eSS
B
25 Brnhandi
„ Ion, San Fräncisco, Stockholm, St. Peters-
burg, Toronto.
(Quellenang
Ausschnitt aus: +OHEMIA, PRAG
290K11912
vom:
Der zensurierte=Schnitzler Der Wiener Korre¬
spondent der „Frkf. Zig.“ gibt den folgenden ergän¬
zenden Bevicht über Schnitzlers „Professor
Bernhardi“: Eine Totkranke hegt die Hoffnung,
wieder gesund zu werden, und der Arzt sucht infolge¬
dessen zu verhindern, daß der Geistliche, der zur
letzten Oelung von der Familie gerufen worden ist,
in das Krankenzimmer eintrete. Es kommt zu einem
Wortwechsel zwischen Arzt und Geistlichen, den die
Kranke hört. Sie regt sich darüber so auf, daß sie
stirbt, bevor der Geistliche zu ihr ins Zimmer ge¬
langt. In der erregten Diskussion hat der Arzt dem
Priester die Hand auf die Schulter gelegt. Diese
Handbewegung wird von einem anderen Arzt und
der Krankenschwester als ein Stoß denunziert und
Bernhardi wird wegen Religionsstörung
angeklagt und zu drei Monaten Kerker verur¬
teilt. In der Verhandlung widerruft dann die Kran¬
kenschwester ihre Aussage und klagt sich selbst des
Meineids an. Mit dem Ausblick auf eine Re¬
vision des Prozesses endet das Stück, das sich, wie
man voraussetzen kann, jeder unehrerbietigen Aeuße¬
rung gegen die Religion enthält, aber dennoch nicht
Gnade vor einer österreichischen Zensurbehörde fin¬
det. Das Zensurverbot ist übrigens vom Zensurbeirat
nicht einstimmig ausgesprochen worden.
(Gachenangabe ohne Gewanl!
Fremdenblatt, Win.
Ausschnitt aus:
vom; 800f1 1972
Reichsrat.
—Das Verbot von Scnitlers Proseiion=Vernhardi“
Max Winter betreffend das durch die niederösterreichische Statt¬
cei erfolgte Verbot der Aufführung des neuen Dramas von Arthur
nitzlFr. (Es wird die Anfrage gestellt, ob der Minister des Innern
sci, dieses Verbot sofort aufzuheben, in den Zensurbeirat
inzelnen Königreiche und Länder freie Schriftsteller einzu¬
en und das Zensurverfahren in der Weise zu ändern, daß ein Rekurs,
m Verwaltungsgerichtshof möglich ist.)
box 30/2
#nmenangabe opne Gewahl.)
eiter-zeitung, Wien
Ausschnitt aus:
30. 1l. 1912
Theater und Kunst.
Die Rechtlosigkeit der dramatischen Kunst in
Oesterreich.
Wegen des von uns schon besprochenen Verbotes der
Schnitzle#sch#de „Professor Bernhardi“ haben die
Aogeordneten Max Winter, Hanusch und Genossen
gestern folgende Interpellation an den Minister des Innern
eingebracht:
Dieser Tage wurde die Direktion eines Wiener Theaters##
verständigt, daß die niederösterreichische Statthalterei das neue
Drama von Arthur Schnitzler einfach, ohne Angabe von
Gründen, verboten habe. Die Direktion des Theaters rekurrierte
an das Ministerium des Innern, das nun Gelegenheit hat, die
Frage nach einem höheren Gesichtspunkt zu entscheiden. Arthur
Schnitzter gehört zu den wenigen Dramatikern Oesterreichs, die
über die Grenzen ihres Vaterlandes hinausgedrungen sind. Es
wäre tief beschämend, wenn ein Dichter wie Schnitzler in seiner
Heimat verboten, draußen aber, jenseits der schwarz=gelben
Pfähle, freigegeben würde. Wie man hört, ist das Verbot
deshalb erfolgt, weil Schnitzlers Drama an einen infolge der
Verpfassung der Krankenzimmer allmählich weiter verbreiteten
Vorgang anknüpft, nämlich an jene widerwärtigen Behelligungen,
denen ahnungslose Kranke so oft durch zudringliche Proselyten¬
macher ausgesetzt werden. Doch ist bei der künstlerischen Art
dieses Dichters jede vulgäre Tendenzmache ausgeschlossen. Um
so peinlicher berührt dieses anmaßende Verbot gegenüber einem
Dichter, der im k. k. Hofburgtheater ständig im Spielplan steht.
