II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 155

so ist die Gesellschaft, welche im zwanzigsten Jahrhundert die
Aufführung dieses Stückes nicht erträgt oder nicht zu er¬
tragen wagt.
Ein Zensurverbot hat den „Bernhardi“ Oesterreichs Bühnen
untersagt. Weil man heute klerikaler, unduldsamer ist als in der
dem Konkordat doch noch so nahen Epoche, da Anzengruber von
der Bühne seinen Kampf nicht gegen den Glauben, sondern
gegen die Kirche führte. In Ungarn jedoch war das Stück
frei. Eine Stunde weit von Wien herrscht eine andere Auf¬
fassung über intellektuelle Freiheit. So wenigstens dachte der
ungarische Zensor. Aber er erlebt eine Ueberraschung. Er wird
plötzlich zum zensurierten Zensor.
Denn der Theaterausschuß in Preßburg hat zwei Tage
vor der gevlanten und drei volle Wochen angekündigt ge¬
wesenen Aufführung des „Bernhardi“ durch die Barnovsky¬
Truppe, diese Vorstellung inhibiert. Offiziell werden als Ursache
lokale Gründe der Theaterpolitik angegeben. Aber das geschieht
nur, weil es dieser Zeit selbst an Mut gebricht, für ihre
Handlungen einzustehen. Es wäre sympathischer gewesen, wenn
die Preßburger frank und frei gesagt hätten: Wir sind für
das Verbot!
In der Elisabethinum=Sitzung, bei welcher der Bera¬
hardi von seinen Kollegen abgekragelt wird, ist ja auch das
Interesse des Instituts von ihnen vorgeschoben, um Geschäfte
anderer Art dadurch zu vertünchen. Und erst als ihnen der
Duft des Opferblutes zu Kopfe steigt, verlieren sie die Masken,
und jeder spricht seinem Nutzen nach, hascht seinen Vorteil und
schielt nach der Direktive von dem, der morgen „oben“ sein
wird. Artur Schnitzler hat hier ein für allemal gezeigt, „wie
es gemacht wird“. Und tat es in so prägnanter Weise, daß
er damit dem Preßburger Theaterausschuß ein Rezept ge¬
liefert hat. Frei nach Schnitzler ist die Aufführung „Der
verbotene Bernhardi“ vor sich gegangen. Erst steht die
offiziöse Begründung auf der Tagesordnung, die nie¬
mand anhört, niemand glaubt, weil sie jenem Gott
„Niemand“ geschäftsmäßig wie alle Lügen der Gesellschaft
dargebracht werden. Dann erhebt sich der „Liberale“. (Man
lese seine Charakteristik und seine Definition im „Bernhardi“
nach) Er ist der Gerechte, der Unbefangene, der Parteilose.
Und er besorgt mit würdiger Anmut die Geschäfte, welche den
Klerikalen widerstreben. Er ist, wahrscheinlich weil ihm die
Sache so neu ist, christlicher als alle anwesenden Christen. Er
ist der Pacemacher für das nun fallende Wort „Religions¬
störung“. Er, der seine und seinesgleichen Existenz der Pro¬
klamation der „Menschenrechte“ verdankt, dieser Rechte, die
die Freiheit des Gebankens, die Freiheit des Wortes und die
Freiheit des Glaubens der Welt erkämpften; er betreibt das
Geschäft des „Animier=Christen“. Gemäßigter (weil sie eben
nicht Parvenüs sind) setzen nun die konservativen Elemente
ein. Sie sind die Geschickten, die Geschäftsgewohnten, die im
Grunde ihrer Seele sich gar nicht so sehr über den Fall auf¬
regen. Aber ihn benützen nach allen Traditionen ihrer politi¬
schen Klugheit. Und sind vor allem die Zusammenhaltenden.
„Einen Akt der Courtoisie“ nennen sie es, wenn Preßburg den
dort freien „Bernhardi“ lächelnd der Wiener Zensur zurück¬
gibt. Sie fühlen sich Alle nicht als Bürger, berufen, in eigener
Sache, auf eigenem Boden stehend, sich die Eigenmächtigkeit
ihrer Kulturhandlungen zu wahren. Sie sind alle Menschen,
die nach der Zensur rufen. Die im Verbot ihre Sicherheit
fühlen. Die Scheuklappen und Maulkorb in ihrem Wappen
tragen.
Liberale Ausschußmitglieder in Preßburg zensurieren
ihren Zensor. Und ein liberaler Journalist, ein sogenannter
Intellektueller, in Wien jubeit ihnen Beifall. Weil seine
„innere Zensur seinem Gemüte die Teilnahme an diesem
Werke verbietet“. Es wäre zu untersuchen, wie weit
sich solche innere Vorgänge mit der äußeren Geste
des Schleppetragens decken. So haben sie alle ihre
Rollen brillant gespielt. Und wenn es sonst bei Theaterstücken
heißt: „Wie aus dem Leben gegriffen“, so muß man von
diesem Verbot der „Bernhardi“=Komödie sagen, daß es bestes
Theater war. Artur Schnitzler hat sich nicht zu beklagen. Sein
„Bernhardi“ ist doch in Preßburg gespielt worden. Im
Sitzungssaal!
K 7
(Quellenmngabe ohne Gewähr.)
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Ausschnitt aus:
2- S 1912
vom:
„. 0 Munege, Operettenaufführungen veran¬
stalten.
Verbot einer Vorlesung von Schnitzlers
Protesnr
Bernhardi. Am Dienstag sollte i Lestmerks Schnitzters
Professor Bernhardi gelesen werden. Die Bezirkshaupt¬
mannschaft verbot jedoch die Vorlesung, und zwar genan
mit derselben Begründung, mit der das Verbot in Wien er¬
folgte und mit der der Rekurs verworfen wurde. Es scheint
also, daß das österreichische Ministerium des Innern den
verschiedenen Bezirkshauptmannschaften mitgeteilt hat,
mit welcher Begründung die Vorlesungen oder Auf¬
führungen von Schnitzlers Professor Bernhardi zu ver¬“
bieten seien.
* Phusifer Ehelmen —

