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box 30/1
25. Professor bernhandi
Die Berliner Theater.
153
gut gemacht und Arthur Schnitzler wieder auf den Platz erhoben, den er sich mit
seinem „Anatole“ erobert. Er ist hier nicht so geistreich, nicht so prickelnder
Champagner wie in diesen rasch hingeworfenen Szenen aus dem Leben eines modernen
Nichtstuers, die Komödie von Professor Bernhardi ist ein wohl temperierter
Bordeauxwein. Inhalt und Vortrag sind durchaus wienerisch, aber passen sich dem
allgemeinen Verständnis trefflich an. Ein in Wien viel besprochener Vorgang
liegt dem Stück zugrunde. Ein jüdischer Arzt hat einem katholischen Priester den
Zugang zu einem schwerkranken Mädchen, dem er die Sterbesakramente bringen
will, verweigert. Die Sterbende, die sich in der Hoffnung der Genesung wiegt,
obgleich sie nur noch wenige Stunden zu leben hat, soll nach der Ansicht des Arztes
nicht durch den Anblick des Priesters grausam enttäuscht werden, sie soll schön
und unbewußt sterben. Die vortreffliche Durchführung, die feine Charakterisierung
der verschiedenen Arzte des Krankenhauses — sie erinnern an Rembrandts Bild
im Haager Museum: Die „Anatomie des Professors Pietersz Tulp“ — fesseln
die Teilnahme des Lesers wie des Zuschauers so lebhaft, daß man das Fehlen
des weiblichen Elements — es ist nur durch eine frömmlerische und ränkevolle
in keiner Weise vermißt. Crimen amoris abest.
Krankenschwester vertreten
Das Stück, das ganz in der Wirklichkeit und Anmittelbarkeit des Lebens wurzelt
und von der Kunst nur einen leisen Anhauch hat, war der literarische und theatra¬
lische Treffer der Spielzeit. Bescheiden, aber nachhaltig.
Karl Frenzel.
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25. Professor bernhandi
Die Berliner Theater.
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gut gemacht und Arthur Schnitzler wieder auf den Platz erhoben, den er sich mit
seinem „Anatole“ erobert. Er ist hier nicht so geistreich, nicht so prickelnder
Champagner wie in diesen rasch hingeworfenen Szenen aus dem Leben eines modernen
Nichtstuers, die Komödie von Professor Bernhardi ist ein wohl temperierter
Bordeauxwein. Inhalt und Vortrag sind durchaus wienerisch, aber passen sich dem
allgemeinen Verständnis trefflich an. Ein in Wien viel besprochener Vorgang
liegt dem Stück zugrunde. Ein jüdischer Arzt hat einem katholischen Priester den
Zugang zu einem schwerkranken Mädchen, dem er die Sterbesakramente bringen
will, verweigert. Die Sterbende, die sich in der Hoffnung der Genesung wiegt,
obgleich sie nur noch wenige Stunden zu leben hat, soll nach der Ansicht des Arztes
nicht durch den Anblick des Priesters grausam enttäuscht werden, sie soll schön
und unbewußt sterben. Die vortreffliche Durchführung, die feine Charakterisierung
der verschiedenen Arzte des Krankenhauses — sie erinnern an Rembrandts Bild
im Haager Museum: Die „Anatomie des Professors Pietersz Tulp“ — fesseln
die Teilnahme des Lesers wie des Zuschauers so lebhaft, daß man das Fehlen
des weiblichen Elements — es ist nur durch eine frömmlerische und ränkevolle
in keiner Weise vermißt. Crimen amoris abest.
Krankenschwester vertreten
Das Stück, das ganz in der Wirklichkeit und Anmittelbarkeit des Lebens wurzelt
und von der Kunst nur einen leisen Anhauch hat, war der literarische und theatra¬
lische Treffer der Spielzeit. Bescheiden, aber nachhaltig.
Karl Frenzel.