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25. ProfesserBernhandi
Ausechnitt aus: Der Morgen Wien
e3 72.1912
vom:
die Kunst, das kleinere Übel zu wählen. Wir müssen viel Böses Mayer seinem ehemaligen Freu
Der Fall Bernhardi.
dulden, um Böseres zu vermeiden, ja gerade das Kulturwidrigste
Antisemit sind, werfen wir Ihn
ist unbewußt der stärkste Hebel der Kulturentwicklung, wie
Politische Glossen zu Schnitzlers Stück von Dr. Friedrich Hertz.
sind". (Nebenbei bemerkt, wurde
der wirtschaftliche Egoismus, Sklaverei, Ausbeutung, Krieg,
Zeitschilderung, die Siegmund
Als „Fall eihfildelt wir Schmihlers Wert; es hat für uns
rohe Genußsucht, entgeistigter Luxus und andere soziale Laster.
jüdischer Kaufmann“ vor einem
Idie nüchterne Gegenständlichkeit eines tatsächlichen Ereignisses, das
Selten aber war es dem rechtlichen und gereiften Menschen so
freiesten, gar nicht spezifisch jüdi
pplötzlich ausbrechend die Decke der täglichen Konventionen und
schwer gemacht, mitzutun, wie in unserem heutigen Österreich.
liberalen Presse ganz totgeschwie
Beschwichtigungen sprengt, weite Zusammenhänge offen legt, Sen¬
Überall anderswo gibt es doch eine Anerkennung geistiger Werte
im Titel die peinliche Existenz v#
sationsgier und Bosheit reizt und in manchem eine Gewissens¬
und Autorität, eine stark eingewurzelte Selbstachtung und dies er¬
dingen sich ja selbst die frischge
Fregung hervorruft. Unsere Worte gelten nicht der Dichtung, ob¬
möglicht es in moralischen Krisen, in denen Parteileidenschaft und
gutzahlenden Wiener Judenblätt
gleich Schnitzlers Charakterplastik hier auf neuem Feld die alte,
Selbstsucht das öffentliche Bewußtsein verwirren, den Kampf gegen
in den Sonntagsnummern dem
unerhörte Sicherheit und Überzeugungskraft bewährt. Bei vielen
den Trug aufzunehmen. Unsere Empörung ist aber ohnmächtig
und Bernhard Shaw aufgetischt.
aber wird das moralische Erlebnis das ästhetische zurückdrängen
und wehrlos. Die Schuld trifft in erster Linie die Presse, die von
semiten und Juden an „Objektin
und wenn noch etwas an Gewissen in Österreich aufzurütteln wäre,
der kleinlichsten gegenseitigen Eifersucht zerrissen, einer kräftigen
sich im selben Gesinnungsschlam
so müßte dieses Stück und sein Schicksal zum geschichtlichen Aus¬
Aktion gar nicht fähig ist, überdies aber in steter Angst davor
Vorwand. Der Antisemitismus
gangspunkt werden. Jeder nicht gänzlich abgestumpfte Österreicher
zittert, irgend einem populären Wahn zu nahe zu treten. Ebenso
einfach gegen jedes geistige Strei
hat seinen besonderen Fall Bernhardi erlebt. Gerade erst hat sich
verantwortlich sind Beamtentum und Volksvertreter. Die Auslese
trägheit und gewissen besond
ein solcher Fall vor aller Offentlichkeit begeben, der einen neuen
diefer führenden Personen vollzieht sich unter den größten Opfern
Die größere Häufigkeit geistiger
Rekord schuftiger Gemeinheit darstellt, nämlich die Hetze gegen das
an Selbstachtung und macht die Emporgekommenen unempfindlich
nun den Anschein, als richte sich
Kuppelwiesersche Projekt einer Kindererholungsstätte auf dem
gegen Recht und Vernunft.