Der niederösterreichische Zensurbeirat hat sich leider nicht zu
einem entscheidenden Protest gegen dieses beschämende Verbot
aufgerafft!
Die Unterzeichneten fragen nun den Herrn Minister des
Innern:
1. Wollen Sie das Ministerium anweisen, dieses be¬
schämende, uns vor dem Ausland kompromittierende Verbot,
das ohne Angabe von Gründen erfolgt ist, sofort aufzuheben?
2. Wollen Sie darangehen, in den Zensurbeirat der
einzelnen Königreiche und Länder statt ausgedienter Staats¬
anwalte und rückgratloser Beamten freie Schriftsteller einzuberusen,
mo
ähnlich wie dies zum Beispiel in Bayern der Fall ist,
angesehene Autoren im Zensurbeirat die Rechte der Schriftsteller
männlich verfechten?
3. Ist der Minister des Innern endlich gewillt, das alte,
willkürliche, rein administrative Zensurverfahren in der Weise
zu ändern, daß wenigstens, wie selbst in Preußen, ein Rekurs
an den Verwaltungsgerichtshof möglich ist, auf daß unsere ver¬
bohrte Zemurpraxis uns nicht länger zum Gespött vor den
anderen europäischen Staaten mache?
Soweit die Interpellation. Dieser letzte beschämende Fall
eines albernen Zensurverbotes wird nun jedem klar machen,
daß selbst in dem rückständigen Oesterreich ein gesetzliches, mit
Rechtsgarantien umgebenes Zensurverfahren notwendig ist. Das
strengste Gesetz ist noch immer besser als die mildeste Ver¬
ordnung, die der Willkür der entscheidenden Beamten freien
Spielraum läßt.
—
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„ Ion, San Fräncisco, Stockholm, St. Peters-
burg, Toronto.
(Quellenang
Ausschnitt aus: +OHEMIA, PRAG
290K11912
vom:
Der zensurierte=Schnitzler Der Wiener Korre¬
spondent der „Frkf. Zig.“ gibt den folgenden ergän¬
zenden Bevicht über Schnitzlers „Professor
Bernhardi“: Eine Totkranke hegt die Hoffnung,
wieder gesund zu werden, und der Arzt sucht infolge¬
dessen zu verhindern, daß der Geistliche, der zur
letzten Oelung von der Familie gerufen worden ist,
in das Krankenzimmer eintrete. Es kommt zu einem
Wortwechsel zwischen Arzt und Geistlichen, den die
Kranke hört. Sie regt sich darüber so auf, daß sie
stirbt, bevor der Geistliche zu ihr ins Zimmer ge¬
langt. In der erregten Diskussion hat der Arzt dem
Priester die Hand auf die Schulter gelegt. Diese
Handbewegung wird von einem anderen Arzt und
der Krankenschwester als ein Stoß denunziert und
Bernhardi wird wegen Religionsstörung
angeklagt und zu drei Monaten Kerker verur¬
teilt. In der Verhandlung widerruft dann die Kran¬
kenschwester ihre Aussage und klagt sich selbst des
Meineids an. Mit dem Ausblick auf eine Re¬
vision des Prozesses endet das Stück, das sich, wie
man voraussetzen kann, jeder unehrerbietigen Aeuße¬
rung gegen die Religion enthält, aber dennoch nicht
Gnade vor einer österreichischen Zensurbehörde fin¬
det. Das Zensurverbot ist übrigens vom Zensurbeirat
nicht einstimmig ausgesprochen worden.
(Gachenangabe ohne Gewanl!
Fremdenblatt, Win.
Ausschnitt aus:
vom; 800f1 1972
Reichsrat.
