S S
25 PrBernhandi
chnitt aus: MOLFMIA PPAG
Schnitler und die Genturas=Deutsche Volks¬
theater Schnitzlers neuestes Werk, das
Schauspiel „Professor Bernhardy“ zur
Aufführung angenommen. Das Stück kann wegen,
Zensurbedenken im Burgtheater nicht gegeben wer¬
den. Wie das „Fremdenblatt“ erfährt, begegnet das
Stück auch für die Aufführung im Volkstheater,
Zensurbedenken. Die Zensurbehörde hat das Stüc,
dem Zensurbeirat überwiesen. Wie verlautet, wirkz
der Dichter einige Aenderungen vornehmen müssen,.
Der Budapester Oberstadthauptmann Den
sider Boda hat den Direktor und Regisseur der dor“
tigen Kövessy=Bühne zu sich gebeten und ihm mitge
teilt, daß er auf Grund des ihm zustehenden Rechte
die wetieren Vorstellungen von Artur Schnitz
lers „Reigen“ untersagt. Diese Szene—
seien niemals für die Bühne bestimmt gewesen. Ihre
szenische Darstellung erfordere von dem Schauspieler
eine Deutlichkeit, welcher der mit novellistischen!
Mitteln arbeitende Dialog im Buche entraten könne.
Die Regie der Kövessy=Bühne sei ungemein takt¬
los gewesen. Wenn es überhaupt eine Art gebe,
„Reigen“ auf der Bühne erträglich zu machen,
gehe dem diese Inszenierung, die an Delltlichkeit
nichts, an Kunst aber so ziemlich alles, wünschen
übrig lasse, in weitem Bogen aus dem Wege. Die
Aufführung des „Reigen“ sei nge dem Urteil des
Oberstadthauptmanns von der „Direktion als beson¬
ders kräftiges Mittel gédacht, Publikum in das
Theater zu locken.
—
Ausschnitt aus: PDeiter-Zeitung, Wien
270011912
vom:
Theater und Kunst.
Abermals ein Zensurstückel. Die Statthalterei hat dem
deutschen Volkstheater die Aufführung der neuen fünfaltigen
komödie „Professor Bernhardi“ von Arthur Schnitzler ver¬
oten. Daß ein klerikaler Streber und Denunzlantin diefer
komödie vorkommen soll, genügt der Zensur, um sich an einem
Dichter zu vergreifen. Dieser selbe Arthur Schnitzler, dessen Werk
nan der Bühne fernhalten will, ist noch vor wenigen Monaten,
vermutlich auch von amtlichen Stellen, aus Anlaß seines fünf¬
zigsten Geburtstages als der Stolz Oesterreichs gefeiert worden.
Wenn das Buch vorliegt, werden wir nicht ermangeln, unseren
Lesern den Inhalt der Dichtung ausführlich zu erzählen. Aber
schon heute wollen wir bemerken: die Theater haben die Zensur,
die sie verdienen, und das Publikum die Theater, die es verdient.
Der Zustand der absoluten Rechtlosigkeit für die dramatische
Dichtkunst ist unerträglich. Schämt sich der famose Zensurbeirat,
in dem auch Nichtbeamte sitzen, noch immer nicht, für die kultur¬
seindliche Willkür das Deckblatt abzugeben? Er kann der Sache
der Kunst keinen größeren Gefallen erweisen, als sich aufzulösen
box 30//2
Ausschnitt aus:
velfsuhe Tügrszötung, Serm
28
Vom:
Chronik des Theaters.
