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25. Professor Bern. di
turg und Theaterleiter Brahm ist damals, als er im „Freiwild“ dem
in einem Augenblick von uns ge¬
„Unsinn des Duells“ zu Leibe
ging. Und nun haben wir von
gangen, der uns glauben läßt.
ein weiteres Empor für ihn gab
1896 her auch seinen spitzigen dia¬
lektischen Ton wieder im Ohr, den
es nicht, sein Charakterbild stand
stark und fest, aber auch rund und
alles heiße Bemühen um Vor¬
und
geschlossen vor uns da.
urteilslosigkeit, Objektivität
Gleichgültigkeit nicht vertreiben
Friedrich Düsel
kann. Mehr noch als jenes Offi¬
Schnitzlers Professor
zierdrama ist dieser Konflikt zwi¬
Bernhardi“
schen Arzt und Geistlichem, Juden
Berliner Theater
und Katholiken, zwischen Mensch¬
lichkeit der Wissenschaft und star¬
„chnitzlers Komödie „Pro¬
5
rer Rechtsforderung der Kirche auf
fessor Bernhardi“ (Buch¬
die Stelzen der Dialektik gestellt.
verlag bei S. Fischer, Berlin),
Ja, mit einer Art Fanatismus
deren Erstaufführung sich vor der
gegen sich selbst und seine einge¬
Wiener Zensur in das Berliner
borenen Reigungen und Abneigun¬
Kleine Theater geflüchtet hat,
gen sucht Schnitzler diesmal alles
scheint auf den ersten Blick hart
auszuschalten, was dem entschei¬
und einsam dazustehen in dem losen
denden Zusammenprall — wie er
und doch durch immer wieder¬
es sonst doch liebt — durch Varia¬
kehrende Lieblingsthemen innerlich
verketteten Reigen seiner bisherigen
tion oder Rückspiegelung in an¬
dern eine weichere, differenzierte
Dichtungen. Nichts von dem trü¬
Wendung hätte geben können. Der
gerischen Maskenspiel des Lebens,
das uns Willen und Wesen fes¬
Arzt weist den Geistlichen, der
mit den Sterbsakramenten kommt,
selt; nichts von dem elegisch=tra¬
von dem letzten Lager einer Tod¬
gischen Versteckspiel zwischen Tod
geweihten, deren Qual und Kum¬
und Leben, darin wir alle mit
mer seine mitleidige Kunst in ein
dem Blindekuhtuch um die Augen
befreites linderndes Glückgefühl
herumtappen; nichts von den wei¬
verwandelt hat und die jener seiner
chen, verschwebenden Stimmungen
festen Meinung nach als ein un¬
einer auch im heftigsten Moment
verkennbarer Vorbote des Todes
mehr lyrisch=musikalischen als dra¬
nur wieder in ihr Schmerzens¬
matischen Melodie. Geharnischt
elend zurückwerfen würde; der
tritt dies Stück in die Arena,
Geistliche dagegen besteht auf der
und so sehr es sich auch bemüht,
Erfüllung seiner heiligen Pflicht,
seine Rüstung hinter der Tarn¬
die seiner nicht minder festen Über¬
kappe der Ironie oder weltkluger
zeugung nach Höheres und Wert¬
Gelassenheit zu verbergen, wir wer¬
den während der fünf Akte das
volleres bringt als jede nur er¬
denkliche Menschenwohltat. Für den
Gefühl nicht los, daß es sich hier
Augenblick behält der Arzt und
ursprünglich um die Entladung
Wissenschaftler den Sieg, bald aber,
einer persönlichen Gereiztheit han¬
da sich die Parteien, die Kleri¬
delte, die mehr aus der Galle
kalen als die herrschende an der
als aus dem Herzen oder auch nur
aus dem Kopfe kam. Da aber fällt
Spitze, des Vorfalls zu ihren
Zwecken bemächtigen, muß er mit
uns ein, daß Schnitzler vor sech¬
dem Verlust seiner Freiheit und
zehn Jahren schon einmal einen
Pfeil aus diesem Köcher nahm: Stellung zahlen. Unerschüttert,
9
1. Jannarhest 915
Der Pakt verbürgt Franziska zwei
Jahre freiesten Sichauslebens, zu¬
nächst auf ihren Wunsch sogar in
Mannshosen; nach Ablauf dieser
Frist müsse sie aber als Weib und
Leibeigene ihrem Mephisto Veit¬
Leiten der neun¬
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ha
25. Professor Bern. di
turg und Theaterleiter Brahm ist damals, als er im „Freiwild“ dem
in einem Augenblick von uns ge¬
„Unsinn des Duells“ zu Leibe
ging. Und nun haben wir von
gangen, der uns glauben läßt.