—Das Verbot von Scnitlers Proseiion=Vernhardi“
Max Winter betreffend das durch die niederösterreichische Statt¬
cei erfolgte Verbot der Aufführung des neuen Dramas von Arthur
nitzlFr. (Es wird die Anfrage gestellt, ob der Minister des Innern
sci, dieses Verbot sofort aufzuheben, in den Zensurbeirat
inzelnen Königreiche und Länder freie Schriftsteller einzu¬
en und das Zensurverfahren in der Weise zu ändern, daß ein Rekurs,
m Verwaltungsgerichtshof möglich ist.)
box 30/2
#nmenangabe opne Gewahl.)
eiter-zeitung, Wien
Ausschnitt aus:
30. 1l. 1912
Theater und Kunst.
Die Rechtlosigkeit der dramatischen Kunst in
Oesterreich.
Wegen des von uns schon besprochenen Verbotes der
Schnitzle#sch#de „Professor Bernhardi“ haben die
Aogeordneten Max Winter, Hanusch und Genossen
gestern folgende Interpellation an den Minister des Innern
eingebracht:
Dieser Tage wurde die Direktion eines Wiener Theaters##
verständigt, daß die niederösterreichische Statthalterei das neue
Drama von Arthur Schnitzler einfach, ohne Angabe von
Gründen, verboten habe. Die Direktion des Theaters rekurrierte
an das Ministerium des Innern, das nun Gelegenheit hat, die
Frage nach einem höheren Gesichtspunkt zu entscheiden. Arthur
Schnitzter gehört zu den wenigen Dramatikern Oesterreichs, die
über die Grenzen ihres Vaterlandes hinausgedrungen sind. Es
wäre tief beschämend, wenn ein Dichter wie Schnitzler in seiner
Heimat verboten, draußen aber, jenseits der schwarz=gelben
Pfähle, freigegeben würde. Wie man hört, ist das Verbot
deshalb erfolgt, weil Schnitzlers Drama an einen infolge der
Verpfassung der Krankenzimmer allmählich weiter verbreiteten
Vorgang anknüpft, nämlich an jene widerwärtigen Behelligungen,
denen ahnungslose Kranke so oft durch zudringliche Proselyten¬
macher ausgesetzt werden. Doch ist bei der künstlerischen Art
dieses Dichters jede vulgäre Tendenzmache ausgeschlossen. Um
so peinlicher berührt dieses anmaßende Verbot gegenüber einem
Dichter, der im k. k. Hofburgtheater ständig im Spielplan steht.
Der niederösterreichische Zensurbeirat hat sich leider nicht zu
einem entscheidenden Protest gegen dieses beschämende Verbot
aufgerafft!
Die Unterzeichneten fragen nun den Herrn Minister des
Innern:
1. Wollen Sie das Ministerium anweisen, dieses be¬
schämende, uns vor dem Ausland kompromittierende Verbot,
das ohne Angabe von Gründen erfolgt ist, sofort aufzuheben?
2. Wollen Sie darangehen, in den Zensurbeirat der
einzelnen Königreiche und Länder statt ausgedienter Staats¬
anwalte und rückgratloser Beamten freie Schriftsteller einzuberusen,
mo
ähnlich wie dies zum Beispiel in Bayern der Fall ist,
angesehene Autoren im Zensurbeirat die Rechte der Schriftsteller
männlich verfechten?
3. Ist der Minister des Innern endlich gewillt, das alte,
willkürliche, rein administrative Zensurverfahren in der Weise
zu ändern, daß wenigstens, wie selbst in Preußen, ein Rekurs
an den Verwaltungsgerichtshof möglich ist, auf daß unsere ver¬
bohrte Zemurpraxis uns nicht länger zum Gespött vor den
anderen europäischen Staaten mache?
Soweit die Interpellation. Dieser letzte beschämende Fall
eines albernen Zensurverbotes wird nun jedem klar machen,
daß selbst in dem rückständigen Oesterreich ein gesetzliches, mit
Rechtsgarantien umgebenes Zensurverfahren notwendig ist. Das
strengste Gesetz ist noch immer besser als die mildeste Ver¬
ordnung, die der Willkür der entscheidenden Beamten freien
Spielraum läßt.
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