Arthur Schnitzlers neues Drama „Professor Bern¬
ard##vdr Wiener Zenfür erboten worden. Der
Konflikt des Dramas besteht, wie schon früher mitgeteilt wurde,
n dem Zusammentreffen eines Arztes und eines katholischen
Priesters an einem Sterbelager. Es spielt sich nun folgende Szene
ab: Der Arzt (Professor Bernhardi) und der Priester geraten in
einen Wortwechsel, in dessen Verlauf der Arzt seine Hand auf die
Schulter seines Partners legt. Diese Bewegung wird von der
Krankenschwester den Behörden denunziert, als ob Professor
Bernhardi dem Priester einen Stoß versetzt hätte. Professor Bern¬
hardi wird wegen Religionsstörung angeklagt und zu zwei Mona¬
ten Gefängnis verurteilt. Nach dem Urteil widerruft erst die
Krankenschwester ihre Aussage und stellt sich selbst dem Gericht
wegen ihres Meineides. Das Stück schließt damit, daß der Revision“
n dem Verfahren gegen Bernhardi stattgegeben wird. — Ein
Stoff, den ein taktvoller Jude kaum behandelt hätty!
—
4
chntheh.
(Quellenangabe ohne, Gewähr.),
firbeiter-Zeitung, Wien
Ausschnitt aus:
11.1912
vom:
———
Tagesnenigleiten.
* Die Anmaßzungen der Zeusur. Das Zensurverbot,
das Arthur Schn####ars neues Werk umbringen will, ist
von der bürgerlichen Presse gemeldet worden. Fertig! Der Herr
Zensor hat's gewagt, der Zensurbeirat hat den Kopf geschüttelt,
so daß man nicht wußte, ob er nein oder ja sage, und nun
wird der schwierige Fall im Ministerium des Innern verstauben.
Wenn Herr Treumann oder sonst ein Operettenheld das
Bedürfnis nach einer saftigen Reklame hat, dann schmieren die
Theaterschnüfferln jeden Tag eine neue „Phase“ der „Affaire“;
wenn aber der Dramatiker, der im Augenblick der interessanteste
und ernsthafteste einer Generation ist, durch einen rohen
Drosselungsversuch mundtot gemacht wird, dann weiß diese
feig und kleinlich gewordene Tinterlpresse nicht einmal ein
männliches Wort des Protestes zu finden. Wie, dieser Arthur
Schnitzler, dessen Werk heute gemeuchelt wird, weil er es wagte,
nebenher an eine Institution der katholischen Kirche zu rühren,
war doch gestern noch der Stolz des Burgtheaters! Die Zensur
spielt sich doch sonst so gern auf die ästhetische Behörde hinaus
und verdächtigt das freie Wort so gern als das häßliche. Hier maßt
sie sich an, dem angesehensten Dramatiker Oesterreichs roh den
Mund zu stopfen, und kümmert sich keinen Pfifferling darum, was
die Literaturgeschichte zu diesem Knebelungsversuch dereinst sagen
wird. Und der edle Zensurbeirat, jene Schwindelreform Körbers,
von der seinerzeit ein solches Aufhebens gemacht wurde! Wann
je haben diese Herren Glossy, Cischini, Wagner, Tils ein Kunst¬
werk aus den Krallen des Zensors gerettet? Anderswo, zum
Beispiel in München, sitzenfxeie Schriftsteller in diesem Beirat,
W
dort wirken Max Halbe und Josef Ruederer als Zensoren der
Zensur. Bei uns hat Körber ein paar wacklige, von Grund aus
pensionierte Zustimmer in den Beirat gesetzt, einen ausgedienten
Staatsanwalt, einen früheren Zensor und Herrn Regierungsrat
Glossy, von dem man füglich hätte erwarten dürsen, daß er
den Herrschaften ein Amt vor die Füße würfe, das ihm gar
keine Wirkungsmöglichkeit gewährt! ... Da schwatzen die
Feuilletonisten allwöchentlich von der alten Kultur dieses Wien
und in allen Zeitungsspalten seufzen melancholisch frisierte
Schnitzler=Jünger anatolisch elegant. In dieser Stunde aber, da
ein Werk des Dichters durch den rohen Griff des Zensors er¬
würgt werden soll, da schweigen die stimmungsvollen Kultur¬
jünglinge. Nun, der Arbeit Schnitzlers werden robustere Helfer
erwachsen—..
