte Stücke aus dem Kreise
Roman
des alten und neuen Testaments. (Dies wird
von
wohl der einzige Betracht sein, darin ihre Kö.per¬
Eduard Rod.
lichkeit keine populäre Erwähnung findet...)
Vom ersten Ton bis zum letzten ist ihre
(Fortsetzung.)
Hingebung an den Vortrag märchenhaft ge¬
etzt begann Herr Motiers de Fraisse
steigert, grenzenlos, wild bis zur Selbst¬
ein anderes Kapitel aus dem Leben
zerstörung. Die Stimme scheint den Saal
Lermantes'. Er hatte die Absicht,
2 Schritt für Schritt dieser ereignis¬
zu vergessen und im Gesang der Goethi¬
reichen Existenz zu folgen.
Ja, dieses
schen Erzengel die Welt durchdringen zu wol¬
Leben war mehr bewegt als vorsichtig gewesen,


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