II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 162

Se
70
Auch mit Karl Schönherr hate insden ramnleit. Der e lhre ee
eigenartige Dramaturgen=Erlebnisse. Ihn
Wie „Professor Bernhardi“ entstand
um den Zusatz, schrieb einen Einakter um
mit meinem Theater in möglichst innige
den anderen, ich fand sie jedoch alle der
Bald nach Antritt des Dramaturgen¬
Verbindung zu bringen, das schien mir
prächtigen Justizkomödie und auch der
amtes im Deutschen Volkstheater regte ich
eine meiner ersten dramaturgischen Auf¬
dichterischen Persönlichkeit Wildgans' nicht
bei meinem damaligen Direktor Adolf
gaben. Aber ich stieß auf einen grollenden
würdig. So verging die Zeit.
Weisse die Aufführung von Arthur
Achilleus. Sein Märchen „Das König¬
Es kam die Eröffnung der Volksbühne
Schnitzlers „Anatol“=Zyklus an, aus
reich“ das später in einer neuen Fassung
durch Dr. Stephan Großmann und
dem man wohl schon vorher da und dort,
zu eindringlichster Wirkung kam, hatte bei
Artur Rundt, für die Wildgans die Frei¬
auch auf unserer Bühne, das eine oder das
der am 13. Februar 1909 stattgefundenen
gabe seines Stückchens erbat und — ob auch
andere Stückchen gespielt hatte, der aber in
Uraufführung versagt, der Dichter setzte
mit Widerstreben — erhielt, gegen das Ver¬
seiner Gänze, in den Zusammenhängen der
dies auf Rechnung der Inszenierung und
sprechen, sein nächstes Bühnenwerk, an dem
einzelnen Einakter, darin sich schon der
Besetzung und wollte mit der Bühne, auf
er bereits arbeitete, unserem Theater zuerst
junge Dichter als Meister dieser Gattung
der er nach seiner Meinung nicht liebevoll
vorzulegen. Das war „Armut“ Er
bewährt hatte, noch niemals aufgerollt
genug behandelt worden war, nichts mehr
brachte mir die Dichtung, die er für durch¬
worden war. Weisse brachte dem Vorschlag
zu tun haben. Er sagte mir dies klipp und
aus theaterfern, für dialogisierte Lyrik
Sympathie entgegen und beauftragte mich,
klar ins Gesicht, als ich ihn anging, uns
hielt und mit Worten stärksten Mißtrauens
mit dem Dichter in Verhandlung zu treten.
seine eben fertiggestellte Tragödie eines
in Wert und Wirkung in meine Hände
Ich trug diesem meine Absicht vor. Er hörte
Volkes, „Glaube und Heimat“ zu
legte, von mir die Bestätigung dieser
mich mit stillem Lächeln an, legte dann seine
überlassen, deren ersten Akt ich in einer
Selbstbe= und Verurteilung erwartend. Es
Zeitungsveröffentlichung mit mächtigem
Hand auf meine Schulter und sagte nur:
kam anders. Ich war begeistert, übertrug
Eindruck genossen hatte.
„Lieber Freund, lassen Sie doch
meine Begeisterung auf Direktor Weisse
Aber ich ließ mich nicht schrecken. Frau
die Toten ruhen!" Er glaubte nicht
und am 16. Jänner 1915 wurde der
Johann Strauß, der ich mein Leid ge¬
an die dramatische Schlagkraft dieser Klei¬
dramatische Dichter Anton Wildgans unter
klagt hatte, versprach mir ihren Beistand.
nigkeiten, dieser Niederschläge aus der
dem Enthusiasmus der Darsteller, des
Sie lud mich gemeinsam mit Schönherr
Junggesellenzeit, wie er sie nannte, und ließ
Publikums und der Kritik geboren.
zum Tee, und es gelang uns beiden, nach
sich auch in stundenlangem Gespräch von
Er hatte eine Erfolgmöglichkeit über¬
langen Verhandlungen dem Dichter seine
meiner Ueberzeugung nicht überzeugen,
haupt nicht ins Auge gefaßt, mit mir, der
feste Absicht auszureden, das monumentale
willigte aber doch in die Ausführung des
fest an die Kraft des Werkes glaubte, sogar
Werk der Exl=Truppe zur Urauffüh¬
Planes ein, freilich unter Bedingungen,
gewettet, daß er Recht behalten würde
rung für Wien zu überlassen. Ich schätze
die ihn fast fraglich machten, und deren ent¬
und noch knapp vor Probenbeginn auf eine
die liebevolle Arbeit Ferdinand Exls und
scheidendste die Zuerkennung des Rechtes
Verschiebung der Aufführung bis nach
seiner Leute sehr hoch ein und danke ihnen
war, das Werk auch noch nach der Haupt¬
Kriegsschluß gedrängt, den freilich niemand
festliche Stunden. Aber noch kümmert sich
probe zurückziehen zu dürfen. Es kam nicht
so ferne glaubte. Ich wurde Sieger, er
nicht die Kulturwelt um diese Arbeit und
dazu. Je lebendiger seine Kinder vor ihm
Triumphator und zahlte die Wette mit
ihre Früchte. Ihre Wirkung ist auf einen
wurden, desto lieber wurden sie ihm, desto
einem prächtigen Liebhaberexemplar der
engen Kreis beschränkt. Hätte Schönherr
mehr Vertrauen brachte er ihnen entgegen.