Juden. Tatsächlich hat er die bei
Semmering. Tagtäglich und auf jedem sozialen Terrain unterliegt
seres öffentlichen Lebens bewirkt
Von überzeugendster Wahrheit find in Schnitzlers Stück der
der gerade und verdiente Mann der streberischen Frechheit, der
Minister Flint, der die moralische Empfindelel, ja selbst das ge¬
tellektuelle steht unter der Gefah
opportunistischen Feigheit und moralischen Faulheft, die unsere
gebene Wort verachtet und nur dem Erfolge um jeden Preis nach¬
stoßen zu werden, wenn er sich
Offentlichkeit schrankenlos beherrschen. Schnitzler schließt mit aller
jagt, und der sympathisch=zynische Hofrat Winkler, der die Quint¬
schuldig macht oder die Sprache
Bestimmtheit die naheliegende Deutung aus, von der sich wohl
essenz bureaukratischer Lebenserfahrung in das Wort zusammen¬
vorzieht. Ebenso selbstverständlich
auch die Zensurbehörde leiten ließ, daß sein Werk ein antiklerikales
drängt, der Beamte könne nur ein Trottel oder ein Anarchist sein.
riorität, der den Persönlichkeitsn
Tendenzstück sei. Der Gegensatz zwischen freier Menschlichkeit und
Unübertrefflich sind die verschiedenen Strebertypen nuanciert und
niveau der Offentlichkeit in stärk
Kirchenglaube verkörpert sich in den gleicherweise sympathischen Ge¬
die Treulosigkeit der Intelligenz, besonders der jüdischen, die aus
Schnitzler hat ein Bild Ost
stalten Bernhardis und des Pfarrers. Der begeisterte Verteidiger
lauter Objektivität und Taktgefühl jeder gegen einen Juden ge¬
schlichten Prägnanz und Tendenz
seiner Kirche wird aber vom selben Schicksal getroffen wie der Ge¬
richteten Intrige passive oder gar aktive Assistenz leistet.
keine Lösung, aber er wird jeder
lehrte, beide Männer verfechten ihre Sache mit den Mitteln ihrer
wart ein persönliches Erleiden i
Wie schon im „Weg ins Freie“ wird auch im „Professor
offenen und warmen Persönlichkeit, sie verweigern es aber sich
seinem Wesen entsprechenden zu
Bernhardi“ unsere Judenfrage aufgerollt, obwohl es eigentlich
der streberischen Koterie, der verlogenen Parteihetze dienstbar zu
Auch wenn der Zensurver#
nicht nötig gewesen wäre, dem Träger der Titelrolle selbst jüdische
machen und das büßen sie.
sollte doch ein Weg gefunden wer
Abstimmung beizulegen. Trotzdem aber mit ... Recht, denn das
Gewiß haben ideal drapierter Eigennutz und Gehässigkeit
Bühne zu bringen. Dies könnte
heutige Österreich kann ohne diesen Zug gar nicht gedacht werden.
gegen jede freie und starke Persönlichkeit, flacher Opportunismus
wo einst auch die „Weber“ zue
Die Geistverlassenheit unserer Zustände kommt darin zum stärksten
und enge Parteiborniertheit zu allen Zeiten und auf der ganzen
Berliner nach Fürstenwalde fahr
Ausdruck, daß unsere Politiker über diesen Punkt absolut nicht
Welt Macht gehabt, so daß Goethes Wort sein Recht behält, aus
hinaus können, an dessen Relevanz doch kein Einziger mehr glaubt.
werden wohl auch genug Wiener
der Geschichte könne man nur lernen, daß es jederzeit und überall
gebrauchen.
