sogialen, jenc Partei, die „so stark und so rücksichtslos
ist“, wie Schnitzler sagt, jene „gewisse Partei, über
deren Wesen wir alle nicht im Zweifel sind, mit so ver¬
schiedenen Gefühlen wir ihr auch gegenüberstehen“
Welche raffinierte Mache! Den Priester zeichnet
Schnitzler als einen edlen, durchaus ehrlichen Mann.
(„Dieser Priester ist kein gewöhnlicher Mensch“, sagen
die Juden anerkennend unter sich.) Dieser Priester gibt
im Gerichtssaale der Wahrheit die Ehre und sagt zu¬
gunsten des Professors Bernhardi aus. Allein er wird
dafür strafweise in ein galizisches Dorf versetzt! Er
hat — so soll dargetan werden — mit seiner Ehren¬
haftigkeit die Kreise jener intriganten Partei gestört,
die aus seinem Falle mit allen Mitteln, selbst denen
des Meineides, die Wafse zu einem Attentat auf den
Juden Bernhardi schmieden. Was da alles an
„klerikalem Gesindel“ aufmarschiert und sich gegen den
edlen, rettungslos verlorenen Juden verbündet: Eine
Fürstin Stixenstein. Ein Bischof. Ein Student Hoch¬
roitzpointner aus Tirol und eine Krankenschwester, die
beide falsch schwören. Ein Dr. Ebenald, der seinen
Vetter, den Abgeordneten zur Einbringung einer ganz
lügenhaften Interpellation veranlaßt und den Profe##c
Bernhardi um jeden Preis stürzen will, um seibst“
Direktor zu werden. Ferner ein Minister für Kultus
und Unterricht, der zwar ein aufrechter Mann sein will,
sich aber schließlich doch vor den „Klerikalen“ beugt,
weil er sie „zum Regieren“ braucht. Ferner „die bös¬
willigen Idioten auf der Geschwornenbank, die vom
ersten Augenblick an entschlossen“ waren, den Juden
schuldig zu sprechen und die Richter, „die die Kerker¬
strafe für Bernhardi sozusagen in der Aktentasche mit¬
gebracht hatten“. Ist soviel Verderbtheit, soviel Unge¬
echtigkeit auf der Welt möglich? Dazu haben „die
klerikalen Blätter gehetzt“.
Natürlich war dem edlen
Professor Bernhardi nicht mehr zu helfen. In dem
„ewigen Kampf zwischen Licht und Dunkel“ mußte
wieder einmal das „Dunkel“ siegen. — Die Tendenz
liegt klar zutage. Es nützt nichts, den Priester einen so
edlen Mann sein zu lassen. Es nützt nichts, den Dr.
Goldenthal sagen zu lassen: „Kalksburg, meine Herren,
ist eine der vorzüglichsten Schulen, die Oesterreich be¬
sitzt. Und ich konstatiere bei dieser Gelegenheit gerne,
daß auch unter den von mancher Seite so sehr ver¬
lästerten Klerikalen Männer von geistiger Bedeutung,
ja sogar tapfere und edle Menschen zu finden sind.“
Derartige, häufig eingestreute Lobsprüche schwächen nur
scheinbar die gehässige Tendenz. In Wirklichkeit aber
erschärfen sie diese. Sie versuchen nämlich, dem Autor
en Anschein der Unbefangenheit und Wahrheitsliebe
u verleihen und ihm so bedingungslosen Glauben auch
rt zu sichern, wo er wahrhaftig nicht unbefangen ist.
Die Zensur, die dieses Stück verbot, tat wahrlich
wohl daran. Sie hielt ein Werk vom Theater fern, das
nichts mit Kunst zu tun hat und nicht ins Theater ge¬
hört, sondern allenfalls zu Wahlzeiten in einen Ver¬
sammlungssaal, vorausgesetzt, daß die Versammelten
darnach sind, es sich bieten zu lassen. Gewisse Leute
mögen ja in dem Verbote der Zensur eine zu scharfe
Maßregel erblicken. Das christliche Volk aber — dies
hat die Behörde richtig erkannt — würde dieses Stück
nicht ruhig hingenommen haben. Jedermann hätte es
als das erkannt, was es ist: eine gehässige, ver###
leumderische Abrechnung mit einem Gegner.