„Armut“ besonders gewertet durch ein
an seiner Absicht festgehalten, so wäre
Der Abend vom 5. Dezember 1910
lustiges Widmungssonett über die abge¬
„Glaube und Heimat“ gewiß auch zu
wurde ihm und dem Theater ein
schlossene und für ihn so freudig verlorene
schönem Erfolge gebracht worden, aber die
voller Triumph mit weithintragenden
Wette. Der Seltenheit wegen sei noch er¬
großen Theater Deutschlands und des Aus¬
Wirkungen. Viele Bühnen, auch des Aus¬
wähnt, daß Wildgans ein dankbarer Autor
landes hätten ihn kaum aufgegriffen, wie.
landes, griffen nach dem „Anatol“, das
war und bis zu seinem Tode blieb.
dies nach dem herrlichen Siege am 17. De¬
Buch kam zu zahlreichen Auflagen, wurde
zember 1910 der Fall war. Ich kenne kein
in viele Sprachen übersetzt, die Popularität
zweites Sprechstück, das auf so vielen Büh¬
und Weltgeltung des Dichters verbreiterten
nen zu so vielen Aufführungen gelangt ist,
und vertieften sich ins Ungemessene.
wie dieses.
Arthur Schnitzler gehörte zu den dank¬
Leicht hat uns Schöherr die Urauffüh¬
baren Naturen und es drängte ihn, dem
rung nicht gemacht. Er schrieb die Besetzung
Theater, das ihn so gefördert hatte, eine be¬
und eine große Zahl von Proben unter
sondere Gabe seines Talentes zu widmen.
seiner Leitung vor und forderte, daß sein
Wie sollte er das anstellen? Ein Ueberein¬
Landsmann Albin Egger=Lienz für
kommen mit dem Burgtheater verpflichtete
die Figuren und Dekorationen herange¬
ihn, diesem seine dramatischen Arbeiten zu¬
zogen werde, harte und kostspielige Bedin¬
erst vorzulegen. Es galt also, ein Werk zu
gungen, in die Direktor Weisse einwilligte,
schaffen, dessen Stoff es schon von der da¬
trotzdem er an einen Kassenerfolg nicht
mals noch sehr exklusiven Bühne des
glaubte, der sich freilich im höchsten Maße,
Kaisers ausschloß. Wir suchten und suchten
alle Opfer reichlich lohnend, einstellte.
im Skizzenbuche des Dichters, darin er Ein¬
fälle für dramatische Schöpfungen, auch
Anton Wildgans wettet auf den
schon einzelne Szenen zu solchen festge¬
Durchfalt von „Armut“.
halten hatte und kamen auf den Gegenstand
Eine meiner liebsten amtlichen Begeg¬
der „Proseffor Bernhardi“
nungen war mir die mit Anton Wild¬
Komödie, der mancherlei Wandlungen
gans, dem zum Ritt ins Reich des Ruhms
durchmachte, ehe er zur gültigen Fassung
gelangte. Zuerst wollte der Dichter für das
den Steigbügel gehalten zu haben, mein
freudiger Stolz ist. Bald nach meinem
Recht des Arztes plädieren, den wirklich
unheilbar Kranken, der nur sich selber und
Dienstantritt erschien bei mir ein junger Ge¬
seiner Umgebung zu Last und Leid lebt, zu
richtsbeamter, hochgewachsen, stämmig, blas¬
erlösen; dann dachte er auch an einen Vor¬
sen Antlitzes, mit einer bedeutenden Stirn
stoß gegen den § 144, um beides zu ver¬
und blitzenden Augen. Er überreichte mir
werfen und sich auf den Konflikt zwischen
ohne viele Worte ein Quartheft, maschinge¬
Freisinn und Klerikalismus, Menschenrecht
schrieben, mit dem Titel „In Ewigkeit
und Paragraphenreiterei zurückzuziehen.
Amen“, Gerichtsstück in einem Aufzuge
Das Schicksal des Stückes ist bekannt.
von Anton Wildgans, und bat bescheiden,
Die damals noch allmächtige Zensur ließ
an seine Arbeit eine Viertelstunde zu setzen.
es trotz eines dafür eintretenden mutigen
Ich empfing und behandelte den jungen
Gutachtens des Hofrates Glossy nicht
Schriftsteller mit dem Respekt, den mir die
auf die Bühne. Mit zähester Energie und
neuen, aus Seelentiefen aufklingenden Töne
energischester Zähigkeit stemmte sich be¬
seiner Lyrik abgerungen hatten, ging aber
sonders, als Statthalter wie als Unter¬
weil ich ihn für den berufenen Lyriker und
richtsminister und Kabinettschef, Freiherr] Nur=Lyriker hielt, mit Mißtrauen an
von Bienerth gegen die Freigabe, weil sein dramatisches Werk heran. Bald ange¬