II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 150

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25 Professen-Bernhandi
AGU

W. von Wymetal, Schnitzlers „Professor Bernhardi“.
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serveoffizier zu werden, so darf es uns
übt, mit einem Haufen „Rechte“ und
weiter nicht erstaunen, wenn er nach
viel wirklicher Freiheit, tatsächlich
Erreichung seines Ziels den Lebensstil
keine Herrschaft aus. Aber kein Zweifel,
des aktiven Offiziers ins Bürgertum
daß es sich dafür rüstet! Es geht ihm
verschleppt und für den Militarismus
zu gut, um sich eine Revolution zu
unbezahlte Agentendienste verrichtet.
leisten, der herrschenden Kaste zu schlecht,
Der Reserveoffizier hat gut die Hälfte
um eine solche zu provozieren. Deren
des geistigen Erbes, das vom deutschen
Sicherheit besteht nur noch in der Un¬
Bürgertum Generationen hindurch ge¬
sicherheit der anderen. Der Endkampf
hütet worden war, gegen Wind und
wird mit geistigen Waffen ausgetragen.
klingenden Flitter eingetauscht oder
Wir haben schon eine stattliche Zahl
stumpfsinnig verwirtschaftet. In dreißig
„Enzyklopädisten“ und die Jungen ge¬
Jahren ist ein Riesenkapital zum Teufel
hören fast alle dazu. Wo auf der
gegangen. Alle geistige Energie scheint
andern Seite der Barrikade ein In¬
sich in Gewehre und Kanonen umzu¬
tellektueller steht, soll eine heimliche
setzen, bestenfalls in Exportgeschäfte.
Kollegialität uns mit ihm verbinden,
War das nötig? Haben nicht demo¬
denn er ist, selbst als Gegner, ein
kratische Engländer und Franzosen
Bundesgenosse, wider Willen.
gerade so gute Geschäfte gemacht? Wird
René Schickele
in parlamentarisch regierten Ländern
weniger verdient?
Wo auf Gottes Erdboden findet sich
Schnitzlers „Professor Bernhardi“.
noch einmal die selbstquälerische, jedes
edlere Selbstbewußtsein unter des
Arthur Schnitzlers, des Fünfzigjäh¬
Königs Stiefel tretende Manie, das
rigen, neue Komödie „Professor Bern¬
hardi“ ist dem Wiener Deutschen
Heim an die Kaserne, das Arbeits¬
Volkstheater zur Aufführung nicht frei¬
kleid an die Uniform zu verraten?
gegeben worden. Bei der erstaun¬
Wo? Das war, in Deutschland, die
lichen Gleichheit der Anschauungen der
parcdoxe Folge der allgemeinen Wehr¬
Behörden in solchen Fällen, wo offen¬
pflicht!
bar ein „Wink von oben“ vorliegt,
Mir sind das Volk der Dichter und
werden alle österreichischen Zensur¬
Denker. Dichter und Denker, erklärt
stellen diesem Verbot beitreten, und
uns dies Phänomen!
kein braver Österreicher wird somit
Vielleicht leben wir jetzt in Deutsch¬
durch eine Vorstellung des „Professors
Bernhardi“ verdorben werden.
land zur Zeit Ludwigs XIV. Das
Ein Buch aber, und schon gar ein
Reich geeinigt, die böswilligen Vasallen
Theaterstück, liest der richtige homo
endgültig zur Ruhe gebracht. Cumberland
Austriacus nicht, und so ist Österreich
und Hohenzollern vereinigen sich gar im
wieder einmal gerettet worden... Die
Myrtenkranz. Um dieselbe Zeit weilte
Gefahr war aber auch wirklich groß,
der Mann der „Vasallen“=Rede in
und das Hublikum mußte vor einem
reichstreuer Mission beim preußischen
Werk behütet werden, dessen Tenor
Hof. Es ist die Zeit des Absolutis¬
dahin geht, Charakterfestigkeit, Über¬
mus. Der heutige gibt sich natürlich
zeugungstreue, Menschlichkeit und pein¬
zeitgemäß, konzilianter. Das Volk lichste Reinlichkeit in geistigen, poli¬
—Iin Ministel einem L
Ehre erweise.
Diese Geschichte erinnert an eine
andere ähnliche. Dieselbe Beratung
mit demselben Erfolge soll auch statt¬