canitt, 4as1
ue Mbepost, L.#tte
Böhmen
4
„Professor Bernhardi“ in Leitmeritz verboten
Der Prager Schauspielek Huttig wollte das Teadin
Stück Schnitzlers „Professor Bershardi“, welche
künstkerisch Werk Ihcf und sich gegen di
kathol. Kirche richtet, in Leitmeritz zur Vorlesung bringen.
Die Bezirkshauptmannschaft hat erfreulicher Weise die
Vorlesung verboten und aus folgenden Gründen: „Dem
Ansuchen vom 19. April l. J. um die Bewilligung
zur Abhaltung einer Vorlesung des dramatischen Werkes
„Professor Bernhardi“ von Artur Schnitzler durch
Herrn Alfred Huttig, Mitglied des kgl. deutschen Landes¬
theaters in Prag, kann aus folgenden Gründen nicht willfahrt
werden: Wenn auch die Bedenken, die gegen die Vorlesung des
Werkes vom Standpunkte der Wahrung religiöser Ge¬
fühle der Bevölkerung vorliegend, durch Striche oder
durch Aenderung einzelner Textstellen immerhin beseitigt
werden könnten, so stellt doch das Bühnenwerk in
seinem gesamten Aufban durch das Zusammen¬
wirken der zur Beleuchtung unseres öffentlichen Lebens
gebrachten Episoden österreichische staatliche Einlichtun¬
gen unter vielfacher Einstellung hierländischer „Zustände
in einer so herabsetzenden Weise dar, daß solte öffent¬
liche Vorlesung wegen der zu wahrender öffentlichen
Interessen nicht zugelassen werden kann“.“
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GOente cer Aie Srsee
Ausschnitt ausin
#a mn Liaderistische Blätter, Wien
vom:
We
Bermischte Nachrichten.
Das Verbot des „Professor Bernhardi“
hit die Albanesen so stark erregt, daß man dem
Liter des literarischen Bureaus im Ministerium
des Auswärtigen rasch den Titel eines außer¬
ordentlichen Gesandten verleihen mußte.

S
Seen