II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 151

S
bos 20/2
25. BrferBernhandi
32 W. von Wymetal, Schnitzlers „Professor Bernhardi“
tischen und Geldangelegenheiten seien
dem Priester, der einer Sterbenden
schöne Dinge, die auch dem Politiker
die letzte Olung bringen will, und
und dem hohen Beamten besser an¬
dem Arzt, der den Pfarrer nicht ans
stünden, als phrasenhafter Opportunis¬
Krankenbett läßt, weil die Sterbende
mus und salbungsvolle Heuchelei!
in seliger Euphorie liegt und, voller
Nur weil die Komödie für Wahr¬
Hoffnung, von ihrem nahen Ende keine
haftigkeit und Anständigkeit spricht und
Ahnung hat, — dieser Streitfall ist
weil sie in einem scharfkonturierren
nur erregendes Moment der Komödie
Spiegelbild die besondere Verlogenheit
und ist überdies so dezent gestaltet,
und Unsauberkeit der heute in Öster¬
daß der streitbarste Freisinger oder
reich herrschenden Kreise zeigt, ist sie
Wiener Erzbischof keinen Anstoß daran
verboten worden. Den Mut seiner
nähme!
Überzeugung haben, gleich gütig sein
Aber ein Stück, in welchem es von den
gegen Jnd' und Christ, geistige Werte
unserem Thronfolger so nahestehenden
beim Slawen genau so anerkennen,
Christlichsozialen heißt: „Der Herr
wie beim Deutschen, — das ist gut
verzeihe ihnen
sie wissen
für Schullesebücher; wohin aber kämen
verdammt gut, was sie tun!“ Ein
unsere großen politischen Parteien ohne
Stück, in welchem ein berühmter
ihre konfessionellen und nationalen
Gelehrter vom Unterrichtsminister zu
Zänkereien, und wohin käme der kon¬
Kollegen zu sagen wagt: „Ja, dieser
stitutionell verschleierte Absolutismus,
Flint, auf den ihr so große Hoff¬
den sich Dynastie und Bureaukraten
nungen gesetzt habt, und der jetzt
so schön bei uns eingerichtet haben,
einfach der Handlanger der Klerikalen
wenn die großen Parteien ihre Juden¬
geworden ist. Dieser sogenannte Mann
feindschaft und ihren Chauvinismus
der Wissenschaft, unter dem die Pfaffen
plötzlich beiseite schöben und sich zu nütz¬
frecher geworden sind, als je. Wenn
licher Arbeit zusammenfänden?
es so weitergeht, liefert er der schwarzen
Man muß also nach Möglichkeit
Brut die ganze Schule aus, dieser
jede Aufklärung der Bevölkerung zu
Minister für Kultus und Heuchelei!“
verhindern suchen. Bei der Vorliebe
Ein Stück, worin der bei uns übliche
des Österreichers, insbesondere des
innerpolitische Schacher der Regierung
Wieners, fürs Theater wäre aber ein
und der Parteien mit schonungsloser
aufklärendes Bühnenstück viel gefähr¬
Geringschätzung stigmatisiert wird, —
licher gewesen als zwei Dutzend Bro¬
ein solches Stück sollte aufgeführt
schüren.
werden und Zweifel, Nachdenken, ja
Darum und bloß darum, ist „Pro¬
Gewissenserforschung in der Seele von
fessor Bernhardi“ verboten worden.
stumpfsinnigen Staatsbürgern wecken
Selbstverständlich konnte man das im
dürfen? Und so wird auch das Mini¬
Verbotsdekret nicht ausst echen. Die
sterium des Innern, an das rekurriert
Behörde machte sich die Sache leicht,
wurde, das Zensurerkenntnis wahr¬
indem sie das Verbot überhaupt nicht
scheinlich bestätigen.
begründete. Halboffiziell jedoch wurde
Besonders hoch aber ist dem Men¬
in den offiziösen Blättern erklärt, die
schen Schnitzler auch der Mut anzu¬
Komödie sei verboten worden, weil sie
rechnen, mit dem er nicht nur den
einen Konflikt zwischen Arzt und Prie¬
Klerikalen und der Regierung, sondern
ster behandle und dabei den Priester
als aufrechter Bekenner der Wahr¬
ins Unrecht setze. Das ist natürlich
heit auch unseren mächtigen, sich
Lüge. Denn der Streitfall zwischen liberal und demokratisch nennenden
Tageszeitungen, denen Information,
Sensation, kurz das Geschäft über die
Gesinnung gehen, den Fehdehandschuh
hinschleudert: sie hätten es oft in der
Hand, durch vornehmes Schweigen
manchen schäbigen Gernegroß der Po¬
litik im Schlamm zu lassen, wohin er
gehöre; sie aber höben ihn durch ihre
Reklame für seine albernen Helden¬
taten aus dem Schmutz seiner Richtig¬
keit auf den Thron der Popularität,
auf den er — ohne ihre charakterlose
Nachkilfe — nie gelangen könnte ...
Es zeugt von achtenswerter Courage,
wenn ein Dramatiker bei der argen
Abhängigkeit des heutigen Bühnen= ——
schriftstellers von de