ein weiteres Empor für ihn gab
1896 her auch seinen spitzigen dia¬
lektischen Ton wieder im Ohr, den
es nicht, sein Charakterbild stand
stark und fest, aber auch rund und
alles heiße Bemühen um Vor¬
und
geschlossen vor uns da.
urteilslosigkeit, Objektivität
Gleichgültigkeit nicht vertreiben
Friedrich Düsel
kann. Mehr noch als jenes Offi¬
Schnitzlers Professor
zierdrama ist dieser Konflikt zwi¬
Bernhardi“
schen Arzt und Geistlichem, Juden
Berliner Theater
und Katholiken, zwischen Mensch¬
lichkeit der Wissenschaft und star¬
„chnitzlers Komödie „Pro¬
5
rer Rechtsforderung der Kirche auf
fessor Bernhardi“ (Buch¬
die Stelzen der Dialektik gestellt.
verlag bei S. Fischer, Berlin),
Ja, mit einer Art Fanatismus
deren Erstaufführung sich vor der
gegen sich selbst und seine einge¬
Wiener Zensur in das Berliner
borenen Reigungen und Abneigun¬
Kleine Theater geflüchtet hat,
gen sucht Schnitzler diesmal alles
scheint auf den ersten Blick hart
auszuschalten, was dem entschei¬
und einsam dazustehen in dem losen
denden Zusammenprall — wie er
und doch durch immer wieder¬
es sonst doch liebt — durch Varia¬
kehrende Lieblingsthemen innerlich
verketteten Reigen seiner bisherigen
tion oder Rückspiegelung in an¬
dern eine weichere, differenzierte
Dichtungen. Nichts von dem trü¬
Wendung hätte geben können. Der
gerischen Maskenspiel des Lebens,
das uns Willen und Wesen fes¬
Arzt weist den Geistlichen, der
mit den Sterbsakramenten kommt,
selt; nichts von dem elegisch=tra¬
von dem letzten Lager einer Tod¬
gischen Versteckspiel zwischen Tod
geweihten, deren Qual und Kum¬
und Leben, darin wir alle mit
mer seine mitleidige Kunst in ein
dem Blindekuhtuch um die Augen
befreites linderndes Glückgefühl
herumtappen; nichts von den wei¬
verwandelt hat und die jener seiner
chen, verschwebenden Stimmungen
festen Meinung nach als ein un¬
einer auch im heftigsten Moment
verkennbarer Vorbote des Todes
mehr lyrisch=musikalischen als dra¬
nur wieder in ihr Schmerzens¬
matischen Melodie. Geharnischt
elend zurückwerfen würde; der
tritt dies Stück in die Arena,
Geistliche dagegen besteht auf der
und so sehr es sich auch bemüht,
Erfüllung seiner heiligen Pflicht,
seine Rüstung hinter der Tarn¬
die seiner nicht minder festen Über¬
kappe der Ironie oder weltkluger
zeugung nach Höheres und Wert¬
Gelassenheit zu verbergen, wir wer¬
den während der fünf Akte das
volleres bringt als jede nur er¬
denkliche Menschenwohltat. Für den
Gefühl nicht los, daß es sich hier
Augenblick behält der Arzt und
ursprünglich um die Entladung
Wissenschaftler den Sieg, bald aber,
einer persönlichen Gereiztheit han¬
da sich die Parteien, die Kleri¬
delte, die mehr aus der Galle
kalen als die herrschende an der
als aus dem Herzen oder auch nur
aus dem Kopfe kam. Da aber fällt
Spitze, des Vorfalls zu ihren
Zwecken bemächtigen, muß er mit
uns ein, daß Schnitzler vor sech¬
dem Verlust seiner Freiheit und
zehn Jahren schon einmal einen
Pfeil aus diesem Köcher nahm: Stellung zahlen. Unerschüttert,
9
1. Jannarhest 915
Der Pakt verbürgt Franziska zwei
Jahre freiesten Sichauslebens, zu¬
nächst auf ihren Wunsch sogar in
Mannshosen; nach Ablauf dieser
Frist müsse sie aber als Weib und
Leibeigene ihrem Mephisto Veit¬
Leiten der neun¬