Von derartigen Auswüchsen muß die Bühne rein
gehalten werden. Man werfe uns nicht Feindseligkeit
vor. Für das, was uns von Schnitzler trennt und wahr¬
scheinlich für alle Zeiten trennen muß, ist, um mit
Schnitzler selbst zu reden, „Feindseligkeit ein zu
armes und kleines Wort. Es ist von höherer Art und
H. B.
von hoffnungsloserer“
eschnirt aus:
m:
Hulolsüsche Blätter, Uien
Professor Bernhardt. Die
Zenfur hat wieder ein Heldenstücklein
vollbracht und ein Drama des sauften
Arthur Schnitzler verboten Man
dente, ArUur Schnitzler staats¬
oder gesellschaftsgefährlich, ntemftnrgleei-
Ee hat in seinem Stück nur ein wenig
das Wirten der Geistlichkeit gestreist
und flugs war er in der Stadt des
eucharistischen Kongresses unmög¬
lich. Da nahm man sich denn des so
gefährlichen Stückes an und brachte es
in einer Vorlesung zur Geltung Kein
Aufruhr wurde dadurch hervorgernsen,
Stat und Geselschaft wurden nicht
erschüttert. In Berlin ist das Drama
sogar wirklich aufgeführt worden, ohne
daßsichbedentliche Folgen ergeben häten.
Nehmen wir uns an dem verbündeten
Reich ein Veispiel, das auch für öster¬
reichische Autoren die „schimmernde
Wehr“ zur Verfügung stellt. Wer die
Zeichen der Zeit zu deuten versteht,
sieht, daß nur die mändigen, geistes¬
freien Völler gedeihen können.
1
*
5
—.—
11 OE Hamhurger Correspondent
vom:
Ein größeres Ereignis als die Neuauffi
Theaterstücke war in diesem Jahre die Nichtaussi
Werkes. Arthur-Schni#le
Professor
darf in Oesterreich nicht auf die Bühne gebrackt werden. Das
TA
gebietet die Weisheit der hohen Zensurbehörde, ge
leider keinen Appell an die Weisheit der Verständig
Wiens bedeutendster Romantiker muß sich mit dem
saale bescheiden. Ist denn der Staat nach der Auf
Regierenden so schwach, daß er
die Arthur
Komödie nicht vertragen kann? Oder ist er so schlei
die Wahrheit nicht erfahren soll? Man braucht die
keineswegs so weit her zu helen. In Oesterreich geschie
vie
aus Gefälligkeit; die Logik hat damit nichts zu tun. Arthu
Schnitzler wird vom Theater fern gehalten, damit die
Klerikalen, denen er unangenehm geworden ist, zufrieden sind.
Alser sich bloß mit den Problemen der Liebe befaßte, leß ##
man ihn unbehelligt. Jetzt, da er aus Liebe zu seinem
Vaterlande die Ränke und das Treiben gewisser Elemente
kräftig veranschaulicht, tönt ihm ein rücksichtsloses Halt ent¬
gegen. Das Gift der freimütigen Denkungsart soll nur in
ganz kleinen Quantitäten verbreitet werden. So will es die ##
hohe Oleigkeit Was ihr als Giftquelle erscheint, ist jedoch
ein Gesundbrutmen, und die Bevölkerung wird, aus ihm
schöpfen wissen.
ch.
##
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1410
ist“, wie Schnitzler sagt, jene „gewisse Partei, über
deren Wesen wir alle nicht im Zweifel sind, mit so ver¬
schiedenen Gefühlen wir ihr auch gegenüberstehen“
Welche raffinierte Mache! Den Priester zeichnet
Schnitzler als einen edlen, durchaus ehrlichen Mann.