Bei den Klügeren war es übrigens immer so, schon in den An¬
miserabel gewesen sei. Auch die wahrhaft Intellektuellen anderer
Länder leiden hierunter. Die Politik im weitesten Sinn ist einmal fängen der antisemitischen Bewegung rief der tapfere Siegmund
25. ProfesserBernhandi
Ausechnitt aus: Der Morgen Wien
e3 72.1912
vom:
die Kunst, das kleinere Übel zu wählen. Wir müssen viel Böses Mayer seinem ehemaligen Freu
Der Fall Bernhardi.
dulden, um Böseres zu vermeiden, ja gerade das Kulturwidrigste
Antisemit sind, werfen wir Ihn
ist unbewußt der stärkste Hebel der Kulturentwicklung, wie
Politische Glossen zu Schnitzlers Stück von Dr. Friedrich Hertz.
sind". (Nebenbei bemerkt, wurde
der wirtschaftliche Egoismus, Sklaverei, Ausbeutung, Krieg,
Zeitschilderung, die Siegmund
Als „Fall eihfildelt wir Schmihlers Wert; es hat für uns
rohe Genußsucht, entgeistigter Luxus und andere soziale Laster.
jüdischer Kaufmann“ vor einem
Idie nüchterne Gegenständlichkeit eines tatsächlichen Ereignisses, das
Selten aber war es dem rechtlichen und gereiften Menschen so
freiesten, gar nicht spezifisch jüdi
pplötzlich ausbrechend die Decke der täglichen Konventionen und
schwer gemacht, mitzutun, wie in unserem heutigen Österreich.
liberalen Presse ganz totgeschwie
Beschwichtigungen sprengt, weite Zusammenhänge offen legt, Sen¬
Überall anderswo gibt es doch eine Anerkennung geistiger Werte
im Titel die peinliche Existenz v#
sationsgier und Bosheit reizt und in manchem eine Gewissens¬
und Autorität, eine stark eingewurzelte Selbstachtung und dies er¬
dingen sich ja selbst die frischge
Fregung hervorruft. Unsere Worte gelten nicht der Dichtung, ob¬
möglicht es in moralischen Krisen, in denen Parteileidenschaft und
gutzahlenden Wiener Judenblätt
gleich Schnitzlers Charakterplastik hier auf neuem Feld die alte,
Selbstsucht das öffentliche Bewußtsein verwirren, den Kampf gegen
in den Sonntagsnummern dem
unerhörte Sicherheit und Überzeugungskraft bewährt. Bei vielen
den Trug aufzunehmen. Unsere Empörung ist aber ohnmächtig
und Bernhard Shaw aufgetischt.
aber wird das moralische Erlebnis das ästhetische zurückdrängen
und wehrlos. Die Schuld trifft in erster Linie die Presse, die von
semiten und Juden an „Objektin
und wenn noch etwas an Gewissen in Österreich aufzurütteln wäre,
der kleinlichsten gegenseitigen Eifersucht zerrissen, einer kräftigen
sich im selben Gesinnungsschlam
so müßte dieses Stück und sein Schicksal zum geschichtlichen Aus¬
Aktion gar nicht fähig ist, überdies aber in steter Angst davor
Vorwand. Der Antisemitismus
gangspunkt werden. Jeder nicht gänzlich abgestumpfte Österreicher
zittert, irgend einem populären Wahn zu nahe zu treten. Ebenso
einfach gegen jedes geistige Strei
hat seinen besonderen Fall Bernhardi erlebt. Gerade erst hat sich
verantwortlich sind Beamtentum und Volksvertreter. Die Auslese
trägheit und gewissen besond
ein solcher Fall vor aller Offentlichkeit begeben, der einen neuen
diefer führenden Personen vollzieht sich unter den größten Opfern
Die größere Häufigkeit geistiger
Rekord schuftiger Gemeinheit darstellt, nämlich die Hetze gegen das
an Selbstachtung und macht die Emporgekommenen unempfindlich
nun den Anschein, als richte sich
Kuppelwiesersche Projekt einer Kindererholungsstätte auf dem
gegen Recht und Vernunft.