25 PrBernhandi
chnitt aus: MOLFMIA PPAG
Schnitler und die Genturas=Deutsche Volks¬
theater Schnitzlers neuestes Werk, das
Schauspiel „Professor Bernhardy“ zur
Aufführung angenommen. Das Stück kann wegen,
Zensurbedenken im Burgtheater nicht gegeben wer¬
den. Wie das „Fremdenblatt“ erfährt, begegnet das
Stück auch für die Aufführung im Volkstheater,
Zensurbedenken. Die Zensurbehörde hat das Stüc,
dem Zensurbeirat überwiesen. Wie verlautet, wirkz
der Dichter einige Aenderungen vornehmen müssen,.
Der Budapester Oberstadthauptmann Den
sider Boda hat den Direktor und Regisseur der dor“
tigen Kövessy=Bühne zu sich gebeten und ihm mitge
teilt, daß er auf Grund des ihm zustehenden Rechte
die wetieren Vorstellungen von Artur Schnitz
lers „Reigen“ untersagt. Diese Szene—
seien niemals für die Bühne bestimmt gewesen. Ihre
szenische Darstellung erfordere von dem Schauspieler
eine Deutlichkeit, welcher der mit novellistischen!
Mitteln arbeitende Dialog im Buche entraten könne.
Die Regie der Kövessy=Bühne sei ungemein takt¬
los gewesen. Wenn es überhaupt eine Art gebe,
„Reigen“ auf der Bühne erträglich zu machen,
gehe dem diese Inszenierung, die an Delltlichkeit
nichts, an Kunst aber so ziemlich alles, wünschen
übrig lasse, in weitem Bogen aus dem Wege. Die
Aufführung des „Reigen“ sei nge dem Urteil des
Oberstadthauptmanns von der „Direktion als beson¬
ders kräftiges Mittel gédacht, Publikum in das
Theater zu locken.
—
Ausschnitt aus: PDeiter-Zeitung, Wien
270011912
vom:
Theater und Kunst.
Abermals ein Zensurstückel. Die Statthalterei hat dem
deutschen Volkstheater die Aufführung der neuen fünfaltigen
komödie „Professor Bernhardi“ von Arthur Schnitzler ver¬
oten. Daß ein klerikaler Streber und Denunzlantin diefer
komödie vorkommen soll, genügt der Zensur, um sich an einem
Dichter zu vergreifen. Dieser selbe Arthur Schnitzler, dessen Werk
nan der Bühne fernhalten will, ist noch vor wenigen Monaten,
vermutlich auch von amtlichen Stellen, aus Anlaß seines fünf¬
zigsten Geburtstages als der Stolz Oesterreichs gefeiert worden.
Wenn das Buch vorliegt, werden wir nicht ermangeln, unseren
Lesern den Inhalt der Dichtung ausführlich zu erzählen. Aber
schon heute wollen wir bemerken: die Theater haben die Zensur,
die sie verdienen, und das Publikum die Theater, die es verdient.
Der Zustand der absoluten Rechtlosigkeit für die dramatische
Dichtkunst ist unerträglich. Schämt sich der famose Zensurbeirat,
in dem auch Nichtbeamte sitzen, noch immer nicht, für die kultur¬
seindliche Willkür das Deckblatt abzugeben? Er kann der Sache
der Kunst keinen größeren Gefallen erweisen, als sich aufzulösen
box 30//2
Ausschnitt aus:
velfsuhe Tügrszötung, Serm
28
Vom:
Chronik des Theaters.
