II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 136

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25. Brefsonernhandi
Widersacher streiten, stirbt das kranke Mädchen. Alsbald; Recht, das man ihm geraubt, lieber von der Gnade eines; das Turnier der =Gegensätze
setzt die Oeffentlichkeit mit vollem Orchester ein, und Ministers als feierlichst aus den Händen der Justitia wurde mannigfaltiger, bunt
tausend Lästerzungen singen die große Verleumdungsarie:
selber zurückerhakten! Da wächst der Held ins Ueber= so der Kreis verschiedenartich
La calunnia é un venticello. Das Windchen wächst,
natürliche oder verliert sich ins Unnatürliche, was ja nicht Professor dreht. Und da bei
schwillt zum Sturme an: Der Professor habe Gewalt ge¬
selten dasselbe ist. Das Motiv seiner befremdlichen Haltung Kunst, mit der Schnitzler se
braucht, dem Geistlichen einen Stoß versetzt, ein roher
scheint man in dem Umstande suchen zu müssen, daß die
durchstudiert, oft mit ein p
Bursche sei er, Auswurf der Menschheit. Im Parlament
Oeffentlichkeit, was selbstverständlich, seiner Angelegenheit
Sie sind alle „zum Schreien
wird eine Interpellation eingebracht, und der Unterrichts¬
sich bemächtigte. Man bringt ihm Ovationen, Fackelzüge
Schlüsselstück geschrieben, a
minister — eine köstlich gezeichnete Figur, auch so ein
dar, die liberalen Zeitungen singen sein Lob. Kurz, man
reichlich verwertet. Am unsah
apartes Heimatsgewächs wie der Hofrat — beantwortet sie
hat ein politisches Ereignis aus seinem Schicksal gemacht,
Freunde", die Loyalen und
in improvisierter Rede. Er will den hochverdienten Pro¬
eine „Affaire“ und der Professor haßt die Politik.
wegten, die Aufrechten,
fessor heraushauen, ist er doch sein persönlicher Freund;
Strebertum, Parlamentarismus, menschliche Gemeinheit —
denen der Herr verzeihen
doch während des Sprechens spürt er, wie das Parlament
Politik, mit einem Wort“, sagt eine Figur des Stückes,
dammt gut, was sie tun“.
ihm entgleitet, und mit einer kühnen Wendung über¬
und man glaubt hier die Stimme des Dichters selbst zu
ganze Garderobe von Mänte
liefert er sein Opfer dem Justizminister. Bernhardi wird
hören, wenn nicht aller moderner Dichter. Da werden aber
fügung, wie sie bei keinem
wegen Religionsstörung angeklagt und, obwohl der Geist¬
doch Werk und Werkzeug, Zweck und Mittel zum Zweck
Auswahl zu finden. Fast n
liche selbst für ihn sprach, zu zwei Monaten Gefängnis
etwas unlogisch durcheinandergeworfen. Die Rechtsidee
sondere Sorte von verlogen
verurteilt. Die Zeugenaussage einer Krankenschwester ent¬
bleibt rein und hehr, wenn auch das Recht hie und da
ein Rest Ehrlichkeit verblieb,
schied den Fall.
gebeugt wird. So ist die Politik an sich nichts Gemeines,
richtigkeit („Ueberzeugung, de
Nun ist der Professor gar nicht der Mann, der in
nur die Art, sie zu betreiben, kann gemein und hunds¬
Aufregung des Kampfes“)
Heldenpositur den Kampf ums Recht bis zu Ende durch¬
gemein sein. Wer kann sich übrigens der Politik ganz
halten. Unter ihnen ist Unter
fechten möchte. Er will diese Widerwärtigkeit abschütteln,
entziehen, welcher denkfähige, in die gesellschaftliche Ordnung
Ihm schwebt Großes vor, er
will in Ruhe seinem Beruf leben können, und Kranke zu
eingereihte Mensch? Es gibt keine Insel, wohin sie uns
im Kopfe, und vor diesem h
heilen, das ist sein Berus. Darum wandert er, fast wie ein
nicht verfolgte. Auch der Dichter auf seiner Atlantis ist
Nebensächliche in den Hinter
zweiter Sokrates, gelassen in den Kerker, erledigt seine
nicht sicher vor ihr: sie erscheint ihm als Zensur und
gleichgiltig, sein Auge bleibt
Hast, sieht sich aber nach Ablauf der zwei Monate ge¬
mordet seine Werke. Es gibt heute kaum noch ein
So im Fall Bernhardi. H
nötigt, die Regierung um Nachsicht der Rechtsfolgen zu
Menschenwerk und Menschending, das nicht durch das
Bedrängten zu seinem Rechte
bitten, denn die Verurteilung hat ihn um Doktordiplom
Medium der Politik hindurch müßte, sich im alltäglichen
Posten mußte gerettet werden
und Professorstitel gebracht, und nun wäre es Kur¬
Umlauf nicht politisch färbte, bald mehr, bald weniger.
zum Heile des Staates wirk
pfuscherei, wenn er sich seiner ihn von allen Seiten be¬
In ihrer Wirkung auf die geistige Wohlfahrt der Staats¬
der immanenten Idee seines
drängenden Patienten annähme. Da geschieht es glück¬
angehörigen ist auch die Kunst ein Politikum, auch die
dienen“, und mit dieser wunde
licherweise, daß jene Krankenschwester, von Gewissensbissen
Literatur.
armen Professor, daß die
verfolgt und von ihrem Beichtvater ermahnt, sich selbst der
Wie heftig er sich sträuben möge, der wackere Pro¬
und sogenannte Anständigkeit
falschen Aussage anklagt. Doch überraschender als diezer
fesson Bernhardi entgeht schon deshalb nicht der Politik,
den höheren Zielen verlegt
glückliche Zwischenfall wirkt die Heftigkeit, mit welcher der
weil ihn der Dichter eigenhändig bis über den Kopf in
moralisch sei. „Jawohl, m
Professor dem unverhofsten Glück die Tür weist. Er hat
moralisch.“
Politik eintaucht. Er hat aus ihm einen Juden gemacht,
die Geschichte satt; es wäre ihm entsetzlich, den ganzen
Einen warmen Händed##
einen Wiener Juden, was vielleicht gar nicht notwendig
Prozeß noch einmal durchleben zu müssen, wenn auch mit
war. In dem Stück handelt es sich ja nicht um die Frage,
lichen geben. Er ist durchaus
der Aussicht auf den Triumphbogen am Ende des Weges.
der Verurteilung scheut er sich
ob Christ oder Jude, sondern um den Kampf zwischen
Wie sonderbar! Dieser Mann mit seiner „beinahe ärger¬
einer rein menschlichen und einer konfessionell gebundenen
suchen, um ihm seine Ueberzer
lichen Neigung zur Gerechtigkeit“ will die Genugtuung, Weltanschanung. Allerdings ist der Held wienerischer ge¬
als
Arzt,
innerhalb se
die mau ihm schuldet, lieber erbetteln als fordern. das worden, indem ihn der Dichter schärfer differenzierte, und korrekt gehandelt habe. Vor C##