Juden. Tatsächlich hat er die bei
Semmering. Tagtäglich und auf jedem sozialen Terrain unterliegt
seres öffentlichen Lebens bewirkt
Von überzeugendster Wahrheit find in Schnitzlers Stück der
der gerade und verdiente Mann der streberischen Frechheit, der
Minister Flint, der die moralische Empfindelel, ja selbst das ge¬
tellektuelle steht unter der Gefah
opportunistischen Feigheit und moralischen Faulheft, die unsere
gebene Wort verachtet und nur dem Erfolge um jeden Preis nach¬
stoßen zu werden, wenn er sich
Offentlichkeit schrankenlos beherrschen. Schnitzler schließt mit aller
jagt, und der sympathisch=zynische Hofrat Winkler, der die Quint¬
schuldig macht oder die Sprache
Bestimmtheit die naheliegende Deutung aus, von der sich wohl
essenz bureaukratischer Lebenserfahrung in das Wort zusammen¬
vorzieht. Ebenso selbstverständlich
auch die Zensurbehörde leiten ließ, daß sein Werk ein antiklerikales
drängt, der Beamte könne nur ein Trottel oder ein Anarchist sein.
riorität, der den Persönlichkeitsn
Tendenzstück sei. Der Gegensatz zwischen freier Menschlichkeit und
Unübertrefflich sind die verschiedenen Strebertypen nuanciert und
niveau der Offentlichkeit in stärk
Kirchenglaube verkörpert sich in den gleicherweise sympathischen Ge¬
die Treulosigkeit der Intelligenz, besonders der jüdischen, die aus
Schnitzler hat ein Bild Ost
stalten Bernhardis und des Pfarrers. Der begeisterte Verteidiger
lauter Objektivität und Taktgefühl jeder gegen einen Juden ge¬
schlichten Prägnanz und Tendenz
seiner Kirche wird aber vom selben Schicksal getroffen wie der Ge¬
richteten Intrige passive oder gar aktive Assistenz leistet.
keine Lösung, aber er wird jeder
lehrte, beide Männer verfechten ihre Sache mit den Mitteln ihrer
wart ein persönliches Erleiden i
Wie schon im „Weg ins Freie“ wird auch im „Professor
offenen und warmen Persönlichkeit, sie verweigern es aber sich
seinem Wesen entsprechenden zu
Bernhardi“ unsere Judenfrage aufgerollt, obwohl es eigentlich
der streberischen Koterie, der verlogenen Parteihetze dienstbar zu
Auch wenn der Zensurver#
nicht nötig gewesen wäre, dem Träger der Titelrolle selbst jüdische
machen und das büßen sie.
sollte doch ein Weg gefunden wer
Abstimmung beizulegen. Trotzdem aber mit ... Recht, denn das
Gewiß haben ideal drapierter Eigennutz und Gehässigkeit
Bühne zu bringen. Dies könnte
heutige Österreich kann ohne diesen Zug gar nicht gedacht werden.
gegen jede freie und starke Persönlichkeit, flacher Opportunismus
wo einst auch die „Weber“ zue
Die Geistverlassenheit unserer Zustände kommt darin zum stärksten
und enge Parteiborniertheit zu allen Zeiten und auf der ganzen
Berliner nach Fürstenwalde fahr
Ausdruck, daß unsere Politiker über diesen Punkt absolut nicht
Welt Macht gehabt, so daß Goethes Wort sein Recht behält, aus
hinaus können, an dessen Relevanz doch kein Einziger mehr glaubt.
werden wohl auch genug Wiener
der Geschichte könne man nur lernen, daß es jederzeit und überall
gebrauchen.
Bei den Klügeren war es übrigens immer so, schon in den An¬
miserabel gewesen sei. Auch die wahrhaft Intellektuellen anderer
Länder leiden hierunter. Die Politik im weitesten Sinn ist einmal fängen der antisemitischen Bewegung rief der tapfere Siegmund