Arthur Schnitzlers neues Drama „Professor Bern¬
ard##vdr Wiener Zenfür erboten worden. Der
Konflikt des Dramas besteht, wie schon früher mitgeteilt wurde,
n dem Zusammentreffen eines Arztes und eines katholischen
Priesters an einem Sterbelager. Es spielt sich nun folgende Szene
ab: Der Arzt (Professor Bernhardi) und der Priester geraten in
einen Wortwechsel, in dessen Verlauf der Arzt seine Hand auf die
Schulter seines Partners legt. Diese Bewegung wird von der
Krankenschwester den Behörden denunziert, als ob Professor
Bernhardi dem Priester einen Stoß versetzt hätte. Professor Bern¬
hardi wird wegen Religionsstörung angeklagt und zu zwei Mona¬
ten Gefängnis verurteilt. Nach dem Urteil widerruft erst die
Krankenschwester ihre Aussage und stellt sich selbst dem Gericht
wegen ihres Meineides. Das Stück schließt damit, daß der Revision“
n dem Verfahren gegen Bernhardi stattgegeben wird. — Ein
Stoff, den ein taktvoller Jude kaum behandelt hätty!
—
4
chntheh.
(Quellenangabe ohne, Gewähr.),
firbeiter-Zeitung, Wien
Ausschnitt aus:
11.1912
vom:
———
Tagesnenigleiten.
* Die Anmaßzungen der Zeusur. Das Zensurverbot,
das Arthur Schn####ars neues Werk umbringen will, ist
von der bürgerlichen Presse gemeldet worden. Fertig! Der Herr
Zensor hat's gewagt, der Zensurbeirat hat den Kopf geschüttelt,
so daß man nicht wußte, ob er nein oder ja sage, und nun
wird der schwierige Fall im Ministerium des Innern verstauben.
Wenn Herr Treumann oder sonst ein Operettenheld das
Bedürfnis nach einer saftigen Reklame hat, dann schmieren die
Theaterschnüfferln jeden Tag eine neue „Phase“ der „Affaire“;
wenn aber der Dramatiker, der im Augenblick der interessanteste
und ernsthafteste einer Generation ist, durch einen rohen
Drosselungsversuch mundtot gemacht wird, dann weiß diese
feig und kleinlich gewordene Tinterlpresse nicht einmal ein
männliches Wort des Protestes zu finden. Wie, dieser Arthur
Schnitzler, dessen Werk heute gemeuchelt wird, weil er es wagte,
nebenher an eine Institution der katholischen Kirche zu rühren,
war doch gestern noch der Stolz des Burgtheaters! Die Zensur
spielt sich doch sonst so gern auf die ästhetische Behörde hinaus
und verdächtigt das freie Wort so gern als das häßliche. Hier maßt
sie sich an, dem angesehensten Dramatiker Oesterreichs roh den
Mund zu stopfen, und kümmert sich keinen Pfifferling darum, was
die Literaturgeschichte zu diesem Knebelungsversuch dereinst sagen
wird. Und der edle Zensurbeirat, jene Schwindelreform Körbers,
von der seinerzeit ein solches Aufhebens gemacht wurde! Wann
je haben diese Herren Glossy, Cischini, Wagner, Tils ein Kunst¬
werk aus den Krallen des Zensors gerettet? Anderswo, zum
Beispiel in München, sitzenfxeie Schriftsteller in diesem Beirat,
W
dort wirken Max Halbe und Josef Ruederer als Zensoren der
Zensur. Bei uns hat Körber ein paar wacklige, von Grund aus
pensionierte Zustimmer in den Beirat gesetzt, einen ausgedienten
Staatsanwalt, einen früheren Zensor und Herrn Regierungsrat
Glossy, von dem man füglich hätte erwarten dürsen, daß er
den Herrschaften ein Amt vor die Füße würfe, das ihm gar
keine Wirkungsmöglichkeit gewährt! ... Da schwatzen die
Feuilletonisten allwöchentlich von der alten Kultur dieses Wien
und in allen Zeitungsspalten seufzen melancholisch frisierte
Schnitzler=Jünger anatolisch elegant. In dieser Stunde aber, da
ein Werk des Dichters durch den rohen Griff des Zensors er¬
würgt werden soll, da schweigen die stimmungsvollen Kultur¬
jünglinge. Nun, der Arbeit Schnitzlers werden robustere Helfer
erwachsen—..