(„Dieser Priester ist kein gewöhnlicher Mensch“, sagen
die Juden anerkennend unter sich.) Dieser Priester gibt
im Gerichtssaale der Wahrheit die Ehre und sagt zu¬
gunsten des Professors Bernhardi aus. Allein er wird
dafür strafweise in ein galizisches Dorf versetzt! Er
hat — so soll dargetan werden — mit seiner Ehren¬
haftigkeit die Kreise jener intriganten Partei gestört,
die aus seinem Falle mit allen Mitteln, selbst denen
des Meineides, die Wafse zu einem Attentat auf den
Juden Bernhardi schmieden. Was da alles an
„klerikalem Gesindel“ aufmarschiert und sich gegen den
edlen, rettungslos verlorenen Juden verbündet: Eine
Fürstin Stixenstein. Ein Bischof. Ein Student Hoch¬
roitzpointner aus Tirol und eine Krankenschwester, die
beide falsch schwören. Ein Dr. Ebenald, der seinen
Vetter, den Abgeordneten zur Einbringung einer ganz
lügenhaften Interpellation veranlaßt und den Profe##c
Bernhardi um jeden Preis stürzen will, um seibst“
Direktor zu werden. Ferner ein Minister für Kultus
und Unterricht, der zwar ein aufrechter Mann sein will,
sich aber schließlich doch vor den „Klerikalen“ beugt,
weil er sie „zum Regieren“ braucht. Ferner „die bös¬
willigen Idioten auf der Geschwornenbank, die vom
ersten Augenblick an entschlossen“ waren, den Juden
schuldig zu sprechen und die Richter, „die die Kerker¬
strafe für Bernhardi sozusagen in der Aktentasche mit¬
gebracht hatten“. Ist soviel Verderbtheit, soviel Unge¬
echtigkeit auf der Welt möglich? Dazu haben „die
klerikalen Blätter gehetzt“.
Natürlich war dem edlen
Professor Bernhardi nicht mehr zu helfen. In dem
„ewigen Kampf zwischen Licht und Dunkel“ mußte
wieder einmal das „Dunkel“ siegen. — Die Tendenz
liegt klar zutage. Es nützt nichts, den Priester einen so
edlen Mann sein zu lassen. Es nützt nichts, den Dr.
Goldenthal sagen zu lassen: „Kalksburg, meine Herren,
ist eine der vorzüglichsten Schulen, die Oesterreich be¬
sitzt. Und ich konstatiere bei dieser Gelegenheit gerne,
daß auch unter den von mancher Seite so sehr ver¬
lästerten Klerikalen Männer von geistiger Bedeutung,
ja sogar tapfere und edle Menschen zu finden sind.“
Derartige, häufig eingestreute Lobsprüche schwächen nur
scheinbar die gehässige Tendenz. In Wirklichkeit aber
erschärfen sie diese. Sie versuchen nämlich, dem Autor
en Anschein der Unbefangenheit und Wahrheitsliebe
u verleihen und ihm so bedingungslosen Glauben auch
rt zu sichern, wo er wahrhaftig nicht unbefangen ist.
Die Zensur, die dieses Stück verbot, tat wahrlich
wohl daran. Sie hielt ein Werk vom Theater fern, das
nichts mit Kunst zu tun hat und nicht ins Theater ge¬
hört, sondern allenfalls zu Wahlzeiten in einen Ver¬
sammlungssaal, vorausgesetzt, daß die Versammelten
darnach sind, es sich bieten zu lassen. Gewisse Leute
mögen ja in dem Verbote der Zensur eine zu scharfe
Maßregel erblicken. Das christliche Volk aber — dies
hat die Behörde richtig erkannt — würde dieses Stück
nicht ruhig hingenommen haben. Jedermann hätte es
als das erkannt, was es ist: eine gehässige, ver###
leumderische Abrechnung mit einem Gegner.
Von derartigen Auswüchsen muß die Bühne rein
gehalten werden. Man werfe uns nicht Feindseligkeit
vor. Für das, was uns von Schnitzler trennt und wahr¬
scheinlich für alle Zeiten trennen muß, ist, um mit
Schnitzler selbst zu reden, „Feindseligkeit ein zu
armes und kleines Wort. Es ist von höherer Art und
H. B.
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Hulolsüsche Blätter, Uien
Professor Bernhardt. Die
Zenfur hat wieder ein Heldenstücklein
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Aufruhr wurde dadurch hervorgernsen,
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erschüttert. In Berlin ist das Drama
sogar wirklich aufgeführt worden, ohne
daßsichbedentliche Folgen ergeben häten.
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Zeichen der Zeit zu deuten versteht,
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freien Völler gedeihen können.
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Ein größeres Ereignis als die Neuauffi
Theaterstücke war in diesem Jahre die Nichtaussi
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darf in Oesterreich nicht auf die Bühne gebrackt werden. Das
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gebietet die Weisheit der hohen Zensurbehörde, ge
leider keinen Appell an die Weisheit der Verständig
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Alser sich bloß mit den Problemen der Liebe befaßte, leß ##
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